Zunächst in eigener Sache: Ich bin von Mittwoch bis Samstag in Oberösterreich unterwegs, halte einen Vortrag und treffe mich mit Personen rund um die Landwirtschaft. Es kann daher vorkommen und ist wahrscheinlich, dass ich über Tag nicht dazu komme, Kommentare freizuschalten. An der Verfügbarkeit des Netzes kann es nicht liegen, denn das ist in Österreich besser als in Deutschland… 🙂
Ich hatte vor ein paar Monaten Prof. Kunz von der Uni Düsseldorf bei uns zu Besuch auf dem Hof. Wir haben uns über Artenschutz in und mit der Landwirtschaft unterhalten. Nachfolgend ein Vortrag von ihm, der allen zu denken geben sollte.
Es kann sein, dass das Hochladen etwas Zeit erfordert. Es lohnt sich aber wirklich, weil es ganz neue Aspekte eröffnet.
Wer das Video von unserem Gespräch sehen will, findet es hier:
In einem muss man Prof. Kunz recht geben. Die Bevölkerung mag keine ungeordnete freie Landschaft.
Zum widerholten Mal gab es hier Leserbriefe, weil Hecken auf den Stock gesetzt wurden und Wegränder von den Gemeinden nach ihrer Ansicht nicht richtig bearbeitet wurden.
Im letzten Fall hätte man genau hier die Ideen von Prof. ohne großen Aufwand umsetzten können. Licht, Luft usw.
Jeder Strauch und jeder Grashalm wird bis zum Letzten verteidigt.
Wir können die Veränderungen im Großen nicht aufhalten. Aber warum sollte man diese kleinen Möglichkeiten nicht nutzen?
Ganz ehrlich, man kann das mit den Insekten bald nicht mehr hören. Stallfliegen hätte ich übrigens reichlich abzugeben, falls die irgendwo fehlen.
Ein bissle Spaß tut den Leuten auch gut. Deshalb einen Witz für Mathematiker:
https://www.youtube.com/shorts/7JZIQN4AqDg
Insekten benötigen ganz bestimmte Heimat Pflanzen.
Während es um die 10 oder gar 100 tausende
oder noch mehr Insektenarten geht,
zählen die Pflanzenarten im wesentlich in den Hundertern.
Jetzt wäre es für eine Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe
sicher kein Problem die fehlenden Pflanzenarten anzubauen.
Es wüsste dafür nur ein Job geschaffen werden,
und die Vielfalt kehrt organisiert zurück.
Wahrscheinlich wäre es völlig ausreichend,
das auf 1% der Fläche anzulegen.
Man könnte auch etwas Photovoltaik dazustellen,
das ergäbe noch mehr Nutzen.
Wenn man das in einer langgezogenen Form über die Landschaft zieht,
wären ruckzuck Biotope und Stromkabel vernetzt.
Es muss allerdings noch ein Punkt gesehen werden.
In meiner Umgebung (Weinbaugegend) gab es früher viele
Blutströpfchen (hübsche Schmetterlingsart).
Die sind leider weitgehend weg.
Jetzt hat sich aber die Landschaft hier gar nicht verändert.
Es wird seit Generationen im wesentlichen das Gleiche gemacht.
Ob das in ein paar Jahren noch so ist,
muss sich zeigen, denn derzeit bricht der Weinbau
aufgrund idiotischer Gesetzgebung
wirtschaftlich zusammen.
Aber jedenfalls bis heute hat sich nicht viel verändert.
Auch die Böschungen werden nicht anders als früher behandelt.
Allenfalls die wilden Müllkippen,
die eine Generation zuvor noch gefüllt
und gelegentlich angezündet wurden,
könnten da einen Unterschied machen.
Sowas gibt natürlich heute nicht mehr.
Vielleicht fehlt der Natur das Feuer.
Ok, wegen der Windkraftanlagen wurden allein in meinem Dorf
zig Kilometer ehemaliger Grasweg tot geschottert.
Anders als im Autobahnbau braucht man dafür
wohl keine Umweltverträglichkeitsprüfung.
Windkraft gilt ja sowieso schon als Umweltschutz.
Das könnte natürlich auch einen Unterschied machen.
Insektizide wurden früher in den Weinbergen gespritzt,
als es viele dieser Schmetterlinge gab.
