Bauer Willi
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Wo ist das neue Weltbild?

Ein Kommentar von Elisabeth aus Österreich, den man unbedingt mehrfach lesen muss und den ich ohne jegliche Änderung übernommen habe. Nicht, wegen der “guten alten Zeit”, sondern weil er beschreibt, wann wir alle “falsch abgebogen sind”. Und warum es ein neues Weltbild braucht.

Vor 1989 war das Essen noch viel teurer als jetzt. Kleine Bauernhöfe wie der unsrige konnten noch einen kleinen Gewinn machen, wenn auch nur nebenbei.
Mit dem Verkaufserlös von zwei Schlachtstieren konnte sich ein Bauer damals einen kleinen Traktor kaufen.

Trotzdem konnten sich auch die Geringverdiener das Essen ohne weiteres leisten, auch Fleisch, das damals noch besonders teuer war. Das Geld war ziemlich fair verteilt, somit auch der Wohlstand. Die Biolandwirtschaft weitete sich aus. Der Umweltschutz machte große Fortschritte. Die Flüsse wurden wieder sauber, ebenso war die Industrie verpflichtet, Luft-Filter zu nutzen. Die Autos erhielten Katalysatoren. Als dann auch noch der Kommunismus zusammenbrach und die Abrüstung begann, war unser Leben wie das Paradies auf Erden.

Kürzlich brachte die “Zeit” ein Interview mit Alexander Kluge. Darin erinnert der Autor und Filmemacher daran, wie es zum Westfälischen Frieden kam: Man suchte in der Vergangenheit das “Normaljahr”, in dem alle zufrieden gewesen waren, fand es 1624 und kehrte dorthin zurück. https://www.zeit.de/kultur/literatur/2022-03/alexander-kluge-krieg-ukraine-europa-frieden Unser Normaljahr war 1989.

“Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er aufs Eis”, so kommentiert es mein Nachbar. Damals wurde der Westen übermütig. Der Kapitalismus, gegen den Karl Marx aus gutem Grund angekämpft hatte, aber dessen Gegenkonzept, der Kommunismus, gescheitert war, der sollte angeblich wieder die Lösung aller Probleme sein.
Inzwischen nennt Putin, selber Oberkapitalist mit seinen Oligarchen, Gorbatschow einen Schwächling.

Nein, Gorbatschow ist eine der größten Lichtgestalten des 20. Jahrhunderts.
Wir hätten auf seine Kritik an uns hören müssen, wie sie in Wikipedia aufgeführt ist: https://de.wikipedia.org/wiki/Michail_Sergejewitsch_Gorbatschow#Gorbatschows_R%C3%BCckblick

Wir haben die Chance nicht ergriffen, die Gorbatschow für uns gewesen wäre.
Und deshalb verarmen jetzt weite Bevölkerungsschichten endgültig so sehr, dass sie sich nicht einmal mehr das Essen und das Heizen leisten können. Es wird wieder so, wie es zu Zeiten des Karl Marx war.

Wo ist jetzt das viele Geld, das seinerzeit so weitgehend fair verteilt gewesen war?
Es ist bei jenen, die durch Finanzspekulation unermesslich reich werden, es ist bei deren Beratern und Helfershelfern.

Es wird außerdem verdient mit einer aufgeblähten Verwaltung. Das Profitstreben als höchster Wert führte zu unmoralischem Handeln und zur Notwendigkeit, immer mehr Selbstverständlichkeiten gesetzlich zu regeln. Die Gesetzestexte nahmen an Umfang und Komplexität dermaßen zu, dass man sie ohne Experten gar nicht mehr versteht. Für ihre Umsetzung braucht es unzählige Berater und Büroarbeiter, die bezahlt werden müssen. Mit all dem wird aber nichts produziert.

Es steigerte sich die Notwendigkeit, sich in diesem brutalen Wettbewerb mit einer Werbung hervorzutun, die psychologisch immer ausgeklügelter und anspruchsvoller wurde, und der sich viele nun auch wider besseres Wissen nicht mehr entziehen können, zum Beispiel beim Kauf immer der billigsten Lebensmittel. Auch diese Werbe-Experten verschlingen viel Geld, produzieren aber nichts.
Die globalisierte Wirtschaft mit ihren ausgeklügelten Lieferketten machte die Logistik und den Transport zu einem eigenen großen Wirtschaftzweig, der ebenfalls nichts produziert, aber viel fossile Energie vernichtet.

All das wurde wichtiger als die tatsächliche Qualität der Produkte, die der geplanten Obsoleszenz unterliegen, weil sie im brutalen Konkurrenzkampf immer billiger werden und gleichzeitig maximalen Profit abwerfen mussten. Wir haben mit diesen kurzlebigen Produkten ein Vielfaches dessen produziert, was wir verwenden würden, wenn alles haltbarer wäre. Das hat gigantische Ressourcen der Erde verschwendet und zu Abfall gemacht.
Dazu kam die Computerbranche, die dazu beigetragen hat, uns von der Real World zu entfernen.

Allgemeiner Wohlstand kommt aber von den konkreten Produkten und Leistungen, die man für Geld kaufen kann, nicht von den Tools, die für deren Bereitstellung gebraucht werden. Er kommt nicht von den vielen neuen (Bullshit-) Berufen, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, nur um damit Geld zu machen. Und auf diesem ausgebeuteten Planeten mangelt es jetzt an den Rohstoffen für das, was wir wirklich zum Leben brauchen. Das ist der Grund für die Inflation.
Verdienen kann man auch in der Landwirtschaft viel zu wenig, daher fehlen wiederum Erntehelfer, und der Schnittlauch wird teilweise auf den Feldern verderben – sehr bitter in Zeiten des drohenden Lebensmittelmangels.

Der Neoliberalismus scheitert soeben, so wie der Kommunismus einst gescheitert ist.
Beide sind an ihrer Geistlosigkeit, am blanken Materialismus zugrunde gegangen.
Die globalisierte Wirtschaft gilt als Geschichte, gleichzeitig wird aber bewusst, dass es in unserer modernen Welt dennoch keine vollkommene Autarkie einzelner Länder oder Staatengemeinschaften mehr geben kann.

Es fehlt an einem neuen Weltbild, wie ein gedeihliches Zusammenwachsen zur Menschheitsfamilie aussehen könnte.

Elisabeth Ertl lebt in Österreich, hat Geographie studiert und dort auch promoviert. Der Artikel gibt die Meinung der Autorin wieder.

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77 Kommentare

  1. Piet van Veghel sagt

    Bauer Willi: Ich habe gerade die fast zweistündige historische Reflexion über die jahrhundertealte Beziehung zwischen der Ukraine und Russland gesehen. Was sich in Europa durch Gorbatschow geändert hat: wie Deutschland sich wieder vereinigen durfte, mit dem Versprechen, dass es keine Erweiterung der NATO geben würde und dass Russland in den Schwung der Nationen einbezogen würde.

    Wie Boris Jelzin vor seiner Wiederwahl Oligarchen wie Abramovich erlaubte, Russland auszuplündern, was man als den größten Raubzug aller Zeiten bezeichnen kann. Wie Russland unter der junge Putin langsam wieder zu einem geordneten Staat wurde, der nichts weiter wollte, als sich zu modernisieren und Teil des Westens zu werden.

    Über das gebrochene NATO-Versprechen an Gorbatschow, keinen Zentimeter nach Osten vorzurücken. In den 1990er Jahren bat Putin den Westen, Kaliningrad nicht zu vergessen, wo 27 Millionen Russen ihr Leben verloren. Wie das Versprechen an Gorbatschow in den letzten 30 Jahren immer wieder gebrochen wurde und zahlreiche Berlusconis in der Ukraine auftauchten. Wie Soros ein vertrautes Gesicht in der Ukraine wurde und häufig von amerikanischen Politikern wie Unterminister Joe Biden, Victoria Nuland und Brennan besucht wurde, die in 2014 offen erklärten, dass sie einen Regimewechsel wollten, “Fuck the EU” war oft zu hören. Amerikanische Generäle wie Minnsley und Breedlove erklärten, sie seien “bereit für einen Dritten Weltkrieg”. Es wurde von Marie Theres ter Haar erzählt, die sowohl in Russland als auch in der Ukraine lebt und arbeitet. Heute habe ich auch die ukrainische Flagge gehisst und spende für die Opfer dieses bösen Krieges, der von der NATO provoziert wurde!

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    • Mark sagt

      Ob es dieses Versprechen an Gorbatschow je gegeben hat, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Fakt ist jedoch, dass sich die NATO seit ihrer Gründung um 1000 km nach Osten bis an die Grenze Russland ausgedehnt hat. Wer am Ende des Tages wieviel Schuld am Krieg hat ist letztlich zweitrangig. Viel tragischer ist m.E., dass derzeit keine der beteiligten Parteien (und da schließe ich die NATO ausdrücklich mit ein) kein echtes Interesse an Waffenstillstands- oder gar Friedensverhandlungen hat. Im Westen glaubt man allen Ernstes (allen voran die Grünen!), man könne Putin mit Waffengewalt loswerden, man setzt voll auf ein Ende der Ära Putin und verbaut sich daher bewusst jegilche Verhandlungsmöglichkeit. Die Irren tun so, als sei Pution eine Art Osama Bin Laden, den man mal eben beseitigt (welch ein Wahnsinn). Je mehr Waffen geliefert werden, desto länger und schrecklicher der Krieg, desto schlimmer die Greueltaten, desto mehr leidet das gemeine ukrainische Volk und desto wahrscheinlicher ein dritter Weltkrieg. Einer der wenigen, die dies realisieren, scheint BK Olaf Scholz zu sein. Das er dafür von der vorallem auch von der grünen Kriegtreiberfraktion angegriffen wird, spricht Bände.

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      • Mark sagt

        Ganz aktuell:
        Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat sich für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ausgesprochen. «Die Ukraine braucht weiteres militärisches Material – vor allen Dingen auch schwere Waffen», sagte die Grünen-Politikerin am Rande eines EU-Außenministertreffens in Luxemburg. Die furchtbaren Bilder und der furchtbare Schrecken machten mehr als deutlich, dass die von Russland angegriffene Ukraine zusätzliche militärische Unterstützung brauche, um sich wehren zu können. «Jetzt ist keine Zeit für Ausreden, sondern jetzt ist Zeit für Kreativität und Pragmatismus», betonte Baerbock.

