Bauer Willi
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Loslassen…

Ein Gastbeitrag von Jürgen Donhauser

Inspiriert vom Artikel „Die Zukunft war früher auch besser“ vor wenigen Tagen hier auf den Blog, und der beinhalteten Frage: „Was wird unsere Kinder oder Enkel einmal erwarten?“, habe ich mich gefragt: „Wie weit bin ich selbst bereit mich zu verändern?“ und „Wie optimistisch sehe ich in die Zukunft und gestalte diese aktiv mit?“

Eigentlich müsste ich mich befreit fühlen. Mit 17 Jahren bin ich in die Landwirtschaft eingestiegen. Ausbildung, Fachschule, Fachabitur, Meister gemacht. Mein ganzes Leben drehte sich um unseren landwirtschaftlichen Betrieb. Meine Freizeit verbrachte ich zum großen Teil auch für die Berufsvertretung. Erst in der Jungbauernschaft – später im Bauernverband. Solange ich denken kann, gab es aber dieses Gefühl von mangelnder Wertschätzung, ungenügender Bezahlung und agrarpolitischer Willkür – ein gefühlter, lebenslanger Überlebenskampf. Trotz alledem schafften meine Frau und ich den Betrieb durch alle Krisen und Entbehrungen hindurch weiter zu entwickeln. Sogar einen zweiten Betrieb für den zweiten Sohn, der auch Landwirtschaftsmeister wurde, aufzubauen. https://www.bauerwilli.com/schuldbekenntnis-eines-landwirts/

Da ich mit zwei Hofnachfolger schon früh wußte, dass hier Konfliktpotential entstehen würde, machte ich mir schon frühzeitig Gedanken über meine Zeit danach – nach der Hofübergabe. Es gibt ja für Hofnachfolger nichts schlimmeres, als wenn der Senior noch auf dem Betrieb unterwegs ist und ungefragt kluge Tipps verbreitet. Das möchte keiner hören. Und ich wußte, ich bin so ein gefährlicher Kandidat, der gerne ungefragt Tipps geben würde. Als beide Söhne mit ihrer Ausbildung fertig waren, übertrug ich (mit 49 Jahren) Ihnen (24 und 19 Jahren) deshalb das operative Geschäft. Zwar noch keine Hofübergabe, aber sie hatten freie Hand in ihren Entscheidungen.

Um eben nicht durch meine Anwesenheit Gefahr zu laufen den Mund nicht halten zu können, wollte ich weg vom Hof. Ich arbeitete mehrere Jahre als Produktionsberater Schweinehaltung bei einem großen bayerischen Agrarhändler, der mit dem grünen Quadrat. Hier konnte ich mein Fachwissen an andere Betriebe im ganzen Süddeutschen Bereich weitergeben, war aber nach wie vor hautnah an den Auswirkungen des agrarpolitischen Kahlschlags in der Sauenhaltung dabei. Wie oft erlebte ich dabei die schweren Entscheidungen von Familienbetrieben ihre Schweinehaltung aufzugeben. Enttäuscht von Agrarpolitik, die sie vor unlösbaren Herausforderungen in Sachen Tierhaltung stellte. Enttäuscht von Verbrauchern, die zwar in Umfragen die höchsten Tierwohlstandards fordern, aber täglich beim Einkaufen nach dem Billigsten griffen. Enttäuscht von Vermarktern, die sie zu höheren Tierwohlstandards mit Markenprogrammen überredeten, aber dann ihre teuer produzierten Schweine nicht haben wollten. In dieser Zeit war ich wohl öfter Seelsorger als Produktionsberater.

Vielleicht war dies der letzte Kick für mich eine „neue Welt“ zu erschließen. Ich hatte ja in meiner Betriebsleiterzeit schon im Fernkurs über 4 Jahre Theologie studiert. Einfach nur um einen geistigen Ausgleich zur „Agrarwelt“ zu haben. Aber auch um für mich einige kritische Fragen an die Kirche (Warum tickt sie bei manchen Themen so?) zu beantworten. Einfach die Kirche zu verurteilen, abzulehnen oder auszutreten war mir zu wenig. Ich wollte ihre Beweggründe, ihre Argumentation kennenlernen und verstehen. Diese gewonnenen Erkenntnisse durch das Theologiestudium, zusammen mit meiner „Seelsorgearbeit“ bei den Beratungsgesprächen auf den Betrieben, brachten mich auf den Weg zur Ausbildung zum Ständigen Diakon. Am 29. September 2018 schloss ich die 4-jährige praktische Ausbildung (dies immer parallel zur normalen Arbeit in meiner „Freizeit“) ab und wurde von Bischof im Regensburger Dom zum Diakon mit Zivilberuf geweiht. Vergangenes Jahr nun entsandte mich mein Bischof ins Klinikum zur Krankenseelsorge und übernahm mich in den Hauptberuf.