Inzwischen ist das nicht mehr üblich,
weil es eine biologisch anerkannte Methode,
(Pheromon Verwirrung) gibt, die sicher keine
anderen Tiere als die Schaderreger treffen kann.
In den Weinbergen braucht man heute gar keine Insektizide mehr.
Und dennoch sind die Schmetterlinge eben genau jetzt weg.
Ich könnte mir vorstellen,
dass eingewanderte Insektenkrankheiten eine wichtige Rolle spielen.
Jeder touristische Koffer und jeder Container,
insbesondere vielleicht unbehandelte Bioware,
dürfte permanent neue und vermutlich viele
mikroskopisch kleine Insekten aus den Tropen mitbringen.
Und die sollten dann auch ihren jeweils neuesten
Insekten Schnupfen dabeihaben.
Vielleicht sind unsere Insekten dramatisch krank,
und brauchen Zeit,
bis sie Resistenzen entwickeln.
…oder sie sind vielleicht ganz einfach fortgezogen infolge der höheren Temperaturen? Oder sie befanden sich in einer Sackgasse der Evolution? So, wie schon so viele vor ihnen. Oder das viele nächtliche Licht haben sie nicht vertragen, oder ihr einstiges Habitat wurde zugebaut.
Wie einfach ist es da, angesichts der vielen Unbekannten, mit dem Finger auf die Landwirtschaft zu zeigen und dort den Sündenbock zu identifizieren.
Eingewanderte Krankheiten spielen m.E. eine große Rolle. Was da einwandert nehmen wir ja nur sehr selektiv war. Krankheiten, Insekten und Pflanzen, die aus fernen Ländern kommen, bringen erstmal meist nicht ihre Gegenspieler mit. Deshalb können sie sich bei uns erstmal explosiv ausbreiten … das ist die große Gefahr. Blind Passagiere der Handels- und Reisebewegungen machen allerorten Schaden. Sichtbare Beispiele sind die Rosskastanienmotte, die Walnussfliege, die Kirschessigfliege, die Sanddornfliege, der asiatische Bockkäfer, der Japankäfer, die Mittelmeerfliege, der Maiszünsler, der Baumwollkapselwurm usw. usw. usw..
In ihren Herkunftsländern sind die oft beherrschbar (weil eine „Gegenspielermannschaft „etabliert ist). Irgendwann baut sich auch bei uns ein Gleichgewicht auf. Das dauert aber eine Weile und gefährdet in hohem Maße die Pflanzen von denen wir leben.
Das gilt natürlich genauso für das unsichtbare Mikrobiom.
Walnüsse, Sanddorn lassen sich ohne wirksame synthetische Insektizide quasi nicht mehr anbauen … und das sind Nischenkulturen.
Kurz und schlecht: ich denke auch, dass eingewanderte Krankheiten unsere Fauna mindestens so stark und sehr viel schneller verändern wie es landwirtschaftliche Tätigkeit über Jahrtausende getan hat.
Hallo, ich denke ganz kurz, dass das ökologische Netz mit allen Verflechtungen so komplex ist und die Auswirkungen von Schädigungen plötzlich zum Tragen kommen ohne dass mehr große Veränderungen eintreten oder sogar Verbesserungen sichtbar sind. Vgl. Wölfe im Yellowstone. In der Fläche das zu revitalisieren dürfte schwierig sein oder aber in einem längeren Zeitraum zu beobachten sein. Dafür muss aber großflächig Natur restauriert werden und sich selbst überlassen sein. Hugh😉
Polymesos hat geschrieben:
Inzwischen ist das nicht mehr üblich,
weil es eine biologisch anerkannte Methode,
(Pheromon Verwirrung) gibt, die sicher keine
anderen Tiere als die Schaderreger treffen kann.
Ich sag mal: „Wer weiß, wer weiß!“ Ich habe was in Erinnerung, dass, wenn eingesetzte Nützlinge mit ihrer Zielgruppe fertig sind, sie dann woanders weiter fressen.
Es gibt viele Faktoren: Die Temperaturen sind höher, die Winter fallen aus, der Reifenabrieb kumuliert, Trockenheit, Auspuffe und Schlote und ihre „Ausscheidungen“ wurden mehr, der OBI verkauft Insektenvernichter, es wird gemulcht statt gemäht, maschinelle Weinlese, ….