        Welche für schwere Waffen aus Deutschland an die Ukraine geliefert werden könnten, sagte die Grünen-Politikerin nicht. Sie verwies lediglich darauf, dass über die sogenannte Europäische Friedensfazilität weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und andere militärische Ausrüstung bereitgestellt werden sollen. Die Friedensfazilität ist ein neues Finanzierungsinstrument der EU, das auch genutzt werden kann, um die Fähigkeiten von Streitkräften in Partnerländern zu stärken.

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        • Mark sagt

          Grüne Kriegstreiberei und dem Deckmäntelchen Friedensfaszilität zu verstecken ist schon sehr kreativ….

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        • Christoph aus der Stadt sagt

          Ich finde es unerträglich, wenn irgendwelche Klugsche… die Ukrainer belehren wollen, dass ein Lieferstop von Waffen das Beste für sie ist, einen völkerrechtswidrigen Eroberungskrieg und mittlerweile auch Vernichtungsfeldzug gegen Annektionsgegner abzuwenden.

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          • Stadtmensch sagt

            Für mich als Steuerzahler wäre es jedenfalls das Beste. Kein Blutvergießen, keine zerstörte Ukraine, kein Flüchtlingselend, jedes Jahr zig Milliarden mehr für wirklich nötige Investitionen, Mehl und Pflanzenöl, große Auswahl an Naturdämmstoffen…

            Statt dessen muss ich Switchbaldes und F35 bezahlen und wenns um Menschenrechte geht eine NGO sponsern, weil unsere Politiker immer nur russische Dissidenten retten wollen (keine Ahnung warum – Angst vor unserer “Schutzmacht” könnte das bedeuten)
            https://www.youtube.com/watch?v=qtMDubgHcYw

          • Elisabeth Ertl sagt

            So lange die Ukrainer Waffen brauchen, kann man sie ihnen ja liefern. Die Waffenindustrie hat sicher nichts dagegen.
            Aber gerade gestern hat der ehemalige ukrainische Botschafter darauf hingewiesen, dass ein vollständiges Öl- und Gasembargo selbst in einem Land wie Österreich weit weniger Leid verursachen würde als die Ukrainer jetzt erdulden. Denen wäre es auch lieber, Putin würde zu kämpfen aufhören, als selber im Kampf zu sterben.
            Wir wissen, dass wir unseren Energieverbrauch drastisch senken müssen, wenn der Planet bewohnbar bleiben soll. Warum nehmen wir die Krise nicht zum Anlass, dieser Wahrheit ins Auge zu schauen?
            Im ehemals höchsten Getreidedorf Europas in St. Véran auf 2000 Metern Seehöhe gab es stets nur sehr wenig Holz zum Heizen. Es wurde täglich nur eines von 10 Häusern geheizt und dort kamen alle Bewohner untertags zusammen, um ihre Winterarbeiten zu verrichten und einander Geschichten zu erzählen. Abends nahm man einen heißen Stein mit nach Hause, um im Bett die Füße zu wärmen. Am nächsten Tag war ein anderes Haus dran. Nicht bequem, aber hat jahrhundertelang funktioniert. Entsprechendes ließe sich auch in einer Großstadt mit ihren vielen Singlewohnungen organisieren. Bequemer lässt sich die Klimakrise nun einmal nicht bewältigen.

          • Thomas Bröcker sagt

            Man muss sich schon klarmachen wen man da bewaffnet und dass es DIE Ukraine nicht ist, um die es geht. Es geht um Interessengruppen, mit denen der Großteil der Bevölkerung nichts gemein hat und in Friedenszeiten auch nichts zu tun haben will. Das erinnert fatal an die Anfangszeiten des deutschen Faschismus, als dem Terror der Nationalsozialisten der Rotfrontkämpferbund gegenüberstand und Bürgerkriegs-ähnliche Zustände herrschten. Auch der von der ukrainischen Regierung latent am Köcheln gehaltene Krieg zwischen diesen Rechtsextremen auf der einen und den Separatisten des überwiegen russisch besiedelten Gebietes auf der anderen Seite hat in 8 Jahren 12.000 Menschenleben gefordert. Die Stärke dieser bewaffneten Paramilitärs wurde 2018 von Beobachtern bei 15 – 20.000 beziffert. Gegenwärtig dürften es weit über 40.000 sein. Der ukrainische Staat verhält sich denen gegenüber seit Jahren ähnlich, wie der preußische Polizeiapparat in den späten Zwanzigern und frühen Dreißigern gegenüber der braunen Bande in Deutschland – nämlich auf dem rechten Auge blind.
            Wie damals die SS, werden diese Truppen vom Staat bewaffnet und bezahlt, unterstehen aber nicht der Befehlsgewalt der Armee. Die Russen werden in diesen Kreisen als Nichtmenschen bezeichnet und auch so behandelt. Die werden nie verhandeln, sondern, von uns gut mit Waffen versorgt, kämpfen “bis alles (vielleicht die Welt) in Scherben liegt”. Es muss das oberste Ziel sein, die Kämpfe sofort zu beenden und zu verhandeln, eh diese Bande (was schon passiert) zunehmend die Oberhand gewinnt. Wenn wir weiter so agieren wie bisher, wird die NATO über kurz oder lang mit hineingezogen. Deutsche Alleingänge hinsichtlich Waffenlieferungen sind das Dämlichste, was man momentan überhaupt machen kann.

            Das macht mir alles sehr viel mehr Sorgen, als alle Landwirtschaftsthemen zusammengenommen.

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            • Reinhard Seevers sagt

              Also, wenn man dem wiki-Eintrag zu Lugansk und Donezk trauen darf, dann ist ja wohl die Separatisten-Bande in beiden Gebieten eher die rechtspopulistische Seite des Problems.
              Ich glaube nicht, dass noch einer wirklich durchblickt, oder durchblicken soll.
              Zitat:
              Anhänger der Volksrepublik Donezk stehen in enger Verbindung mit der neonazistischen Partei Russische Nationale Einheit (RNE) unter der Führung von Alexander Barkaschow. Die RNE ist insbesondere mit der Miliz „Russische Orthodoxe Armee“ verknüpft und Barkaschow soll gemäß einer veröffentlichten Audioaufnahme persönlich Anweisungen an deren Kommandeur Dmitri Bojzow gegeben haben.[75]

              Gemeinsam mit anderen rechtsextremen und neonazistischen Organisationen wie der Nationalen Befreiungsbewegung und Alexander Dugins Eurasischer Jugendunion unterstützt die RNE Russland im Ukraine-Krieg und wirbt Kämpfer an.[76] Ein Mitglied der RNE, Pawel Gubarew, ist als Leiter der Mobilisierungsabteilung des Verteidigungsministeriums der sogenannten Volksrepublik Donezk in Erscheinung getreten.[83]”

            • Stadtmensch sagt

              “Das macht mir alles sehr viel mehr Sorgen, als alle Landwirtschaftsthemen zusammengenommen.”

              Mir auch. Aber vor allem macht es mich sehr traurig, dass da zigtausend Koljas und Igors verheizt werden und der deutsche Wohlstandsbürger faselt von “denn kalten Krieg verloren und dann noch Forderungen stellen”. Oder “man kann ja Waffen liefern…”

              Das treibt mir echt die Tränen in die Augen. Oh Scheiße ist da bitter…
              Diese Weicheier hier, die den Krieg wie ein Fußballspiel betrachten, was denkend die sich eigentlich

            • Elisabeth Ertl sagt

              Dass dort brutale ukrainische Nationalisten am Werk sind, das war noch 2014 großes Thema in unseren Medien, die damaligen Berichte sind aber jetzt über Google nicht mehr abrufbar.
              Man darf aber auch nicht vergessen, wie sehr die Ukrainer unter dem Stalinismus gelitten haben. Die tun alles, damit sich diese Geschichte nicht wiederholt.

          • Lady sagt

            Christoph schreibt:
            “Ich finde es unerträglich, wenn irgendwelche Klugsche… die Ukrainer belehren wollen, dass ein Lieferstop von Waffen das Beste für sie ist,”

            Das geht mir genauso. Es ist schlicht eine Unverschämheit, was da einige von sich geben. Sie verhöhnen regelrecht diejenigen,die ihr Leben und ihre Lebensgrundlagen verteidigen. Daher tue ich mir solche Kommentare schlicht nicht an.
            Gleiches gilt für die abenteuerliche Geschichtsklitterung.
            Wir haben Verwandtschaft im Baltikum. Dort ist man ziemlich entsetzt und verwundert, dass einige, einige wenige , Menschen hier für das russische imperialistische Machtstreben mehr Verständnis haben als für legitime Sicherheitsinteressen souveräner Staaten. Mein Verständnis hält sich auch arg in Grenzen.

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    • Christoph aus der Stadt sagt

      Wie in zahlreichen Berichten zu lesen ist, hat Gorbatschow persönlich in Interviews bestritten, dass es eine Verzichtserklärung der Nato gab, sich Richtung Osten zu erweitern. Im Gegenteil: Gorbatschow hat sich zur KSZE-Schlussakte bekannt, die Russland selbst unterschrieben hat und die jedem Staat die eigene Bündniswahl zugesteht.
      https://www.welt.de/geschichte/article237082635/Streitfall-Nato-Erweiterung-Gorbatschow-bestreitet-energisch-betrogen-worden-zu-sein.html

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  2. Lady sagt

    Wie so oft sehr lesenswerte Gedanken von dir, Elisabeth. Gedanken , die zum eigenen Weiterspinnen anregen. Danke dafür.
    Ich betone das, weil ich – wie ebenfalls sehr oft- völlig anderer Auffassung bin. Das ist nicht weiter verwunderlich, weil aus unterschiedlichen Perspektiven nicht nur die Beschreibung der Situation sondern auch mögliche Lösungsansätze anders ausfallen müssen.

