Bauer Willi
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Wo Milchbauern nicht über den Milchpreis reden

Auf der Heimfahrt aus dem Urlaub habe ich bei Alois im Oberallgäu einen kurzen Stopp gemacht. Wir haben in Gunzesried (in der Nähe von Oberstdorf) übernachtet. Als wir erfahren haben, dass die Bauern hier noch eine kleine Sennereigenossenschaft haben, sind wir neugierig hingefahren.

12 Milchbauern produzieren rund 1,5 Mio Liter Milch, erfahren wir. Und dass sie erst letztes Jahr die komplette Produktionsanlage erneuert hätten. Mit großen Schaufenstern durch die man von der Straße aus den Sennern bei der Arbeit zuschauen kann. Was wir auch gemacht haben. Alles top, hygienisch einwandfrei und transparent. Gerade so, wie sich das der Kunde wünscht.

Wie machen die das? 1,5 Mio Liter Milch –  davon können bei uns am Niederrhein nicht einmal zwei Milchbauern vernünftig leben. Da muss der Käse doch sauteuer sein. Also gehen wir in den Laden und kaufen ein. Bergkäse, Kräuterkäse usw., und nicht mal teuer. Auf meine Frage zum Milchpreis der Bauern weicht die freundliche Verkäuferin mit einem Schmunzeln in den Mundwinkeln geschickt aus. Die Botschaft ist klar: Man redet hier nicht über den Milchpreis – hier macht man sich den Milchpreis einfach selbst. Durch die Veredlung des Rohstoffes und der eigenen Vermarktung, vorbei am Lebensmitteleinzelhandel. Nennt man auch vertikale Integration…(Klugscheißer-Kommentar). Diesen Bauern kann der Weltmarkt ziemlich egal sein, sie nutzen den Vorteil der Regionalität und die Zahlungsbereitschaft der Urlauber. Wieder ein Beispiel für unternehmerischen Mut und Kreativität.

Euer Bauer Willi

 

http://www.gunzesrieder-bergkaese.de/

 

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19 Kommentare

  1. Sabine sagt

    Es gib mehrere Systeme zum Direktvertieb. Einmal die Abo-Tüte, wo man von Hof X für einen festen Preis Gemüse bekommt und meist noch Molkerei und Fleisch extra bestellen kann.
    Das ist sehr aufwendig für den Landwirt, weil er sich einen Anbauplan zurecht legen muss, damit jede Woche was anderes in die Tüte kommt und er muss einen Lieferdienst organisieren und u.U. Produkte zu kaufen. Oft zu viel Arbeit. …. und der Kunde muss sein Abo für die Zeit X durchhalten.
    Farm Clubs zahlen meist ein Jahr im Voraus für bestimmte Lebensmittel dem Landwirt vorab einen Festpreis und nehmen zum Zeitpunkt X die Lebensmittel ab.
    Ähnlich wie bei der Rindergilde kann man oft die Kosten als Kunde im Rahmen halten, wenn man kleinere Arbeiten selber erledigt. Alles sehr verbindlich und langfristig.
    Food Clubs sind feste Einkaufsgemeinschaften, wo die Organisation ganz auf der Seite der Club-Mitglieder liegt. Meist auch mit langfristigen Liefer- und Abnahmeverträgen.
    Das ist vielen Leuten zu viel Verbindlichkeit. Eine Food-Assambly ist so ziemlich der Mittelweg.
    Es finden sich im Internet Leute zusammen, die gemeinsam schauen, welche Höfe oder Lebensmittelhandwerker welche Produkte anbieten. Die werden angeguckt, und wenn sie von der Produktionsart und Qualität gefallen, werden sie eingeladen ihre Produkte auf einer Internetseite anzubieten. Dort können die Clubmitglieder bestellen. Einmal in der Woche liefern alle Produzenten die vorbestellte Ware zu einem Host, einem Gastgeber, der die Räumlichkeiten hat. Dann können die Clubmitglieder ihre Bestellungen abholen. Im Idealfall wird es ein kleiner Bauernmarkt, wo man dann auch als Landwirt oder Handwerker neue Produkte vorstellen kann oder mit den Assembly-Leuten entwickelt.
    Gemüse läuft immer noch am Besten, aber es gibt auch Landwirte, die so einen Schlachter und Metzger gefunden haben, der ihre Tiere schlachtet und zerlegt und an eine regionale Assambly verkauft.
    Das wichtigste an solchen Portalen ist vllt. für den Landwirt, dass er hier ohne zu großen Aufwand Leute kennen lernen kann, die sich grundsätzlich für ihr Essen interessieren.
    Sicher muss man da auch oft Überzeugungsarbeit leisten, aber man hat schon mal nicht den Hansel vom REWE da hocken, dem es nur ums Preisdrücken geht.