Die Hofübergabe und die Abfindung für die weichenden Erben ist nun endlich vollzogen. Eigentlich müsste ich befreit sein, aber die lange Zeit in der Landwirtschaft kann man nicht einfach abstreifen. Jeden Tag fühle ich mit meinen Söhnen mit, wenn wieder eine ideologische und realitätsferne Aussage und Anforderung einem die Freude an der Landwirtschaft raubt. Und immer wieder frage ich mich: „War es gut die Kinder diesen Beruf ergreifen zu lassen?“ Ich habe keinen dazu gezwungen oder geraten, aber vielleicht hätte ich sie aktiv davon abhalten sollen. Die Investitionen, die mittlerweile durch steigende Tierschutz- und Umweltauflagen gefordert werden, sind in der kurzen Zeit nicht mehr zu erwirtschaften. Die in immer kürzeren Zeitabständen durch Ideologie veränderten Anforderungen erlauben keine Planungssicherheit mehr. Wir sind zu einem Spielball geworden, an dem sich NGO und ideologische Agrarpolitiker austoben dürfen. Wer möchte und sollte sich dies bei dieser Arbeitsbelastung und Verdienst noch antun. Die Arbeit an sich ist nicht das Problem.

Für mich ist Landwirt immer noch der schönste Beruf, die Anforderungen außen herum sind es, die ihn inzwischen unerträglich machen. Und ich weiß wovon ich spreche, ich hatte in meiner Betriebsleiterzeit selbst 3mal Burn Out und musste mich wieder herausarbeiten und motivieren. Vielleicht musste ich dies aber alles selbst erleben, um dann als Coach und Speaker glaubwürdig davon sprechen zu können und die Zusammenhänge für andere aufzuzeigen und Hilfestellung zu geben.
Als Klinikseelsorger im ländlichen Bereich erlebe ich sehr viele Patienten mit ebenso landwirtschaftlicher Lebensgeschichte. Viele erzählen mir von der schönen Zeit, aber auch von den Widrigkeiten die ihnen zum Schluss die Kraft und Freude geraubt hätten. Und wie oft stehen ihnen die Tränen in den Augen, wenn sie von ihrem Lebenswerk erzählen, das aber nicht mehr weitergeführt wurde oder konnte. Landwirte planen und wirtschaften eben nicht nur für sich, sondern für Generationen. Und dies in einer schnelllebigen Zeit, in der eine Investition für 10 Jahre schon als illusorisch angesehen wird.

Mit 56 Jahren bin ich meiner neuen Berufung Diakon und Krankenseelsorger gefolgt, die mir jetzt auch sehr viel Freude und Erfüllung schenkt. Es hat sich auf diesem Weg bis dahin sehr viel auch von selbst ergeben, gefügt. Entscheidend war aber wohl die Bereitschaft loszulassen, nicht auf seine eigenen festen Vorstellungen zu beharren, sondern zu sehen, was einem das Leben auch „zufällig“ oder „gottgewollt“ zuspielt. Und dies auch in den „schlechten“ Zeiten, in den Tiefen des Lebens. Nichts passierte aus Zufall und hatte rückblickend alles seinen Sinn. Im Herzen aber, und das habe ich nun bei der Hofübergabe deutlich gemerkt, bin ich wohl immer noch zutiefst Bauer.

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36 Kommentare

  1. unkomplizierter Wurzelwicht sagt

    Was der Löwenanteil des gemeinen Bauernstandes realiter augenscheinlich einfach nicht wahrhaben will, ist in der heute schnelllebigen Zeit die zwingend notwendige Bereitschaft, sich -wie in anderen Berufen/Bereichen übrigens eindrücklich auch- ständig geistig in höchstem Maße flexibel den jeweiligen Erfordernissen anpassen zu wollen/können. „Wer nicht geht mit der Zeit, der geht mit Zeit.“

    Gerade die Tierhaltung ist für die Automatisierung prädestiniert, ohne dieselbe überrollt ansonsten den Einzelnen schlichtweg rasant die Zeit.