    Deine Schlussformulierung, dass ein anderes Weltbild hermüsse, ist hingegen doch eine etwas andere Qualität als einfach eine unterschiedliche Betrachtungsweise. Denn für mich ist genau diese Formulierung , dieser Anspruch, die Ursache für viele Probleme. Und daher beantworte ich Willis Frage, ob wir das brauchen, mit einem nein, bloß nicht. Ein Weltbild oft verbunden mit einem bestimmten Menschenbild ist nicht nur eine wenig hilfreiche Vereinfachung sondern meistens verbunden mit einem Hang zu einer in Wurzeln autoritären Lösung. Häufig verborgen hinter genau dem in Aussicht gestellten Gegenteil. Ist ja auch logisch, wer würde schon einer Botschaft „Elend für alle“ folgen wollen. Ok , auch solche Leute soll es geben, haben wir alle lernen dürfen. Häufig bekommen solche Weltbilder dann noch einen Namen und ein neuer Ismus ist geboren. Kaum da ,ist schon in Vergessenheit geraten, worum es eigentlich gehen sollten. Um den Menschen jedenfalls meistens nicht mehr.
    Wir haben alle unterschiedliche Grundprämissen, Elisabeth. Unterschiedliche Werte. Am ähnlichsten sind sich vielleicht noch die Grundmotive, die uns antreiben. Wenn auch in der Gewichtung sicher anders.
    Und wir sollten diese Pluralität wie einen Schatz hüten. Und ihn nicht zerstören. Es reicht völlig, wenn wir schlicht versuchen, die kleineren alltäglichen Probleme zu bewältigen. Ganz konkret .
    Dazu passt übrigens etwas, das doch ganz anders klingt als deine Aussage zur Globalisierung.
    Anfang des Jahres ist die größte Freihandelszone der Welt gestartet. Nach vielen Jahren zähen Verhandelns sind da jetzt ein Drittel der Weltbevölkerung und etwa 30 % der globalen Wirtschaftsleistung unter einem Dach.Da ist kein neues Weltbild entstanden, aber ein gangbarer Weg ,um unterschiedliche Auffassungen in grundsätzlichen Fragen zu bewältigen. Zunächst fußend auf einem sehr kleinen Nenner. Landwirtschaft wurde übrigens außen vor gelassen.
    Hier aber verharren einige in einer recht provinziellen Grundhaltung, die in einem viel zu großen Anzug steckt. Ich weiß nicht, ob “wir” ihn je wieder ausfüllen werden.

    Ich finde es schon bitter, wenn D als “schwächstes Glied in der Antwort der demokratischen Welt auf die russische Aggression” beschrieben wird.

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    • Mark sagt

      Richtig Lady, wir brauchen kein neues Weltbild. Wir brauchen einen Blick auf die Welt, der nicht durch ständig mehr werdene Narrative verzerrt ist. Eine solchen Blick vermittelt der von mir hoch geschätzte Prof. Dr. Rademacher in seinem Vortrag bei den Königsbergere Gesprächen vom 8. 4. 2022 (also ganz aktuell). M.E lohnt es sich das Video ab min 50 anzuschauen:

      https://www.youtube.com/watch?v=JWDe_mdzdyM&t=4088s

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      • Thomas Bröcker sagt

        Hab mir den Vortrag grad reingezogen. Klasse alles auf den Punkt gebracht! Vor allem der Abschluss gefällt mir: “Sehen Sie (die Klimaretter durch Veganismus) doch zu, dass Ihre Kinder Ingenieure werden, um die Klimaprobleme zu lösen. Wenn die Probleme gelöst sind, können sie dann in 50 Jahren auch Veganer werden.”

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    • Elisabeth Ertl sagt

      “Und wir sollten diese Pluralität wie einen Schatz hüten.” Genau das habe ich schon mehrmals in die Kommentare geschrieben, dass Demokratie den Diskurs verschiedener Weltbilder braucht.
      Gerade der herrschende Neoliberalismus ist aber doch so ein in seinen Wurzeln autoritäres Weltbild, indem es beispielsweise von Angela Merkel als “alternativlos” bezeichnet wurde, obwohl eine Mehrheit der Deutschen sich ein anderes Wirtschaftssystem wünscht. Und dieser Blog ist voll von den Klagen, wie sehr man sich davon versklavt und unterdrückt fühlt.
      Vorher gab es eben in unseren Parlamenten noch einen echten Pluralismus, wo das marxistische, das kapitalistische, das liberale und das grüne Weltbild einander in Schach hielten und gleichzeitig befruchteten. Die jetzigen oft so kleinkarierten Streitereien kommen doch genau davon, dass keine ernst zu nehmenden umfassenden Weltbilder, über die man seriös streiten könnte, mehr dahinter stehen.

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      • Thomas Bröcker sagt

        Das hängt meines Erachtens weniger an Weltbildern, als an asymetrischer Macht- und Geldverteilung. Der Nationalstaat als Konstrukt der Bürgerlichen “Revolutionen” zu Beginn des Kapitalismus, ist bei der derzeitigen Geldverteilung auf immer weniger Superreiche, ein ungeeigneter Organisationsrahmen für das friedliche Zusammenleben der Völker. Dieser Organisationsrahmen (Nationalstaat), ist mit der Geld- und Machtkonzentration bei international agierenden Fonds und Oligarchen nicht mehr vernünftig in Einklang zu bringen .
        Die (ehemals) Identitäts-stiftenden Nationalstaaten sind zu gut manipulierbaren Instrumenten einzelner Macht- und Interessengruppen des Großkapitals geworden.
        Sie sind wegen der, aus verschiedensten (meist historischen) Gründen entstandenen, Entwicklungs- und Prosperitätsunterschiede, die Grundsubstanz der Profitgenerierung international agierenden Kapitals über Ausnutzung der Produktivitäts- und Wohlstandsdifferenzen. Nationalstaaten erzeugen jeweils eigene ausufernde Apparate an Verwaltung, Politik und Militär, die bestrebt sind, die Grundlagen ihrer Macht (und der Möglichkeit sich über Steuern selbst zu bedienen) zu sichern, und genau dafür die Grenzen des Nationalstaates brauchen. Sie sind auch viel leichter manipulierbar über die demokratisch kaum noch kontrollierbaren
        Geldflüsse und Einflußnahmen des Großkapitals auf politische Entwicklungen. Bestes Beispiel sind die vielen vom Großkapital finanzierten bunten “Revolutionen”, und Kriege, die Nordafrika, den nahen und mittleren Osten und Mittelamerika zerlegt und paralysiert haben. So wurden Entwicklungen zu vom Dollar unabhängigen Wirtschafts- und Finanzverbünden bislang wirkungsvoll verhindert. Das wird aber auf Dauer nicht so bleiben, da mit China, Indien und Russland ein neuer Verbund an Entstehen ist, den es aus der Sicht des amerikanisch dominierten Großkapitals zu verhindern gilt.

        Das sind m.E. die wirklichen Hintergründe für die Entwicklungen der letzten 30 Jahre mit ihrer jetzigen Zuspitzung. Die Gefahr eines weltweiten Krieges war nie so groß wie jetzt, zudem jeder Nationalstaat in Europa auf seine Weise mitzündelt. Nicht Nationalstaaten, sondern starke, miteinander verflochtene Wirtschaftsblöcke wären die zeitgemäße Reaktion auf die ungesunde Macht der Konzentration von Geld und Finanzströmen in immer weniger Händen.

        So wie die Besetzung vieler wichtiger Positionen in Staat und Verwaltung bei uns mit NGO-Followern eine vernünftige Landwirtschaftspolitik verhindert, verhindert die Besetzung wichtiger Positionen in EU und Nationalstaaten mit Anhänger der “Atlantikbrücke” (U. von der Leyen als Musterbeispiel) eine eigenständige Politik der EU, die den geographischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen tatsächlich im Interesse der Europäer gerecht wird.
        Die Überlagerung aller Zusammenhänge mit den Nebelkerzen und dem Geheul der Kriegstrompeten der Propaganda, wird da auf absehbare Zeit keine Ruhe und Vernunft wieder einkehren lassen.

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        • Marian E. Finger sagt

          Thomas Hobbes veröffentlichte seine Staatsphilosophie 1651, mitten im englischen Bürgerkrieg, in dem sich die beiden Parteien des Gemeinwesens gegenseitig die Köpfe einschlugen. Die Parlamentspartei unter Oliver Cromwell errichtete eine Militärdiktatur, während die Königstreuen sich mit dem Ausland verbündeten, um ihre Privilegien zu sichern. Hobbes kam seinerzeit zu dem Schluss, dass nur ein ungeteilter, absoluter, uneingeschränkter Staat das Zusammenleben der Menschen auf friedliche Weise gewährleisten kann.

          Heute haben wir denselben Krieg wieder, nicht innerhalb einer Nation, sondern eben innerhalb von größeren, wirtschaftlich stark miteinander verflochtenen Machtblöcken, bspw. den östlichen gegen den westlichen, oder die “alte Welt” gegen die aufstrebenden Staaten wie die BRICS. Und wieder errichtet die eine Seite eine Art Militärdiktatur (Osten), während die andere Seite überall Verbündete sucht, um ihre Privilegien zu schützen (Westen). Was Sie als die Lösung darstellen, Herr Bröcker, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als das Problem.

          Nach Hobbes ist es eben genau die Vernunft, die den Menschen zu Verhaltensweisen zwingt, die subjektiv rational für ihn sind, sich auf den Zustand der Welt objektiv aber negativ auswirken. In diesen Kontext gehören nicht nur Kriege, sondern auch Umweltzerstörung und Ressourcenverschwendung. Der Mensch entscheidet sich aber für die Verhaltensweisen, die subjektiv rational für ihn sind. Homo homini lupus, der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, nicht weil er böse ist, sondern weil er überleben will.

          So wie sich Menschen mittels ihrer Vernunft gegenseitig umbringen, so können sie diese lt. Hobbes auch einsetzen, um das Überleben zu sichern, indem nämlich der Einzelne auf Gewalt verzichtet und seine Macht an den Staat abgibt, doch damit das funktioniert, muss der Staat uneingeschränkte Macht haben.