    https://thefoodassembly.com/de
    https://www.facebook.com/FoodAssemblyKoeln/

    • Alois Wohlfahrt sagt

      Hey Sabine, Super Beschreibung: Danke 🙂
      Du könntest glatt als Landwirtschaftsberaterin anfangen… wenn’s nach mir ginge. 😉
      Das Thema FoodAssembly ist interessant. Lass uns doch mal einen Artikel daraus machen.
      Alois

  2. Friedrich sagt

    Solange wir jede Milchproduktnachfrage ständig erfüllen , werden die Preise so bleiben, wie sie sind . Immer nur grenzwertig. Die Verarbeiter zahlen jeden Preis bei Mangel. Wenn die
    Milchbauern mal drei Tage die Milch in die Gülle kippen würden und der Milchwagen vor leeren Milchtanks stehen würde, nur das hilft. Mehr muß nicht immer besser sein , sondern
    besser sein. Siehe oben. Käse ist aus !

  3. Martin Grube sagt

    Im Norden wären die 1,5 Millionen kg fast ein Betrieb. Die Herdengrösse im Kreis Stade liegt im Durchschnitt bei 150 Kühen. Aber meine Hochachtung vor den Allgäuern Milchbauer am Berg ist gewiss nicht einfach und was für Idealisten.
    Hier mal die norddeutsche Alternative von glücklichen Schwarzbunten…

    Ein Betrieb ganze Familie dabei. Bei Facebook nach RZB Derboven suchen oder unter http://www.buenkemühle.de

    Das geht auch konventionell und ohne Berge…. 🙂

  4. Gast sagt

    Damit Willi und Alois die ganze Vielfalt mal kennenlernen, gilt meine Einladung zum Biobier auf der Demeter Alpe Sonnhalde bei Oberstaufen!

    Oder anders gesagt: es sind nicht nur die Gunzesrieder, das halbe Allgäu konnte und kann, bzw. könnte gut leben von Weide-Heumilch und regionalem Käse.

    Und das gilt für andere Grünlandregionen wie Oberbayern und den Schwarzwald genauso.

    • Bauer Willi sagt

      Das ist doch mal ein konstruktiver Vorschlag. Jetzt müssen wir nur noch einen Termin machen.
      Bauer Willi

    • Inga sagt

      Von Käse hast du halt Ahnung!

      Ich kann ihn nur kaufen, aber sonst nix in der Beziehung!

  5. Sabine sagt

    “Bitte beachten Sie, dass wegen der starken Nachfrage einige Käsesorten zur Zeit ausverkauft sind.”
    Das ist ein Satz, der mich freut und lese ich öfters bei Direktvermarktern. Es gibt also Verbraucher, die auch mal das kaufen, was sie in Umfragen sagen.

    • Gephard sagt

      Das liest man auch anderswo. Ich finde es wichtig, dass der Verbraucher auch am eigenen Leibe spürt, dass die wenigsten Lebensmittel scheinbar endlos und jederzeit verfügbar sind.

      Und wer in seiner Region nicht fündig wird, kann ja oft auch auf Online-Angebote zurückgreifen. Das ist dann zwar nicht regional und ob die Ökobilanz durch Verpackung und Transport gut dasteht, ist fraglich, doch dennoch stärkt man dadurch langfristig die Betriebe, die sich nicht vom Großhandel abhängig machen.

      • Sabine sagt

        Es wird in vielen Fällen auch mit Transport noch umweltfreundlicher sein. Die Sachen im Supermarkt sind ja meist zwei Mal kreuz und quer durch die Gegend gefahren worden.

        Ach, übrigens, wo wir gerade bei Regio sind, einige Food Assemblies suchen noch Partner-Betriebe und Käufer.
        Vielleicht hat ja der ein oder andere hier mal Lust ein Experiment mitzumachen.

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