    Einschub: Was trifft heute(!) unzählige Bürger in unserem Land hart!? – Der heutige Tag zeigt auf, wie schnell die eigene Planung damit von jetzt auf gleich einfach mal ad absurdum geführt wird.

    Die enormen Umweltschäden ürigens, die eben dieser Sektor unbestreitbar verursacht, spielen nach wie vor eine nur untergeordnete Rolle. Es wird banalisiert geflogen, was das Zeug hält. Selbst unzählige vermeidbare Inlandsflüge unserer maßgeblichen Entscheider stehen ganz selbstverständlich zeitentrückt obenauf bei deren Tagesplanung. Man spricht nur kaum darüber.

    Die geradezu gefühlt versessenen Fortentwicklungsschritte, so sie denn als solche überhaupt derart übertitelt werden dürfen, können im Umfeld der „modernen“ Landwirtschaft, begleitet von einem mittlerweile vollkommen entfesselten administrativen Kontrollwahn und nachweislich der oft fehlenden Flexibilisierung der Familienbetriebe gegenwärtig genau daran im Endeffekt nur noch zum Scheitern verurteilt sein, weil dies schlichtweg, finanziell, selbst mit der Brechstange verteidigt, kaum mehr leistbar ist. Zur Disposition steht damit auch jeder in den vergangenen Jahrzehnten strukturell gesund gewachsene Betrieb. In starrer Blockadehaltung vermag er das nur schwerlich zu leisten.

    Herr Donhauser, als viel erschütternder für jeden heute noch aktiven Landwirt empfinde ich persönlich, dass man als solcher nach drei Jahrzehnten resümieren muss, dass etwa ein Drittel unserer Erträge während dieser aufopferungs- und entbehrungsvollen Zeit schlichtweg direkt in der Tonne gelandet sind. Warum verschweigt man DAS(!) geflissentlich noch immer!? Auch Sie sprechen darüber nicht!

    Noch heute lassen wir Bauern uns entsprechend indoktrinieren, indirekt positionieren auch Sie, werter Herr Donhauser, sich demgemäß, dass unsere ganze Schaffenskraft zentriert alleinig im Nahrungsmittelumfeld gesehen werden muss ohne einen beherzten Blick nach rechts und links; …wir sind damit fortwährend zu Abfallproduzenten in einem kaum mehr verantwortbaren quotalen Anteil Jahr um Jahr degradiert und genau hieraus resultiert die spürbar katastrophale Geringschätzigkeit für den profanen Bauern (den Umweltverschmutzer und -vergifter, den Tierquäler, den Klimaleugner…). Nur einige Wenige konnten sich im Verlaufe vergangener Dekaden hieran unverschämt bereichern, handverlesene Familienimperien haben solche Milliardäre hervorgebracht dank der zuverlässigen Muskeldividende von den Bauern.

    Hierauf fußt perfiderweise nach wie vor unser gesellschaftliches Anspruchsdenken, dass u.a. selbst das allwöchentliche Autowaschen, Wasser für WaschMasch und Spülmaschine, das Bewässern der hauseigenen Vorgärtchen, selbst die Klospülung in sämtlichen öffentlichen und privaten Bereichen etc. pp. mit qualitativ besten Trinkwasserqualitäten versorgt werden müssen. Was juckt dabei, dass in einer vorsorgenden Auflagenflut damit in immer weiter ausufernden Trinkwasserschutzgebieten parallel dazu den Bauern förmlich das Wasser „abgegraben“ wird. Utopische Wahnvorstellungen greifen um sich, die eine notwendige Draufsicht vollkommen verschleiern, welche Konsequenzen damit einhergehen, wenn die Erträge auf den betroffenen Flächen schlichtweg dramatisch einbrechen.

    Einschränkungen von Dünger- und Pflanzenschutzmitteleinsatz gehen damit natürlich parallelgeschmeidig einher.

    Meine Bitte daher im Generellen:

    Hört endlich auf, die gemeinen Bauern beständig einzig und alleine in der Nahrungsmittelproduktion festzementieren zu wollen – dieses willkürliche Sklaventum innerhalb einer Zeitreise enorm beschleunigter Entwicklungsfortschritte in sämtlichen Bereichen um uns herum schafft eine brandgefährliche Bauernblase, die mittlerweile doch bedrohlichst zu platzen droht.