Ich denke man sollte sich die großflächigen Subventionen für den Ökolandbau sparen und statt dessen direkt insektenfördernde Massnahmen sponsern: Mähen mit Messerbalken z.B. oder neue Mähtechnik entwickeln, Mulchverbot, gezielte Stillegungen, Mähtermine, insektenfördernde Kulturpflanzen,…
Also für den Traubenwickler müssen extra
zwei verschiedene Duftstoffe
in Dispensern aufgehängt werden.
2 Duftstoffe für 2 Subtypen des Traubenwicklers.
Es ist also ausgeschlossen,
dass das anderen Insekten schaden könnte.
Wahrscheinlich hilft es den Insekten am meisten,
wenn unter den Rebzeilen Herbizid Streifen
gespritzt werden.
Gerade die Freistellung von Erdboden
und das absterbende Kraut
scheinen ja biodiversitätsfördernd zu sein.
Den Insekten geht es wohl am besten,
wenn die überall verbreitete Quecke
etwas zurückgedrängt wird.
Darum ja auch die Einsätze von
Umweltschutzpanzern in manchen Naturschutzgebieten.
Am besten vermutlich sind chemische Methoden.
Alle mechanischen Verfahren
dürften eher Insekten schädlich sein.
Ich meine, das will ja heute niemand hören,
aber überall dort wo die Grasnarbe mit Glyphosat
abgespritzt wird, findet man ein Jahr später
die wirklich diverse Flora.
Mich würde sehr interessieren, was gegen Mulchen einzuwenden ist?
Bei unserem Zweipunkt-Marienkäfer ist es erwiesen, dass er wegen Parasiten des Asiatischen Marienkäfers ausstirbt. Dagegen kann man nichts tun. Sicher geht es anderen Insekten ebenso.
Sehr wohltuend ist, dass Kunz nicht in das populistisch, alarmistischen Apokalypsengeheul verfällt wie viele seiner karriere-gailen Kollegen. Seine Aussagen bezüglich der LW sind in Ordnung. Trotzdem würde ich dem Herrn Professor gerne folgende Fragen stellen.
1. Wieviel Artensterben gibt es wirklich?
2. Wird Artensterben nicht häufig mit Artenverdrängung oder Arten“wanderung“ verwechselt? (So wie Arten bei uns einwandern können ja auch welche ausswandern wenn sich beispielsweise Standortbedingungen verändern oder global verschieben)
3. Wieviel Artenvielfalt brauchen wir wirklich? (muss es immer maximale Artenvielfalt sein?)
4. Auch seine Vorstellung von Artenschutz ist nichts anderes als menschliche Naturmodellierung. Wann ist die Natur richtig modelliert und wer entscheidet dies?
„Wann ist die Natur richtig modelliert und wer entscheidet dies?“
DAS ist die Kernfrage…jeden Tag diskutiert man wieder mit Experten und Verwaltungsmenschen über das „Richtige“ Modell, den „Richtigen“ Weg, die „Richtige“ Maßnahme.
Wenn ganz Deutschland ein Eichen-/Buchen-Mischwald wäre, wäre dann die Artenvielfalt besser/höher?
Sofern anerkannt wird, dass sie schon längst dort, wo der Mensch lebt, modelliert ist und jeder weitere Eingriff zurück zur Natur – nur ein weiteres Modell ist.
Ich frage mich auch, ob Artenvielfalt ein Wert an sich ist. Artenvielfalt scheint ja ein Gegensatz zu Naturschutz zu sein. Wenn wir ganz Deutschland unter Naturschutz stellten, hätten wir nach Prof. Kunz vor allem dichte Eichen-/Buchenwälder mit sehr wenigen weiteren Pflanzen-/Tierarten. Dann hätten wir aber auch viel Biomasse, in der Kohlenstoff gebunden wäre. Also ist der Wert von Artenvielfalt auch gegen den Wert von Kohlenstoffbindung abzuwägen.
Es muss wunderbar sein, einmal im Leben einem Grünen Schnurzzünsling zu begegnen! Früher wurden die ja noch mit Schmetterlingsnetzen und im Tropenhelm wild herumlaufend handgefangen und zuhause mit Stecknadeln auf Karton angepinnt. Sagen die Legenden. Vielleicht ist der Schnurzzünsling ja auch deswegen fast ausgestorben und inzwischen unbekannt geworden.