          In der Fortführung der Hobbes’schen Logik sind es heute nicht mehr die Einzelstaaten (Nationen), die den Frieden sichern. Die Staaten haben nun die Rolle der verschiedenen Parteien übernommen, die aufeinander eindreschen. Der Friede kann heute nur noch gesichert werden durch eine absolute, uneingeschränkt herrschende Weltregierung, an die die Einzelstaaten ihre Macht abtreten und die die wirtschaftlich verflochtenen Machtblöcke vereint. Dieser Komplex, der Superleviathan, ist ja bereits im Entstehen. Es wird darum gekämpft, wer in diesem Superkomplex das Sagen hat.

          Letztendlich gibt es aber keine Pluralität mehr, wie manche Kommentatoren sich einzureden versuchen. Der Superleviathan läuft auf einen Überwachungsstaat hinaus, in dem alle gleich geschaltet werden. Schon Thomas Hobbes hat den Staat als “Maschine” identifiziert. in dem alle Einzelteile aufeinander abgestimmt sind, wie eben die Rädchen in einem Getriebe. Der Superleviathan wird ein mit Hilfe künstlicher Intelligenz gesteuerter “Computer” sein. Das ist dann das Ergebnis dessen, was wir Vernunft nennen.

          • Thomas Bröcker sagt

            Stimmt, die Frage ist nur, wie und wie lange der Weg dorthin geht und wo dann die verbleibenden Nischen der Freiheit sind, die das Leben lebenswert machen?

            Primär wäre jetzt aber eine Europäische Regierung, an die die Staaten alle Macht übertragen, ein nicht ganz sinnfreier Zwischenschritt. Mal von Zuordnungs-Schemata abgesehen, ist die USA ja auf Grund ihrer schieren Größe ein äquivalentes Organisationssystem, das aus diesem Grund in seinem Sinne auch äußerst effektiv agieren kann. Davon ist die EU, wegen ihrer 1.000 kleinen und großen Könige nebst deren Hofstaat, meilenweit entfernt.

            Im Übrigen hätte es mit Einigkeit beim Bau und der früheren Inbetriebnahme von Nordstraem 2 diesen Krieg nie gegeben. Einfach, weil einer der Hauptpunkte für diesen Konflikt, nämlich der Streit um Gastransit und Gebühren entschärft worden wäre. Das haben Ami´s und Atlantiker unter Ausnutzung der europäischen Zerstrittenheit erfolgreich verhindert.

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            • Marian E. Finger sagt

              Was ist Brüssel anderes als Sprachrohr der Atlantiker? Das geht doch soweit, dass sich die EU-Spitze in altbewährter Salami-Taktik sogar für ein Energie-Embargo einsetzt, das die europäische Wirtschaft voraussichtlich ruinieren wird. Kaum ist der Kohlestopp erreicht, wird schon über ein Öl-Embargo light diskutiert. Unter diesen Bedingungen bin ich nicht dafür, dass die Staaten ihre Macht an eine Europäische Regierung abgeben, die noch nicht mal demokratisch legitimiert ist. Da kann man doch fast froh sein, wenn es noch kleine Könige gibt.

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        • Elisabeth Ertl sagt

          “Das hängt meines Erachtens weniger an Weltbildern, als an asymetrischer Macht- und Geldverteilung.”
          Herr Bröckner, wenn ich mich nicht irre, leben Sie in Ostdeutschland.
          Ich habe die Zeit vor 1989 im Westen erlebt.
          Ich setze mich hier ja immer Missverständnissen aus. Ich habe eigentlich nie rot gewählt, bin auch ganz anders sozialisiert worden. Und ich bin sehr froh, dass die SPÖ bei uns nicht länger als 13 Jahre (1971 bis 1983) allein regiert hat und auch in dieser Zeit der Kritik durch die Opposition ausgesetzt war. Aber ob das Geld symmetrisch oder asymmetrisch verteilt ist, das hängt sehr wohl davon ab, welchem Weltbild die handelnden Politiker verpflichtet sind. Kreisky hat sehr viel zur symmetrischen Geldverteilung beigetragen, nur waren dann die Staatskassen leer, und die Zügel mussten bei den Ausgaben wieder straff gezogen werden. Ohne eine starke Wirtschaftspartei, die in der Demokratie dann wieder die Chance hatte, ans Ruder zu kommen, wären wir irgendwann im Ostblock gelandet, das ist wahr. Aber weil dann die Roten ihre Linie verlassen haben, sind wir jetzt dort, wo wir sind, bei der Verarmung der Bevölkerung.
          Ich wünsche mir gar keine starken roten Parteien mehr, sie hatten ihre historische Rolle. Es braucht zeitgemäßere Konzepte. Aber dass die Politik ohne philosophischen Background in der Lage ist, für so etwas wie eine symmetrische Geldverteilung zu sorgen, das glaube ich nicht.

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      • Lady sagt

        “Die jetzigen oft so kleinkarierten Streitereien kommen doch genau davon, dass keine ernst zu nehmenden umfassenden Weltbilder, über die man seriös streiten könnte, mehr dahinter stehen.”

        Eher sehe ich das Gegenteil. Es ist doch auch unerheblich, ob du oder ich die im Kopf sitzenden Weltbilder ernst nehmen. Diejenigen, die an ihre vorgefertigten Welterklärungsmodelle glauben, tun es jedenfalls.
        Für mich gibt es die “klassischen” politische Grundströmungen mit ihren unterschiedlichen Wertesystemen und Gestaltungsansprüchen. Für mich bilden die politischen Parteien diese Grundströmungen teilweise nach, mehr auch nicht.
        Was dazu kommt sind tatsächlich nur die von Mark erwähnten Narrative.
        Deine Argumentation zeigt doch genau das, was ich für wenig hilfreich halten. Was bedeutet den Neoliberalismus konkret?Für mich ist das eher ein politischer Kampfbegriff und kein Weltbild.

        • Elisabeth Ertl sagt

          Ich glaube einfach, dass es ein großer Unterschied ist, ob ein Politiker Kant, Marx, Hayek oder Schumacher sinnerfassend gelesen und verstanden hat, oder ob er nur Spendenaufrufe von NGOs und Meinungsumfragen liest. Die großen Theoretiker vermitteln kein simples Weltbild, sondern sie sind komplex. Aber sie sind in der Lage, die Grundzüge von Gesellschaften zu formen.

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  3. Ludwig sagt

    @ Seevers. Fachleute an die Macht. Mehr Direktmandate im Bundestag und verkleinern.
    Freiheit für die Soziale Marktwirtschaft. Sozial ist , was Arbeitsplätze schafft,aber die Bürokratie und Verwaltung muß stark abgebaut werden. Mehr Marktwirtschaft und weniger Staatswirtschaft. Mehr Freiheit und Eigenverantwortung für die Bürger. Weniger Einfluß der Politik auf die Rechtsstaatlichkeit ,z. B. Verfassungsgericht usw.. Den Einfluß der Parteien zurückschrauben und mehr Bürgerbeteiligung , z. B. in der Schweiz. Wir brauchen ein Reset
    bzgl. der Gesetzgebung in den letzten 30 Jahren. Alles muß auf den Prüfstand. Auch die Inflation ist ein Totalversagen der Politik. Corona und Putins Krieg überdecken das nur und sind ein tolle Ausrede für die Politik. Das war schon vor drei Jahren klar , daß bei der Gelddruckerei wir auf den jetzigen Zustand hinlaufen. Das habe ich hier auch immer geschrieben.

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  4. Ludwig sagt

    Aus volkswirtschaftlicher Sicht hat die Politik den vernünftigen Weg nach Ehrhard verlassen.
    Der hatte gegen alle Widerstände von CDU und SPD die “Soziale Marktwirtschaft” durchgesetzt und immer von Maßhalten gesprochen. Das wollte dann mit den sprudelnden Steuereinnahmen keiner mehr und so wurden die eingezahlten Rentengelder der starken Jahrgänge auf das Volk zwecks Wahlgeschenken verteilt. So geht das jetzt seit fünfzig Jahren und die Substanz unseres Gemeinwesens ist aufgezehrt. Die Geldruckmaschine läuft ohne Gegenwert, die Staatsquote liegt inzwischen bei einer galloppierenden Inflation bei mind. 60%. Überall kassiert der Staat Steuern. Allein in den sechzehn Jahren Merkel haben sich die Steuereinnahmen verdoppelt und trotzdem haben wir ständig eine Neuverschuldung. Der Bürger wird mit staatlichen Konsumleistungen überhäuft und merkt garnicht , daß er weniger Leistungen zurück bekommt als er vorher Steuern und Abgaben gezahlt hat. Dafür haben wir heute eine Bürokratie aufgebaut die für Umverteilung sorgen soll , aber jegliches wirtschaftliches Handeln blockiert. Damit ist jetzt die Wirtschaft nahezu erstickt und unser Parteiensystem am Ende , denn eins wurde erreicht , daß unsere Parteien gegen das Grundgesetz unseren Staat regelrecht ausgeplündert haben. Die Rentenbeiträge der 1970er Jahre wurden verfrühstückt , statt in einem Staatsfonds für später zur Verfügung zu haben. Nur die Beamtenpensionen bleiben auf einem hohen Niveau , obwohl nie eingezahlt, während die Erarbeiter sich mit unter 48% abfinden müßen. So hat sich eine bestimmte politische Klasse an den Fleischtöpfen der Mehrheit bereichert. So muß man sich fragen , ob diese Ungerechtigkeit auf die Dauer überleben kann ?

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    • Reinhard Seevers sagt

      Ludwig du kannst immer die Vergangenheit und deren Fehlentscheidungen ausführlich beschreiben. Was ist nun dein Lösungsvorschlag?

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      • P. Karl sagt

        Hallo Herr Seevers, mein Lösungsvorschlag liegt auf der Hand: ein Kammerjäger muss her. In Geduld und Demut wird alles unmoralische Verhalten, durch die politischen Strategien, fleissig diskutiert und dann mit umschweifende Sinnsuchen bedauernd kapituliert. So kann es geschehen, dass echtes Interesse an Land und Leute den Leiden-schaften geopfert werden. Denn selbst nachrückende Idealisten verfallen über kurz oder lang dem Sog des kollektiven Strudels und suchen dann das Weite im Eigenen.
        Bei aller Belesenheit: der Mensch ist nicht die Geschichte, er macht sie nur. Und ohne Bewusstsein um sein Menschsein, ist er ein Blutsauger.