    Die heutigen Bauern als erfolgreich freie Unternehmer(!) müssen sich wie jeder andere dieser Spezies auch den Erfordernissen heißhungriger Märkte stellen, um sich selbst auch ökonomisch opportun hieran partizipieren zu können. Alles andere ist Luxus-Nostalgie, die wir in vielen Freilichtmuseen landauf, landab, bestaunen können, aber kaum mehr in einer funktionierenden Realwelt des täglichen Lebens….

    Kaviar für das gemeine Volk ist Geschichte!

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    • Jürgen Donhauser sagt

      @UWW – ich weiß nicht ob die Bemerkung: „….wie in anderen Berufen/Bereichen übrigens eindrücklich auch- ständig geistig in höchstem Maße flexibel den jeweiligen Erfordernissen anpassen zu wollen/können.“ auf mich und meinen Lebensweg abzielte?
      Nach der Hofübergabe stellten wir unseren Betrieb auf öko um. Wir waren Naturlandbetrieb und wirtschafteten 7 Jahre lang ökologisch. Durch die erlebten negativen Erfahrungen in dieser Zeit, stellten wir mit voller Überzeugung danach wieder auf konventionelle Ferkelerzeugung um.
      Wir generierten durch Dienstleistung über ein Lohnunternehmen zusätzliche Einnahmen durch Transportarbeiten.
      Wir bauten ein zweites Standbein Landschaftspflege auf. Mit 5 Angestellten betreuten wir 12 Kommunen im Landkreis und darüber hinaus.
      Wir entwickelten den Betrieb zu einem geschlossenen System (eigene Nachzucht, Ferkel bis zum Schlachtschwein) mit ca. 400 ZS.
      Durch die Installation von 4 Photovoltaikanlagen konnten wir den absoluten Großteil unseres Strombedarfs selbst erzeugen und darüber hinaus für andere zur Verfügung stellen.
      Vor 4 Jahren begann meine Frau und mein Sohn den direkten Kontakt zum Endkunden durch Direktvermarktung aufzubauen.
      Mein Sohn betreibt seit in paar Jahren eine Versuchsanlage für eine Aquaponikanlage und wird dieses Jahr eine größere Anlage bauen.

      Ich denke wir haben genügend Flexibilität bewiesen!

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      • Arnold Krämer sagt

        „Ich denke wir haben genügend Flexibilität bewiesen!“

        …. und sich dabei hoffentlich nicht verzettelt.

        Das ist alles für sich genommen schon ziemlich anspruchsvoll.
        Nur die PV- Anlagen sind „Selbstläufer“.
        Und der Vater nimmt sich als „Mitdenker“ und Mitarbeiter“ auch noch aus dem Spiel.

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    • unkomplizierter Wurzelwicht sagt

      Nein, ich habe nicht Ihren Betrieb im Speziellen angesprochen sondern die LW im allgemeinen. Das sollten sie nicht in den falschen Hals bekommen.

      Diversifizierung auch in Non-Food-Bereichen ist heute zumeist notwendig, wenn man noch Geld verdienen will. Da machen Sie und Ihre Familie doch bereits einiges richtig…

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  2. Thomas Bröcker sagt

    Ich finde es schon erschreckend, wie Viele von denen, die hier im Blog von Anfang an mitdiskutieren, ihre Betriebe aufgegeben oder in Nebenerwerb überführt haben.
    Das ging in den letzten 5 Jahren nochmal extrem schneller als vorher.
    Selbst bei dem engagierten @Ludwig geht die Entwicklung ja scheinbar in diese Richtung.
    Hier bei mir in meiner Absatzgenossenschaft sind von ehemals 21 Betrieben noch 9 übrig, die noch Obst und Gemüse erzeugen. Wie in der Tierproduktion sind auch in diesem Bereich viele dabei den Anbau zu beenden und entweder aufzuhören bzw. nur noch Ackerbau zu machen. Die Verarbeitungsware bei Obst und Gemüse kommt inzwischen zu großen Teilen von östlich der Grenze der „Bunten Republike“. Dasselbe zeichnet sich bei der Tafelware ab. Entgegen allem Geschwätz, dass der Gartenbau die Zukunft der Betriebe wäre geht auch in diesem Bereich die hiesige Produktion realiter über die Wupper.

    Loslassen ist nicht immer ein freiwilliger Prozess und lustig zumeist schon gar nicht.