– Und jetzt die Frage vor’m Edeka: Sie sind doch auch für die Artenvielfalt, oder? Gut, und wie viel müsste man geben? Als Lastschrift bitte, Bargeld dürfen wir hier nicht annehmen.
„die Frage vorm Edeka…“
Rewe hat die Antwort. Diese Woche gibt es beim Kauf von Twixx oder anderen Süssigkeiten und beim vom Preis sponsort der Hersteller Mars den Nabu den Nabu mit 5ct pro Riegel. Liebe Eltern das solltet ihr nutzen um Euren Kindern auf Schulweg etwas gutes zu tun.
Tja, Nahrungserzeugung im Naturschutzgebiet ist genauso unmöglich, wie Artenschutz in einer antromorph überformten Landschaft.
Ein Beispiel aus dem Bilderreigen ist der Wegesrand. Straßen- und Wegeränder müssen aus Verkehrssicherungsgründen niedrig gehalten werden. Wiederholtes mähen und Mulchen führt zur Anreicherung von Stickstoff….dann ist die Wüchsigkeit eben hoch. Man könnte die Mad auch in einer Biogasanlage verarbeiten….dann magere ich den Rand aus und gewinne gleichzeitig Energie und Dünger…..wer will das bezahlen?
Wenn ich sehe, mit welchem Werkzeug und zu welchem Zeitpunkt das Strassenbegleitgrün atomisiert wird….
Hier ist viel Aufklärung nötig. Aber ob es hilft?
Straßenbegleitgrün …, aha!
Kennen Sie eine andere Bezeichnung? Oder warum das „aha“?
Etwas OT, aber dennoch Themenbezogen. Straßenkehricht fällt täglich in riesigen Mengen an, vorwiegend in den urbanen Räumen. Dieser ist vermischt mit allem möglichen Müll. Der Großteil ist aber organisch. Nun wird dieser Kehrricht von den kommunalen Kräften zusammengefegt, an einem Sammelplatz gelagert und von Spediteuren mit Großvolumigen Working-Floor-LKW in die z.T. hunderte km entfernte Aufbereitung gefahren. Für die Aufbereitung wird das Gut gesiebt und gelagert, teilweise zur Rotte gebracht. Der Lagerplatz muss gem. Abfallrecht und Immissionsschutzrech, dem Wasserrecht und dem Baurecht genehmigt und dementsprechend ausgeführt werden. Irgendwann kommt ein LKW mit Working-Floor und holt den bearbeiteten Rott wieder ab und verteilt ihn an Kunden, die dieses Zeug abnehmen.
Hier geht es lediglich um den Kehrricht der Straßen……ein Wohlstandsmüll unter tausenden. (p.s. die unteren Wasserbehörden wissen oft nicht, wie sie diesen Abfall wasserechtlich einordnen sollen, haben Angst, dass bei der Lagerung evtl. Regenwasser zur Ausspülung von Schadstoffen führen könnte und fordern deshalb eine überdachte Lagerung.) Grins!
…“ein LKW mit Working-Floor“…
Klugscheiß: walking-floor
Die Bezeichnung hat was vom grünen Neusprech. Normal würde man doch bestenfalls Strassengraben oder grüner Randstreifen sagen, oder…?
Man kann das ruhig mal diesen
Neusprech
für Straßenrandstreifen benutzen, damit den Leuten mehr Umweltbewusstsein in den Kopf kommt, denn der ist ökologisch genau so wichtig wie der Ackerrandstreifen.
Je mehr Menschen, umso mehr wird logischerweise der übrigen „Natur“ entnommen.
Man kann sich in alle Richtungen echauffieren, es wird auf eine Reduzierung der Biodiversität und der Arten hinauslaufen. Wer das negieren möchte, oder durch Schuldzuweisungen verbessern möchte, der wird schlussendlich doch scheitern.
Es geht vielleicht um eine Abmilderung, aber man wird die Reduzierung nicht verhindern. …es sei denn der Mensch eleminiert sich selbst.
Reboundeffekte und Enthalpiegesetz führen in allen Richtungen immer wieder zur gleichen Erkenntnis….so lange der Mensch Einfluss nimmt, nimmt die Versiegelung zu, nimmt der Müll zu, wird mehr Energie benötigt, wird mehr Nahrung benötigt, werden Arten reduziert und Biosphären zerstört. Sorry, iss so.