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    • Elisabeth Ertl sagt

      Im Steiner` schen Modell wird betont, dass es einerseits nicht die Aufgabe des Staates ist, zu wirtschaften. Deshalb haben ja die Staatsbetriebe im Westen genau so schlecht funktioniert wie im Ostblock. Andererseits ist aber jeder Mensch Subjekt der Wirtschaft und kein Wirtschaftsfaktor wie andere Produktionsmittel oder Kapital. Im Stundenlohn sah Steiner ein Überbleibsel der Sklaverei. Die Arbeitszeit muss gesetzlich geregelt sein, und dem arbeitenden Menschen steht ein angemessener Anteil am Gewinn zu.
      Die Arbeitszeit soll so bemessen sein, dass jedem Menschen Zeit bleibt, sich auch geistig zu betätigen. Geistige Tätigkeiten sollen nach Möglichkeit neben dem Beruf ehrenamtlich ausgeübt werden. Dort, wo man hauptamtliche “Geistesarbeiter” braucht, in der Verwaltung, als Lehrer, auch Berufskünstler etc., sollen sie aus Steuergeld bezahlt werden. Denjenigen steht aber nur das Existenzminimum zu. Sie müssen immer daran erinnert werden, dass der Lebensunterhalt, der ihnen im Sinne eines Mäzenatentums gewährt wird, ein Geschenk der materiell produzierenden Menschen ist.

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  5. Reinhard Seevers sagt

    Schön zu lesen, dass schon in der Ursachenanalyse unterschiedliche Interpretationen bestehen. Leider gibt es niemanden, der eine wirkliche Lösung anbieten kann…..dann müssen wir wohl weiter auf Sicht fahren.🤔

  6. Wilfried Kux sagt

    Falsch abgebogen sind die Notenbanken, die seit Ende der 1980er Jahre jede Krise, jeden Börsen-Crash mit Niedrigstzinsen bis auf null Prozent beantworteten und Billionen an Geldeinheiten, mit dem Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen in die Märkte schleusten, um den Scheinwohlstand zu erhalten, beziehungsweise zu steigern.

    Seit dem Platzen der US-Immobilienblase 2007 wurden nur alleine von der FED 7,7 Billionen $ und seitens der EZB 7,5 Billionen € in die Märkte gepumpt. Weitere große Notenbanken gesellten sich hinzu: Schweiz, GB, Japan und China und vermehrten das Geldangebot.

    Selbst aktuell bei einer Geldentwertung von 7,5 % (!!!) in der Eurozone stellt die EZB den Banken Geld für 0 % zur Verfügung und wird bis Juni weitere Staatsanleihen in Milliardenhöhe ankaufen, also Geld in den Markt pumpen!!!

    Pervers ist, dass unsere Volksvertreter diese wundersame Geldvermehrung, die zwangsläufig zu Fehlentwicklungen führt, nicht kritisieren und auf die Unabhängigkeit der Notenbanken verweisen!

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  7. Hubert Daubmeier sagt

    Es gibt diesen Spruch “wer in jungen Jahren kein Sozialist ist, hat kein Herz. Wer auf die alten Tage immer noch Sozialist ist, hat kein Hirn”. In diesem Bild steckt die Autorin gerade so auf halbem Weg fest. Die ersten Halbheiten des Sozialismus lassen sich nicht mehr verleugnen und das ganze Trauertal ist schon gut sichtbar. Klar, die Erkenntnis schmerzt, aber die Liebe doch noch nicht ganz erloschen.

    Ich wünsche ihnen ein gutes Leben mit noch viel Erkenntnisgewinn. Und bin ziemlich sicher in 20 Jahren ist die Trauer weg und gedanklich der Sozialismus dort wo er hingehört. Auf den Misthaufen.

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  8. Galinstan sagt

    Noraljahr war wohl 1913. Dann kam der 1. Weltkrieg und die definitive Industrialisierung. Durch den Abzug der Arbeitskraft in der Landwirtschaft musste rationalisiert werden. Mit dem Ergebnis wo wir heute stehen.

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  9. Marian E. Finger sagt

    Frau Ertl erzählt uns ein schönes Märchen, doch wenn Märchen wahr wären, dann hätte die Realgeschichte 1624 mit dem Schluss geendet: “und fortan lebten sie glücklich und zufrieden, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.” Aber die Realgeschichte ging weiter und damit Unterdrückung, Kolonialisierung, Rebellionen, Ungerechtigkeit und Kriege, Kriege, Kriege …

    1989 als “Normaljahr” zu bezeichnen, ist schon etwas gewagt. Erst ein paar Jahre davor hatte man das Ozonloch entdeckt, und das Waldsterben war immer noch ein Thema. Dass auch Plastik ein Problem ist, hatte man noch gar nicht erkannt. Die PKWs hatten zwar Katalysatoren, dafür hatte sich die Zahl derselben in den letzten 15 Jahren verdoppelt. Exponenzielles Wirtschaftswachstum war notwendig für die “Normalität” von 1989 und das mit dem Wirtschaftswachstum funktionierte nur, weil auch die Weltbevölkerung exponenziell wuchs und immer mehr Menschen immer mehr brauchten. Es war die Zeit, in der die Menschen im Westen diese 10.000 Gegenstände anzuhäufen begannen, die sie heute besitzen. Der US-Dollar war längst vom Goldstandard entkoppelt, und Schuldenmachen war bereits groß in Mode gekommen. Zwischen dem Ersten und dem Zweiten Golfkrieg gönnten sich die USA eine Pause, in der sie kurz mal Panama überfielen, um dort dem exponenziell wachsenden Drogenhandel ein Ende zu setzen. So sah es also aus im “Paradies”.

    Wenn es so wäre, dass wir immer nur mal “falsch abbiegen”, ansonsten aber friedliche und freundliche Lebewesen sind, dann wäre nicht die gesamte Menschheitsgeschichte von einer derart bluttriefenden Spur durchzogen, wie sie es nun mal ist. Dann hätten wir es als lernfähige Lebewesen in tausenden von Jahren doch wohl längst geschafft, “im Einklang mit der Natur und den Mitmenschen” zu leben. Das ist aber nicht der Fall. Also liegt es nicht am “Nur-mal-falsch-abbiegen”.

    Der Mensch ist vor allem anderen ein produktives Wesen. Seine tiefste Befriedigung findet er darin, Produkte zu erschaffen oder Bestehendes wie die Natur, die Erde, die Luft, die Tier- und Pflanzenwelt in Produkte zu verwandeln. Auch Spiritualität ist nichts anderes als Produktivität. Es ist der Weg, den Menschen selbst in ein Produkt zu verwandeln, sei es, indem der spirituelle Mensch sich selbst gestaltet, also zu seiner eigenen Schöpfung wird, sei es, indem sich einige berufen fühlen, ihre Mitmenschen zu gestalten. Neben Priestern, Gurus fühlen sich unter anderen auch Psychologen berufen, die Menschenmasse schöpferisch zu bearbeiten und zu gestalten.

    Wir bewundern Künstler und Erfinder, weil sie neue Wege finden, Produkte zu erschaffen. Wir bewundern die Natur nicht um der Natur willen, sondern als Möglichkeit, sie zu gestalten und in Produkte zu verwandeln.

    Ein Mensch, der keine Produkte erschafft, seien sie nun materieller oder immaterieller Art, wird depressiv und unglücklich.

    Viel hilft viel und der Mensch ist deshalb bestrebt, immer schneller immer mehr Produkte zu erschaffen: aus diesem Grund hat er sowohl die Arbeitsteilung wie auch die Maschinen erfunden, und jetzt steht er vor dem Problem, dass er für diesen Planeten viel zu produktiv geworden ist.

    Seit einiger Zeit geht es ihm nun nicht mehr nur darum, produktiv zu sein, sondern die Anderen in ihrer Produktivität zu lähmen, bspw. indem er sie mit seichter Unterhaltung zumüllt, mit sinnlosen Diskursen und Debatten ablenkt, ihnen ihre Produktivität durch Bürokratie austreibt, neue Krankheiten erfindet oder jeder an jedem herumerzieht.

    Der Kapitalismus ist ein System, das die Produktivität beschleunigt. Der Kommunismus eins, das die Produktivität verlangsamt. Der Kapitalismus treibt die Umweltzerstörung an. Der Kommunismus macht die Menschen unglücklich. Mischformen aus Kapitalismus und Kommunismus zerstören die Umwelt, während sie gleichzeitig die Menschen depressiv machen.

    Und bei alldem reden wir uns gegenseitig ein, dass wir die durch Überproduktivität entstandenen Probleme nur lösen können, wenn wir noch mehr Technologien erfinden und noch produktiver, noch effizienter werden.

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    • Inga sagt

      1989 konnte man höchstens als Normaljahr bezeichnen, Herr Finger,
      weil sich seit dem politisch viel geändert hat. Also in Politischer Hinsicht.
      Gorbatschow wollte sich dem Westen anschließen.
      Was wurde daraus?

      Aber
      “1989 als “Normaljahr” zu bezeichnen, ist schon etwas gewagt. Erst ein paar Jahre davor hatte man das Ozonloch entdeckt, und das Waldsterben war immer noch ein Thema. Dass auch Plastik ein Problem ist, hatte man noch gar nicht erkannt. Die PKWs hatten zwar Katalysatoren,”
      War nicht in den 80igern schon vom Waldsterben und saurem Wald die Rede?
      von der Regenwaldrodung auch?
      1970 beschrieb Club of Rome schon die Grenzen des Wachstums.
      Seit 1969 gibt es das Umweltministerium, wenn ich mich nicht irre!

      Warum haben sich schon vor 1980 die Grünen formiert?
      Ich denke, weil sie auf das Thema aufmerksam machen wollten.
      Und dass Plastik nicht gut für die Umwelt ist, wußte man schon seit den 6oiger.
      1985 habe ich für meine ehrenamtliche Tätigkeit bei der Kirche einen Judebeutel mit einer Friedenstaube drauf geschenkt bekommen.
      Also das Bewußtsein war da.