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    • Arnold Krämer sagt

      „Loslassen ist nicht immer ein freiwilliger Prozess und lustig zumeist schon gar nicht.“
      Stimmt!
      Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind für die Betriebszweige enerell und den den Einzelbetrieb (Standort, Marktpartner u.ä.) teils unterschiedlich und nicht immer günstig.
      Dazu können dann zwei einzelbetriebliche Probleme kommen:
      1. Die Betriebe/Betriebszweige sind nicht groß genug (zu geringes Einkommenspotential ; ein speziell westdeutsches und insbesondere süddeutsches Problem)
      2. Die Einkommenpotentiale können (aus welchen Gründen auch immer) nicht ausgeschöpft werden.

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    • firedragon sagt

      Ergänzend dazu die Lage eines Dorfes/Südpfalz. In den letzten 27 Jahren lösten sich immer mal wieder Betriebe auf, da es keine Nachfolger gab.

      Stand vor noch fünf Jahren:
      14 Haupterwerbsbetriebe Weinbau, davon führten sechs Betriebe noch Landwirtschaft im Haupterwerb

      Stand heute:
      sieben Haupterwerbsbetriebe Weinbau, davon führen vier Betriebe noch Landwirtschaft im Haupterwerb

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    • Topfheiler sagt

      Kann leider nur hinzufügen aus sicht der Direktvermarkzung. die möglichkeiten zum zukauf schwinden ,noch einer bei Erdbeeren ,noch 2 bei Äpfeln einer bei Zwetschgen,Himmberen einer Pfirschig Stachelbeeren Brommbeeren keiner, Bei dem Kartoffelanbau führt die drahtwurmproplematik zu Aufgaben.

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  3. Kemetbauer sagt

    Beim Lesen des Gastbeitrages fiel mir sofort der Begriff „Spätberufener“ ein. Wenn die Generationenfolge recht kurz ist, bleibt nur der noch lange Zeit besserwissende Abgeber oder die Trennung vom dann abgegebenen Hof.
    Eine räumliche Trennung von meinem Betrieb käme für mich nicht infrage. Die innerfamiliäre „Hofnachfolge“ gibt es bei mir nicht. Der Betrieb wird eine Stiftung und damit ist die Fremdverpachtung vorgegeben. Dabei war eigentlich ein Berufsleben im öffentlichen Dienst vorgesehen. Aber in der Ausbildung zum gehobenen nicht technischen Dienst, kamen mir dann doch Zweifel. Also kam der zweite Bildungsweg. Abitur und zwei Studiengänge und Übernahme des sehr kleinen ldw. Familienbetriebes. Am Ende gab es zwei Naturkostläden, eine Fleischerei und eine Bäckerei und, sehr wenig Freizeit.
    Dann die Kehrtwende. Bauland und ein neuer arrondierter Betrieb im Osten. Endlich nur noch das machen können, wofür, wie man so schön sagt, ich brenne. Rinder- Grünlandbauer mit Ackerland. Nach über 20 Jahren trägt der Betrieb deutliche Zeichen meiner Vorstellung von einer zukunftsfähigen Landwirtschaft. Das „Lebenswerk“ steht. Nun müssen organisatorische Dinge bezüglich der Stiftungseinrichtungen mit der Restfamilie und dem Mitarbeiter bezüglich einer Pachtübergabe geklärt werden. Meine Aufgabe wird sich dann auf die schon bisher praktizierte Beratung fremder Betriebe fokussieren. Die Führung „meines“ Betriebes liegt dann in anderen Händen.
    Ich wohne mittig auf meinem Betrieb. Durch alle Fenster und Türen meines Wohngebäudes schaue ich auf meine Flächen und meine Tiere. Das wird auch bis zum Ende so bleiben. Irgendwann ist dann mein Leben zu Ende. Meine Asche wird dann unter einer von mir gepflanzten Rotbuche verbuddelt. So habe ich immer eine Auge auf „meinen“ Hof.