      • Elisabeth Ertl sagt

        Es stimmt schon, dass nicht alle Probleme gelöst waren. Aber man konnte die Erfahrung machen, dass alles Schritt für Schritt besser wird. Anfang der 90er Jahre wurde nur noch alles billiger, aber Vieles schon schlechter, v. a. ökologisch, und dann ging es überhaupt bergab. Mit dem Computer hatten anfangs bei weitem nicht alle eine Freude, man musste sie Computermuffel nennen, damit sie sich aufrafften und sich damit beschäftigten.

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    • Inga sagt

      Mission Klima – Hilft Religion beim Umweltschutz

      https://www.ardmediathek.de/video/doku-und-reportage/mission-klima-hilft-religion-beim-umweltschutz/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzE2NDE5NjE

      FFF übertreibt zwar, aber das ist nicht schlimm, es ist ja nur ein aufmerksam machen, damit nicht nur unsre Politik darauf eingeht.
      Deutschland kann das Klimaproblem nicht ändern, da muß global herangegangen werden.
      Man soll über die Erde herrschen wie ein König und nicht ausrauben, sondern verantwortungsvoll mit umgehen.
      Wie ein Bauer!
      Hans von Storch sagt die Wahrheit.
      Lieber ein altes Kohlekraftwerk in Südafrika mit einem Atomkraftwerk ersetzen und dort Strom für alle, als hier bei uns ein modernen Kohlekraftwerk stilllegen.
      Das Problem muß global angegangen werden.
      Natur heilt Seele?

      Helfen Religionen der Globalisierung?

      Wie denkt denn der Pfarrer über die Vegane Ernährung.
      Seine Kinder brauchen Eiweiß, verschiedene Aminosäuren aus physischen Gründen in der Nahrung.
      Nicht aus Psychischen Gründen.
      Aber nachhaltig muß es sein! Und das Selbstanlügen muß aufhören!

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    • Stadtmensch sagt

      “dann wäre nicht die gesamte Menschheitsgeschichte von einer derart bluttriefenden Spur durchzogen, wie sie es nun mal ist”

      Ja, ging schon in den Anfängen der deutschen Literatur nur ums Hauen und Stechen (Hildebrandslied)

      Könnte aber auch sein, dass nur solche “markanten” Ereignisse einen Datenpunkt im Geschichtsbuch setzen. Lange Phasen friedlichen “Fortwurstelns” sind halt uninteressant. Das würde auch erklären, warum in den Nachrichten permanent die Welt untergeht, weil du mit “in Buxtehude wurde der Kindergarten saniert” keine Aufmerksamkeit bekommst.

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      • Marian E. Finger sagt

        Wenn die Phasen friedlichen “Fortwurstelns” lange dauerten, also langweilig wurden, hat der Mensch wieder einen Datenpunkt ins Geschichtsbuch gesetzt. Wie die Liste der Kriege in der Wikipedia zeigt, gibt es unzählige solcher Datenpunkte, und es ist nicht nur ein Geschichtsbuch. Ich habe eine Weltgeschichte mit 36 Bänden voller Datenpunkte im Regal stehen. 🙂

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        • Stadtmensch sagt

          “Ich habe eine Weltgeschichte mit 36 Bänden voller Datenpunkte im Regal stehen.”

          Sehr gut! Wie ich dich kenne stellst du dir sowas nicht ins Regal, damit aussieht wie im Möbelkatalog. 😉

          Tja, alles wurde schon x-mal interpretiert, gedeutet, bewertet und ergänzt und nun schauen wir auf einen riesigen Schatz an Text gewordener Selbsterkenntnis, die kein Mensch auch nur ansatzweise rechtzeitig intus bekommt, um die Motivation hinter seinem evtl. selbstzerstörerischem Streben rechtzeitig zu erkennen. “Lexikon der Soziologie” werd ich mal probieren. noch…

          Wenn jemand mit einem “konstruktiven” Vorschlag käme und sagte, man müsste schon in der Schule mit dem richtigen Schnitt anfangen, damit der Ertrag optimal würde, kämen tausend Einwände, warum das nur schief gehen könne.

          Also leben wir mit den Auswirkungen der Freiheit für Wenige, die in ihrer unreflektierten Art diversen Sünden wie Hybris, Neid, Gier frönen…
          Man schaue sich nur das Rumgezicke zwischen Musk und Bezos an. Oder Putin und “Wertewesten”
          Ja, dieser Wertewesten, der plötzlich ganz empört ist über das Kriegselend, weil es so dicht vor der Haustür ist diesmal:
          https://www.investigate-europe.eu/de/2022/eu-staaten-exportierten-waffen-nach-russland/

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          • Marian E. Finger sagt

            “Sehr gut! Wie ich dich kenne stellst du dir sowas nicht ins Regal, damit aussieht wie im Möbelkatalog”

            Das nicht, aber eine meiner Jugendsünden bestand darin, ein Weltbild-Abonnent zu sein 🙂

    • Inga sagt

      Vielleicht können wir die umweltschädliche Überproduktion durch neue Techhniken ausgleichen.
      Neue Ideen braucht das Land.

  10. unkomplizierter Wurzelwicht sagt

    Vor 1989 in Austria: Für zwei Schlachtstiere im Gegenwert einen kleinen Schlepper? – 1989 hat das PS in Deutschland bei Vollausrüstung im Premiumsegment 1.000 DM, im Billigsegment immerhin zwischen 700-800 DM real gekostet. Wieviel müssen diese Ihre Stiere also wert gewesen sein!?

    1989 ist hier in Deutschland der Eiserne Vorhang gefallen, was viele Nutztiere in Ostdeutschland die Köpfe kostete und zu einer Fleischschwemme auf unseren Märkten führte, da die Tierbestände schlagartig abnahmen in der damaligen DDR. Historisch eine neue Zeitrechnung hatte damals dort begonnen.

    Liebe Frau Ertl, Ihre Gedankenwelt ist nun wahrlich nicht so neu, wiederholt sich in unserer Menschheitsgeschichte immer wieder. Ob sich ein solches revolutionäres Gedankengut als neues Zukunftsmodell allerdings heute durchsetzen ließe, mag ich mehr als bezweifeln. So simpel ist unser Kosmos leider eben nicht gestrickt.

    Zu Zeiten Luthers setzte sich Guttenbergs Buchdruck durch, machte Luther zur Leuchtgestalt innerhalb der Menschheitsgeschichte in unserer westlichen Welt; ohne Buchdruck hätte Luther in der damaligen Neuzeit die tiefgreifenden Veränderungen der europäischen Gesellschaft und Kultur wohl nicht derart prägend bedeutsam in die Welt transportieren können…

    Zeitsprung: Heute feiern wir euphorisch unser „digitales Wunder“, das mittlerweile in sämtliche Lebensbereiche unserer Gesellschaft Einzug gehalten hat, schlichtweg
    einfach überhaupt nicht mehr wegzudenken ist.

    Als Biologe weiß man, dass die meisten Prozesse nicht linear verlaufen, als Geologin haben Sie dahingehend sicherlich ein anderes Zeitverständnis über die geschichtlichen Abläufe. Unser Universum würde jedenfalls ohne Menschlein nicht aus den Fugen geraten. In welchen Gesellschaftsformen wir Menschlein jeweils unser Dasein fristen, spielt dabei überhaupt keine Rolle.

    Wenn Sie, liebe Frau Ertl, ggf. selbst bereit sind, die Definition unseres gegenwärtigen Wohlstands innerhalb unserer Gesellschaften generell zur Dispositon zu stellen, prinzipiell einer neuen -vorstehend reaktionären- Werteordnung zuzuführen, so möchte ich diese Veränderung leider nicht mitunterschreiben wollen. In einer freiheitlichen Demokratie ist ein solches Ansinnen ganz sicher nicht mehrheitsfähig.

    Für unsere Kinder- und Enkelkinder bedeutete dies jedenfalls, dass sie weitgehend auf den heutigen Wohlstand verzichten müssten. Befürworteten wir das tatsächlich!? Gehen unsere Bestrebungen nicht weit eher dahin, unseren Kindern möge es besser gehen als uns!? Ja, diese Meßlatte hängt hoch, sehr hoch – Abstriche werden vielleicht zwangsweise vonnöten sein, aber ein sogar weitreichend freiwilliger Verzicht!?

    Hungerkrisen gab es auch im letzten Jahrhundert – z.B. in China, in der Ukraine, in der Sowjetunion, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen.

    „Lieber tot als rot“, das antikommunistische Schlagwort in Zeiten des zweiten Weltkrieges, während des Kalten Krieges in den USA und anderen Ländern, ist noch vielen omnipräsent. Antrieb, eine Maxime heute sicherlich auch für die vielen nach menschlichem Ermessen extrem zäh wehrhaften Ukrainer innerhalb dieses grauenvollen, von unvorstellbaren Menschenrechtsverletzungen geprägten Überfallskrieges dort durch den Aggressor Putin…

    Werte Frau Ertl, unverkennbar wir erleben aktuell eine Zeitenwende, dennoch wage ich zu behaupten, dass die Sicherung von Wohlstand in weiten Bereichen auch forthin prioritär angestrebt wird, schon alleine, um soziale Unruhen zu vermeiden. Ein Zurück in die Zukunft, so wie Sie dies skizzieren, wird es deshalb wohl freiwillig nicht geben.

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    • Elisabeth Ertl sagt

      Wenn die Sicherung des erreichten materiellen Wohlstandes weiterhin das Hauptziel bleibt, dann werden wir sehr bald gänzlich untergehen. Ich finde Ihre geforderte Konstante respekt- und pietetlos gegenüber den Ukrainern, die gerade bereit sind, alles zu verlieren, um UNSERE (!) Freiheit zu retten.

      • unkomplizierter Wurzelwicht sagt

        Ich bin nur ein kleines Lichtlein voller Demut in und mit der Natur.

        Respekt- und pietetlos gegenüber den Ukrainern bin ich ganz sicher nicht, verschließe mich aber auch nicht gänzlich den Realitäten, was zu befürchten wäre, wenn komplett alles aus dem Ruder liefe.