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    • Thomas Bröcker sagt

      Ja, da gibt es einige Betriebe, die aus dem Westen übergesiedelt sind und hier eine lebensfähige Betriebsgröße aufbauen konnten. Wer hier herüber kam, hatte den Vorteil entsprechendes Kapital (aus dem Verkauf im Westen und den günstigen Startförderungen im Osten) mitzubringen. Diese Betriebe stehen fast alle gut im Futter, und es ist gut, dass sie hier sind und Arbeitsplätze und stabile Betriebsstrukturen generiert haben.
      Hier besteht der verbliebene Gemüseanbau und der Spargel (mit hohem Selbstvermarktungsanteil wegen der Nähe zu Berlin) fast ausschließlich aus solchen Umsiedlern. Ich habe vor den Leistungen dieser Betriebe und ihrer Inhaber großen Respekt.
      Für bäuerliche Neustarter aus dem Segment der „Eingeborenen“ war es oft deutlich schwerer Fuß zu fassen und wirtschaftlich tragbare Größen aufzubauen. Das „Volkseigentum“ gehörte eben nicht mehr dem Volke (was natürlich sehr vereinfacht ausgedrückt ist).

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  4. Alfons Nünning sagt

    Herr Krämer,oft sind Betriebsgröße und die Versorgung der Altenteiler das Problem bei der Hofuebergabe , was in der Folge zu einer Betriebsaufgabe führt . Das wiederum ist für viele schmerzlich.

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  5. Arnold Krämer sagt

    Jeder Landwirt muss einmal „loslassen“. Entweder geschieht dies abrupt bei Tod, schwerem Schicksalsschlag bzw. gewollt/freiwillig oder fortlaufend/kontinuierlich. Was für den Betrieb und die Familie besser ist (Tod oder schwerer Schicksalsschlag lassen wir einmal unbetrachtet), hängt nur von den Familienmitgliedern (auch den angeheirateten), ihrem Temperament, ihrem Wesen, ihrem Wissen und Können, ihren außerberuflichen Wünschen usw. ab. Das Formale (Verpachtung, Hofübergabe) ist das eine, das Mitarbeiten, das Mitdenken, das Mitenscheiden das andere.
    Ideal ist eine betriebliche Situation, in der Teile eines Unternehmens sehr früh (im Pachtwege) in Eigenverantwortung des vorgesehenen Hofnachfolgers übergeben werden können. Das können selbstverständlich auch zwei sein und sie müssen nicht männlich sein.
    Probleme sind immer dann vorprogrammiert, wenn Mangel zu verteilen ist. Ansonsten kann meist problemlos kompensiert werden.
    Wenn generationenübergreifend zulange gegeneinander gearbeitet wird, kann das den wirtschaftliche Tod eines Betriebes bedeuten. Die Energie wird auf „Nebenkriegsschauplätzen“ vergeudet.
    Wenn zwar nicht gegeneinander gelebt und gearbeitet wird, aber auch nicht miteinander, ist das ebenfalls suboptimal und kostet mindestens potentiellen Erfolg oder auch Substanz.

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    • unkomplizierter Wurzelwicht sagt

      Nicht wenige tun’s erst, wenn der Bestatter auf den Hof kommt.

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      • Arnold Krämer sagt

        Da gibt es sicherlich große regionale Unterschiede entsprechend steuerlicher oder sonstiger Beratungs- und Bildungsarbeit.

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        • unkomplizierter Wurzelwicht sagt

          Erachten Sie Ihre Antwort nicht als etwas arrogant, Herr Krämer!?

          Die Ursächlichkeiten sehe ich an etwas anderer Stelle verortet.

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          • Arnold Krämer sagt

            Dann nennen Sie sie doch!
            Es gibt die regionalen Unterschiede in der landwirtschaftlichen Beratungs- und Bildungsarbeit. Ein solch allgemeines Urteil maße ich mir aufgrund meiner jahrzehntelangen Erfahrung in der landwirtschaftlichen Beratungs- und Bildungsarbeit (auch über die Region Emsland hinaus) an. Die wirtschaftlichen Grunddaten sind auch sehr verschieden, da sollten wir uns nichts vormachen.

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            • unkomplizierter Wurzelwicht sagt

              Eben, …und nicht wenige können sich den Ausstieg so ohne weiteres leisten, wenn ihnen die Hausbank im Nacken sitzt. Da hast du nicht die nötige Beinfreiheit, rechtzeitig eine Reißleine zu ziehen.

              So manche Suizide sind auf eben diesem Konto zu verbuchen. Das wird allerdings forthin weitgehend totgeschwiegen.

              Schlimm, welche Dramen sich da manchmal abspielen, Herr Krämer!

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              • Arnold Krämer sagt

                Ja , auch das ist ein Grund. Er spielt hier in der Region wohl aufgrund der sehr hohen Bodenpreise (10 bis 14 €/qm Acker) allerdings keine Rolle.

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                • unkomplizierter Wurzelwicht sagt

                  Unsere Daten sind in der Preisfrage mittlerweile auch weitgehend verschoben.