        Glauben Sie, liebe Frau Ertl, dann fortwährend noch an die Wahrung des sozialen Friedens!? – Wirklich!?

        Nehmen wir doch unseren Bundesagrarminister Cem Özdemir als politische Leuchtturmfigur; nicht das geringste Zeichen an Solidarität entsendet er aktuell in die Welt, folgt bockig unbelehrbar nach wie vor den falschen Propheten. Wie kann, ja wie muss ich das als kleines Bäuerlein bewerten!? – Meine Wut darüber im Bauch hilft mir leider auch nicht viel weiter… Wie reagieren wir aber schlussendlich, wenn die Hungernden an unseren Grenzen um Einlass bitten!? Steht unser Bundesagrarminister mit weit ausgebreiteten Armen sodann in der ersten Reihe!?

        Den mahnenden Zeigefinger zu erheben ist nicht schwer, sagen Sie mir doch, wie Sie aktuell die Welt, Ihr Umfeld zum Guten hin verändern. Im empfinde es derzeit jedenfalls als unerträglich, eine Kirmes zu besuchen, sehr viele der Corona-Pandemie überdrüssigen Mitmenschen drängt es jetzt allerdings förmlichst dorthin, hinein in die Menschenmassen, während kaum 1.000 Kilometer von uns weg vollkommen unüberschaubare Kriegs-Gräuel Europas Frieden überschatten. Mitfühlende Empathie hierfür nur während der Hauptnachrichten im Fernsehen!? Muss ich hier nun Verständnis aufbringen oder diese Mitmenschen komplett verteufeln, auch mir liebe Menschen aus meinem persönlichen Umfeld!? Wie verhalte ich mich da richtig, werte Frau Ertl!?

        „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“ (Mahatma Gandhi).

        Welche bewusste Zeichen setzen Sie also, liebe Frau Ertl, jetzt? – Ich bin alles andere als taub auf diesem Ohr…

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        • Elisabeth Ertl sagt

          Ich treibe mich auf keiner Kirmes herum, allerdings nehme ich persönliche Kontakte – zumal nach der Corona-Zeit – jetzt wieder wichtiger. Wir werden die Krise nur durch Zusammenarbeit lösen. Ich bin in Pension und stecke meine Zeit in eine kleine Schafherde und einen Obst- und Gemüsegarten. Nebenbei nehme ich Orgeldienste sowohl in evangelischen als auch in katholischen Kirchen wahr – für sehr wenig Geld.
          2015 habe ich mich ehrenamtlich viel um Flüchtlinge gekümmert. Die Ukrainer sind mir vorerst noch nicht über den Weg gelaufen – wird auch noch kommen. Mit meinen ehemaligen Wiener Freunden bin ich verbunden über einen Newsletter, wo ich bemüht bin, illusorische Vorstellungen von Landwirtschaft in Frage zu stellen.

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      • Thomas Bröcker sagt

        Frau Ertl,
        diese Aussage bezüglich der Ukraine disqualifiziert ihren vorherigen gut differenzierten Text geradezu. Die Ukraine ist nur Spielball der Politik von USA und Russland. Die Armee und vor allem die Paramilitärs kämpfen für ihre “Freiheit” und die Unabhängigkeit der Nation, nicht für “unsere Freiheit”. Das ist absolut legitim, aber den Anachronismus des “Heldentums” und des Kampfes um die Heimat “bis zum letzten Blutstropfen” halte ich genauso für völlig aus der Zeit gefallen wie den Angriff Russlands. Der extreme Nationalismus der Paramilitärs erklärt Jeden, der nicht für deren Aktionen ist zum Kollaborateur. Welche Auswirkungen diese Herangehensweise auf die Zivilbevölkerung hat, kann an der Geschichte Deutschlands und Frankreichs am Ende des zweiten Weltkriegs nachgelesen werden.

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        • Elisabeth Ertl sagt

          Ja ich weiß, der Ukrainekrieg ist eine komplexe, eine sehr zweischneidige Sache. Aber mir ging es darum, dass ein neues Weltbild zwar den jetzt Verarmenden Hoffnung geben und den Reichtum der Oberschicht in Frage stellen muss, insgesamt es aber schaffen muss, Opfer und Verzicht wieder zu einer Tugend zu erklären, allerdings braucht es dafür auch ein lohnendes Ziel, und das muss nicht notwendigerweise nur materiell sein.
          Wenn man einfach nur sagt, die Leute sind schlecht, und es wird alles weiterlaufen bis zum Bürgerkrieg, dann erübrigt sich jede Diskussion.
          Ich habe nicht vergessen, wie damals Gorbatschow plötzlich auftauchte, und alles war anders. Ich schließe nicht aus, dass auch im Westen eine politische Persönlichkeit auftauchen kann, die es schafft, die Herzen zu gewinnen und eine Perspektive zu geben, für die es sich lohnt, auch Opfer zu bringen.

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  11. Jürgen Donhauser sagt

    In die gleiche Richtung gehen die LILA – Werte von Prof. Dr. Johann Millendorfer – natürlich ein Österreicher 😉

  12. Jürgen Donhauser sagt

    @Elisabeth – klasse Beitrag. Ich weiß nicht, ob Du unbewusst hier den Inhalt von der Enzyklika “Centesimus Annus” von Papst Johannes Paul II von 01. Mai 1991 darlegst. Nach dem Zerfall des Ostblocks und den beiden Weltanschauungen des Kommunismus und des Kapitalismus schrieb er: “Weil der Marxismus von einem falschen Menschenbild ausging, das naturgegebene Recht auf Privateigentum verneinte und alle Macht dem Staat geben wollte, war er zum Scheitern verurteilt.”. An anderer Stelle warnt er davor in einem “blinden Glauben” alles der freien Entfaltung der Marktkräfte zu überlassen.
    Ohne das Wort zu gebrauchen, empfahl der Papst die katholische Soziallehre als eine Art “Dritten Weg” zwischen dem ungezügelten Kapitalismus auf der einen und dem Kommunismus auf der anderen Seite. Und so mahnte er: “Die westlichen Länder laufen Gefahr, im Scheitern des Kommunismus den einseitigen Sieg ihres Wirtschaftssystems zu sehen, und kümmern sich daher nicht darum, an ihrem System die gebotenen Korrekturen vorzunehmen.”
    Elisabeth, da ich Dich auch als spirituellen Menschen wahrnehme, kannst Du wohl den erwähnten “Dritten Weg” ermessen und hast ihn schon für Dich erkannt. Die Frage ist nur, wie kann man Ihn auch der breiten Gesellschaft näher bringen, ohne als “lästiger” Missionar oder Wanderprediger empfunden zu werden, wenn man schlichtweg den Begriff “Nächstenliebe” in den Raum wirft.

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    • Reinhard Seevers sagt

      Der spirituelle Weg zur Lösung ist ein Weg. Die christlich-konservativen und evangelikalen Bewegungen sowie die islamistischen nehmen zunehmend an Fahrt auf….mit keiner guten Stoßrichtung.

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    • Elisabeth Ertl sagt

      Ich habe die Enzyklika nicht gelesen, aber mitbekommen, dass Wojtyla den Kapitalismus gerne ebenso über Bord geworfen hätte wie den Kommunismus, Ich wurde in der katholischen Privatschule in der katholischen Soziallehre erzogen, und vielleicht hat ja kein Land in Europa diese Lehre so perfekt verwirklicht wie Österreich. Wir wurden immer beneidet für die Sozialpartnerschaft, wo Arbeitgeber und Arbeitnehmer stets die Kollektivverträge ausverhandelt haben, sodass es bei uns so gut wie keine Streiks gab. Deshalb hat mich schon damals das Triumphgeschrei “Hurra, der Kapitalismus hat gesiegt”, so zutiefst beunruhigt, und ich hab nur den Kopf geschüttelt darüber, dass Kanzler Vranitzky flugs in den Business-Nadelstreif geschlüpft ist und Visionen zur Geisteskrankheit erklärt hat.
      Ich sehe sowieso jetzt große Parallelen zu damals: ein Papst, der den Neoliberalismus geißelt als eine Wirtschaft, die tötet.
      Ich habe unten auf Arnold Krämer geantwortet, wie man das dem Volk näher bringen kann. Ich glaube, es geht in einer demokratischen Gesellschaft nur, indem verschiedene Modelle miteinander in Dialog treten. Das würde das Bewusstsein schärfen für das, was jetzt notwendig ist.

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  13. Thomas Bröcker sagt

    Die materielle Seite gestaltet das Weltbild und nicht das Weltbild die materielle Seite.
    Das kann man gerade heute allerorten sehen. China hat z.B. erst die materielle Seite angepasst und versucht nun das alte Weltbild des Zentralismus zur besseren Steuerung anzupassen.
    Allgemein gilt: Menschen unter wirtschaftlich und sozial existenziellem Druck sind zu Opfern (auch dem des eigenen Lebens bereit) so lange die Hoffnung besteht, dass sich etwas Grundlegendes ändert, das ihre Situation verbessert. Passiert das binnen 2 – 3 Jahren nicht, kehren sie zu ihren alten Gewohnheiten zurück und versuchen sich mit den Gegebenheiten (die sich scheinbar nicht ändern lassen) zu arrangieren.

    Im Übrigen waren das Jahr 1989 und vor allem die drei Folgejahre des Zusammenbruchs der Betriebe für viele im Osten keineswegs das/die Normaljahre in denen Alle zufrieden waren. Auf der westlichen Seite der Grenze des Kalten Krieges entstanden allerdings ab 1989 enorme neu Wachstumschancen, die die drohende Krise, in der wir jetzt stecken um 20 – 30 Jahre verschoben haben.

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    • Reinhard Seevers sagt

      Genau Thomas, der Westen war, ist und will immer der Maßstab für alles sein.
      Francis Fukuyama hat ja nach 1990 sein Buch “Das Ende der Geschichte” genannt, u.a
      weil die Demoratie und der Kapitalismus von ihm als einzig verbliebene Macht (er meinte natürlich auch die USA) ernannt wurde.
      Vor diesem Hintergrund hat sich Geld den Weg geebnet, geadelt von den westlichen Demokratien.
      Die westliche Werte- und Wirtschaftsorientierung muss sich als allerstes ändern, sonst tun es andere für uns.
      P.s: Der Selbstbetrug der Energiewende wird auch sichtbarer, psssssst, nicht weitersagen:
      https://www.bz-berlin.de/berlin/umland/auch-bei-tesla-laeuft-nichts-ohne-russen-gas

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      • Elisabeth Ertl sagt

        “Die westliche Werte- und Wirtschaftsorientierung muss sich als allerstes ändern, sonst tun es andere für uns.”
        Ja, ein entscheidender Satz! Es steht keineswegs die ganze Welt hinter den Ukrainern. Putin hat hinter sich: China, Indien, Vietnam, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Brasilien, Argentinien, Panama, etc.
        Wenn wir nicht in der Welt Putins aufwachen wollen, lang bevor unsere Rüstung mit ihm gleichgezogen hat, dann müssen wir für den Frieden etwas Besseres zu bieten haben als den Neoliberalismus der letzten 30 Jahre.

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    • Elisabeth Ertl sagt

      Ja, das stimmt, dass 1989 nur für uns im Westen Normaljahr war. Aber es hätte für alle Normaljahr werden können, wenn der Westen auf Gorbatschow gehört hätte. Es ging uns so gut, dass wir eigentlich keine Wachstumschancen gebraucht haben. Nur unsere ungezügelte Gier hat euch das Normaljahr vermasselt.

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  14. Reinhard Seevers sagt

    Es wird schwierig, Bürger, Staaten, Agierende zu einer Veränderung zu bewegen. Ist man sich in der Ursachenanalyse evtl. weitgehend noch einige, wird es bei der Lösungssuche schon schwierig.
    Es gibt viele, die finden die Antwort auf komplexe Vorgänge in einfachen, vereinfachten Antworten.
    Europa ist gerade dabei sich zu spalten, heute ist eine wichtige Wahl in Frankreich.
    Evtl. betritt eine weitere Vereinfacherung die Bühne. Einer hat als Antwort auf die Komplexität bereits mit dem alten Lösungsmittel “Krieg” reagiert.
    Ich sehe kein Licht am Ende des Tunnels, wir sind nämlich gerade erst eingefahren.

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    • Obstbäuerin sagt

      Solange es innerhalb der Bevölkerung solch große Unterschiede gibt, die ja gewollt sind, wird es keine gemeinsamen Anstrengungen geben. Da ist die große Gruppe der Verwalter und Betreuer des Systems. Sie bekommen hohe Gehälter, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Weiterbildung auf Kosten des Steuerzahlers, kommen in den Genuss von Homeoffice usw. Im produktiven- und Dienstleistungsbereich sind die Löhne (mit Ausnahme einiger Branchen) wesentlich niedriger und zusätzliche Zahlungen eher nicht üblich. Das Geld reicht (bisher) bei den meisten für ein normales Leben und eine Urlaubsreise. In der immer größer werdende Gruppe, bei denen das Geld kaum für den normalen Alltag reicht, finden sich zunehmend Menschen aus Berufsgruppen, die früher zur zweiten Gruppe gehörten (Künstler, kleine Selbständige, Landwirte usw.) Je nachdem, wie sich die Lebensumstände weiter verschlechtern, wird sich der Unmut Bahn brechen aber die Gruppe der nicht Betroffenen wird diese Entwicklung nicht begrüßen. Das werden wir wohl demnächst erleben.

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  15. Arnold Krämer sagt

    Meine philosophischen Kenntnisse sind wirklich rudimentär. Aber: Braucht ein neues Weltbild nicht auch ein neues Menschenbild, weil es durch die kapitalistischen Exzesse erheblich deformiert wurde? Wenn ja, würde das die Aufgabe nicht noch schwieriger machen?

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    • Elisabeth Ertl sagt

      Ich bin auch keine Philosophin. Aber wenn man sich die Konzepte ansieht, die ich gestern aufgezählt habe, dann steht hinter jedem ein bestimmtes Menschenbild.

      Ich halte auch nichts von der Gemeinwohlökonomie des Christian Felber. Aber sie ist in Österreich so populär, dass man nicht umhin kommt, sich damit auseinander zu setzen.

      Mit seiner Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen und nach einer konkurrenzlosen Gesellschaft, die nur noch kooperiert, zieht Felber m. E. in alter marxistischer Manier ein unübergehbares Grundbedürfnis des Menschen nach bedingungsloser Liebe herunter in die Ebene des materiell-politisch-Ökonomischen, wo es doch nur auf geistiger Ebene befriedigt werden kann.

      C. G. Jung berichtet von seiner Erfahrung, dass alle im Alter von über 35 Jahren psychisch erkrankten Personen am spirituellen Nichtvollzug erkrankt sind. Da geht es um Defizite, die in einem Mangel an elterlicher Akzeptanz in frühester Kindheit wurzeln und nach Befriedigung durch einen geistigen Eltern-Archetypus drängen.

      Felbers Konzept kann nicht funktionieren, aber es lohnt sich doch, danach zu fragen, was es eigentlich ist, das weite Kreise der Bevölkerung für diese Ideen so empfänglich macht.
      Die neoliberale Arbeitswelt frustriert das menschliche Streben nach Sinn und nach Verwirklichung lohnender Ziele. Aber die Befreiung aus Fesseln gelingt immer nur mit Mut und Verzicht, wie uns die Ukrainer gerade vor Augen führen. Es gibt keinen Papa Staat, der einem das abnimmt.

      Was mich an Steiner fasziniert, das ist diese Analogie von Körper und sozialem Organismus. Das Gehirn-Nerven-Sinnes-System arbeitet durch Markscheiden abgeschottet und verbindet sich erst an den Nervenenden mit den Geweben. Wenn nicht, ist der Mensch schwer krank. Für das Atmungs-Blut-System gilt das Gleiche. Blutaustritt aus geplatzten Gefäßen ist lebensgefährlich, nur in den Kapillaren findet Austausch statt. Auch das Verdauungs-Stoffwechsel-Bewegungssystem arbeitet zunächst abgeschottet. Unverdaute Nahrung im Blut bedeutet Vergiftung, erst die aufgelösten Produkte nähren über die Lyphe. Nur wenn alles an seinem Platz bleibt, funktioniert der Gesamtorganismus.

      Im sozialen Organismus sprechen wir von Politik, Wirtschaft und Kultur, die nur zunächst streng voneinander abgegrenzt für einander fruchtbar werden können. Steiner ordnet ihnen die Ideale der französischen Revolution zu: Freiheit gibt es nur auf geistiger Ebene. Die Politik muss für Gleichheit sorgen, die Wirtschaft für Brüderlichkeit, indem einer für den anderen arbeitet.

      Und da kann man schön wahrnehmen, worin das gegenwärtige Durcheinander besteht. Die Freiheit ist als Neoliberalismus in die Wirtschaft ausgewandert und versteht sich dort als hemmungsloses Profitstreben. Die Brüderlichkeit lebt sich in der Politik aus im hemmungslosen EU-Lobbyismus und – besonders in Österreich – in schamlosem Nepotismus. Und die Gleichheit wird auf geistiger Ebene ausgeübt in Form ideologischer Meinungszwänge.

      Die Wirtschaft ist ihrem Wesen nach nicht frei, sondern gebunden an Verträge zwischen Produzent und Konsument. Gleichheit ist dort völlig fehl am Platz, weil jedes menschliche Talent und jeder Betrieb anders ist und seinen Weg finden muss, die Bedürfnisse optimal zu befriedigen. Aufgabe der Politik ist nur, für die Einhaltung der Verträge zu sorgen.

      Es ist eine Illusion zu glauben, dass Politik Freiheit vermitteln kann. Gesetze werden der Freiheit des Einzelnen immer Grenzen setzen. Demokratie kann nur dafür sorgen, dass diese Grenzen alle in gleichem Maße betreffen. Und dazu braucht es den Konflikt, das Reiben aneinander, bis die Mühlsteine aufeinander passen.

      Der Geist ist frei. Niemand kann ihm diese Freiheit nehmen, nicht einmal der Tod, den Viele dafür bereits auf sich genommen haben. Politik kann diese Freiheit nicht schaffen, sie kann ihr nur Rechnung tragen, indem sie sie gesetzlich anerkennt.

      Zusammenwirken tun diese drei Bereiche in jedem einzelnen Menschen. Das ist das Menschenbild.

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      • Inga sagt

        “Die Wirtschaft ist ihrem Wesen nach nicht frei, sondern gebunden an Verträge zwischen Produzent und Konsument. Gleichheit ist dort völlig fehl am Platz, weil jedes menschliche Talent und jeder Betrieb anders ist und seinen Weg finden muss, die Bedürfnisse optimal zu befriedigen. Aufgabe der Politik ist nur, für die Einhaltung der Verträge zu sorgen.”

        Und wo bleibt da die Ökologie?
        Die hat Wirtschaft eigentlich auch zu befolgen, wie der Rohstofflieferant oder Produzent, der am Anfang der Produktion steht.

        Die Freiheit jedes einzelnen besteht auch darin, die Umwelt und das Soziale zu achten, damit man darin weiter leben kann und das muß die ‘Wirtschaft auch berücksichtigen, finde ich.

        • Elisabeth Ertl sagt

          Also, ich kann da nicht das ganze Buch von Steinee “Die Dreigliederung des sozialen Organismus” in ein paar Sätzen zusammenfassen. Aber über Ökologie hat der Schöpfer der biodynamischen Landwirtschaft wahrlich sehr viel geschrieben.

    • Hans Gresshöner,Landwirt sagt

      Der Mensch ist emotional,egoistisch und aggressiv.
      Daraus ergaben und ergeben sich alle Entwicklungen.
      Daran wird sich nix ändern.

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      • Inga sagt

        Ja, ich weiß,
        aber wir sind doch zivilisiert!?!

        Seit wann ist das Thema zum Zeitgeist geworden?
        Was ist in der Zeit schon für Fortschritte erlangt worden?

        Eben mehr auf Fachleute hören, die sich damit tagtäglich auseinandersetzten und arbeiten.
        Hedonistische Gründe müssen hinten anstehen! Denn die kann man bei so einem ersten Problem nicht brauchen.

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