                  Bisweilen Utopien, die ein Bauer nicht finanzieren kann, will er die Amortisation solcher Kapitalanlagen nicht komplett aus den Augen verlieren.

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                • Arnold Krämer sagt

                  @ UWW Landkauf und -preise
                  Wir „schlauen“ Berater haben in den zurückliegenden Jahrzehnten den Landwirten immer wieder vorgerechnet, dass Landkauf nicht rentabel sei. Im Nachhinein ist festzustellen, dass fast alle Landwirte es richtig gemacht haben, wenn sie in solchen Angelegenheiten nicht auf „uns“ gehört haben. Wer weiß, was die Zukunft bringt?

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                • unkomplizierter Wurzelwicht sagt

                  Landkauf in der Vergangenheit war der richtige Weg, das darf ich Ihnen versichern. – Wir kaufen auch heute noch.

                  Nur nicht um jeden Preis!!!

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                • Ehemaliger Landwirt sagt

                  Bei uns liegen die Preise für
                  Obst fähiges Land bei bis 7.- € je m²
                  Wein bei 4 bis 10.- € je m²
                  für den Fall, dass es Käufer gibt.

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            • unkomplizierter Wurzelwicht sagt

              Um nicht falsch verstanden zu werden:

              Kaufpreisanstieg für Agrarflächen in Daten u. Fakten hier im Süden in den Realteilingsgebieten. Wir sind davon nicht ausgenommen.

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  6. Ludwig sagt

    Gute Entscheidung bei der Ausgangslage. So haben die beiden Söhne volle Entscheidung . Leider läst unsere Politik seit fast zwanzig Jahren immer mehr Tierhaltung auf den Höfen verschwinden, aber die Tierhaltung ist nicht weniger oder weg , sondern nur wo anders in der EU.Die Schweinehaltung ist nach Spanien mit weniger Auflagen abgewandert worden. Unsere Politik gibt überall wirtschaftliche Tätigkeiten ins Ausland ab. Inzwischen wandern jedes Jahr rd. 200.000 gut ausgebildete Fachleute ins Ausland ab. Damit geht Wachstum und Wissen weg , was unsere Neubürger nicht auffangen können , sondern teilweise im Bürgergeld mit Nichtstun sogar zusätzlich belasten. Tolle Aussichten. Damit die im Ausland lebenden Wahlberechtigten nicht auf einmal Protest wählen , haben die überwiegend gar keine Wahlunterlagen bekommen. So macht man sich die neue Welt schön . Die Hierbleibenden müßen nun mit der jetzigen Lage fertig werden. Meine Kinder haben andere Berufe gewählt und so konnte ich rechtzeitig vor der Rente meine Stallgebäude umbauen und vermieten. Der Abschied von der Schweinehaltung tut heute noch weh. So wird der Betrieb heute in einer Familien GBR bewirtschaftet. Ich , als inszwischen Altenteiler, betreue als 500 Eurojobber noch einige Bereiche und freue mich über meine Aufgaben.

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  7. Inga sagt

    1. Gut dass die Landwirtschaft mit der Kirche verbinden ist.
    Bauer und Diakon, super
    Sie wird ja schon in der Bibel erwähnt.

    Also Grundpfeiler unserer Volkswirtschaft.
    Das müssen unsere Nachkommen begreifen.

    Und den wahren Wert der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die ja aus der Natur geholt sind erkennen.

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    • Inga sagt

      Die Natur ist Gottes Schöpfung.

      Die Industrie ist künstlich, lieblos und umweltschädlich.

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      • Obstbäuerin sagt

        Und doch kann die Menschheit (bald 10 Milliarden) nur mit Hilfe der Industrie überleben. Allein mit Gottes Schöpfung, der Natur, gäbe es wohl erheblich mehr Verteilungskämpfe und Verlierer.

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  8. Christian Bothe sagt

    J.D. Gefaellt mir Ihre Darstellung des Lebenslaufes von aktiver LW zum Diakon! Bin ja auch katholisch, und habe selbst im tiefsten Osten aktiv Kirche praktiziert( Religion, Ministrant, Kommunion, Firmung etc.)! Das alles im Übrigen in einem Wismutgebiet und ohne Schikanen( wie manchmal behauptet…)!

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  9. Andrea Fasch sagt

    Nun also Diakon.
    Die Änderungen im Lebenslauf sind nachvollziehbar.
    Ich frage mich nur – wie passt das zur angesprochenen Kritikan der Haltung der Kirchen.
    Möglichweise hat das mit dem eigenen Altwr und der als Kind erworbenen Ansicht zum Glauben zu tun… Und ich bin noch nicjt in dem Alter, jenseits der sechzig, wenn auch nicht weit davon, das ich das nachvollziehen könnte. Drum frage ich – wie kann man als Mensch mit dieser Lebenserfahrung dann gerade in der Kirche sein Altenteil finden?
    Nein, die Flausen, etwas ändern zu können, habe ich nicht mehr, ich denke inzwischen, das Einstein recht hat und die Menschliche Dummheit das einzigunendliche ist… Aber – warum zum Henket grad die Kirche?

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    • Jürgen Donhauser sagt

      @Andrea Fasch, aus ihrem Kommentar entnehme ich ihre Unverständnis über meine bewusste Entscheidung zum Klerikerstand. Über 25 Jahre gab ich ehrenamtlich Eheseminare für die katholische Kirche. Dabei wurde ich immer wieder konfrontiert mit Fragen (z.B. Sexualmoral d. Kirche, Zölibat usw) und Kritik an der Kirche. Das führte dazu mich intensiver mit der Argumentation und Beweggründe der Kirche (die auch sehr viel mit den mehr als tausendjährigen Erfahrungen in den Kirchengemeinden zu tun haben) zu beschäftigen. Die Schlüsse der Kirche daraus wurden für mich nachvollziehbarer.
      Aber eines ist auch klar. Es gibt keine Organisation oder Verein in der Größe, in der nicht auch „Schwarze Schafe“ unterwegs sind und sich nicht auch von Egoismus leiten lassen. Es gilt für mich immer abzuwägen, schadet oder fördert mich die jeweilige Institution. Und ich persönlich hatte sehr viele positive Erfahrungen mit der Kirche und kann in meiner Funktion in der Krankenseelsorge vielen Menschen Gutes tun – ihnen helfen.

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      • Frau Andrea Fasch sagt

        Danke, das erklärt ihre Sicht der Situation.
        Jeder Mensch hat seine eigenen Lösungen.
        Der Text begann mit der Landwirtschaft, schwenkte dann zu der Gesellschaftskritik
        „Aber auch um für mich einige kritische Fragen an die Kirche (Warum tickt sie bei manchen Themen so?) zu beantworten. Einfach die Kirche zu verurteilen, abzulehnen oder auszutreten war mir zu wenig.“
        Mich würde interessieren, inwieweit das Theilogiestudium dabei zu Antworten – anscheinend positiver Art – geführt hat.
        Sollten sie einmal Zeit und Muße finden, dies beantworten zu wollen, würde ich mich sehr freuen, wenn wir dies einmal schreiben könnten, hier spengt das erheblich den Rahmen. Meine Email Adresse haben Sie ja nun.
        Ich stehe diesem Phänomen seit vielen Jahren sehr verwirrt gegenüber, da mein Bekanntenkreis altert und dieser Schwenk sich zunehmend zeigt.
        Ich würde das gerne verstehen.

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      • Pälzer Buh sagt

        Meine Antwort zum Thema Kirchenseelsorge: Zum ersten Mal mit der Kirchenseelsorge bin ich in Kontakt gekommen als unser unser (damals 6 und 3 Jahre alt) 3. ungeborener Sohn(?) im Mutterleib verstarb. Zur Entbindung sind wir in ein mit ev. Trägerschaft Krankenhaus gefahren. Ich persönlich kann mit christlicher Seelsorge nichts anfangen, wir haben die Person auch nicht bestellt. Sie ging später in eine freie Psychologie, was ihr wirklich gut getan hat. Wenig später wurde meine Freundin wieder schwanger, jetzt habe ich 3 Söhne, und nein, keiner Söhne soll das Weingut weiterführen.
        Was soll ich sagen, das Leben ist kein Ponyhof.
        Wir sind bis heute nicht verheiratet, alle Jungs sind ev. Getauft, meine Freundin kath.

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      • Jürgen Donhauser sagt

        Stimmt, leitet sich vom gleichen Wortursprung ab. Diakon bedeutet Diener. In katholischen Kirche ist es eines von drei möglichen Weiheämter und für mich als verheirateter Mann Endstation. Die Entstehung kann man in der Bibel in der Apostelgeschichte nachlesen.

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