Bauer Willi
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Im Dialog: mit Herrn Ilchmann

In der Reihe „Im Dialog“ habe ich diesmal Kontakt zur AbL aufgenommen, über die ich nicht viel weiß. Wenn man nichts weiß, muss man fragen.  Herr Ilchmann hat mir Rede und Antwort gestanden.

Herr Ilchmann, können Sie sich unseren Lesern kurz vorstellen. Welche Position haben Sie bei der AbL und was machen Sie privat?

Bei der AbL Niedersachsen/Bremen bin ich Landesvorsitzender, 2014 wurde ich dann als stellvertretender Vorsitzender in den Bundesvorstand gewählt und habe dort Milch und Milchpolitik als Arbeitsschwerpunkt. Ich bin 54 Jahre alt und lebe und arbeite mit meiner Frau und zwei erwachsenen Söhnen  auf einem konventionellen Milchviehbetrieb in Rhauderfehn/Ostfriesland. Wir haben 60 Milchkühe auf 60 ha Landfläche, davon 25 ha Acker und 35 ha Grünland.

Herr Ilchmann, ich bin kein Mitglied der AbL. Erklären Sie mir bitte, warum ich das werden sollte.

Gerade Sie sollten AbL-Mitglied werden, denn Sie sind ein selbstständig und unabhängig denkender Bauer und engagieren sich für die Kommunikation zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft. Solche Leute gehören in die AbL! Für Sie hätte es den Vorteil, Mitglied einer Gemeinschaft zu sein, die konsequent die Interessen bäuerlicher Betriebe vertritt und sich dafür einsetzt, dass Bauernhöfe wie Ihrer eine gute Zukunftsperspektive im gesellschaftlichen Konsens haben.

In meiner persönlichen Wahrnehmung steht die AbL politisch den Grünen sehr nahe und vertritt mehr die ökologische Bewegung in der Landwirtschaft. Ist das ein falscher Eindruck?

Dass die AbL mit ihren Positionen für bäuerliche Betriebe bei vielen grünen PolitikerInnen gut ankommt, ist sicher richtig. Grundsätzlich suchen wir aber den Dialog mit allen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen. Mein Landesverband Niedersachsen hat zum Beispiel durchaus den Tierschutzplan von CDU-Landwirtschaftsminister Lindemann unterstützt, den sein grüner Nachfolger Meyer jetzt weiter umsetzt. Manchmal können wir durch unsere guten Kontakte zu den Grünen auch gegensteuern, wenn die Belange von Bäuerinnen und Bauern nicht genügend berücksichtigt werden. In der Tat  bewirtschaften  viele unserer Mitglieder Ökobetriebe, aber die Mehrzahl sind kleinere und mittlere konventionelle Höfe. Unser Hauptaugenmerk gilt immer dem Erhalt und der Förderung bäuerlicher Strukturen, ob bio oder konventionell. Ich persönlich bin der Meinung: Wenn viele konventionelle Betriebe  bäuerlichen und ökologischen Belangen mehr Beachtung schenken, also etwas weniger düngen, Tiere besser halten, Fruchtfolgen einhalten, dann bringt das ebenso viel, wie wenn einige Betriebe auf ökologische Bewirtschaftung umstellen. Insgesamt gibt es in der AbL eine sehr gute, befruchtende Zusammenarbeit zwischen ökologischen und konventionellen Bauern, gerade in der jetzigen Krise erfahren wir Konventionellen sehr viel Solidarität von ökologisch wirtschaftenden Kollegen.  

Liest man in Wikipedia nach, so steht dort, dass sich die AbL „als Opposition zum Deutschen Bauernverband versteht“. Ist das richtig und wo sehen Sie die drei größten Unterschiede?

Die AbL wurde vor nunmehr fast 40 Jahren von engagierten Bäuerinnen und Bauern, großenteils aus Kreisen der Landjugend, gegründet, und zwar in der Tat aus der Erkenntnis heraus, dass der alte Bauernverband die Interessen seiner bäuerlichen Mitglieder nicht konsequent und engagiert vertritt. Da haben wir auch schon einen wichtigen Unterschied: Im deutschen Bauernverband sind neben den Landesbauernverbänden auch eine Vielzahl von Institutionen des vor- und nachgelagerten Bereichs vertreten, bei denen etliche Funktionäre des Bauernverbandes Posten in Vorständen und Aufsichtsräten innehaben. Das führt zwangsläufig zu Interessenkonflikten. Deshalb ist es bei der AbL Vorstandsmitgliedern laut Satzung nur mit Ausnahmeerlaubnis der Mitgliederversammlung erlaubt, solche Posten bei abnehmenden oder zuliefernden Betrieben anzunehmen. Daraus ergibt sich ein zweiter wichtiger Unterschied: Der Bauernverband praktiziert nicht zuletzt auch durch die enge personelle Verzahnung mit Molkereien, Schlachtkonzernen und Futtermittelfirmen die „Partnerschaft in der Wertschöpfungskette“. Wenn es darauf ankommt, ordnet er die Interessen von Bauern denen der  Handelspartner unter. Die AbL dagegen setzt gezielt auf die Bündelung von Bauern vor und gegenüber von Molkereien, Schlachthöfen oder Zuckerfabriken, im Grunde ähnlich wie es bei Gewerkschaften der Fall ist, und unterstützt daher Ansätze wie beim BDM und teilweise auch bei der ISN. Und ein dritter Unterschied ist der Umgang mit gesellschaftlicher Kritik, die der Bauernverband gerne als unberechtigt darstellt und pauschal zurückweist. Dadurch besteht die Gefahr, dass weite Teile der Landwirtschaft vom Bauernverband mit  ins gesellschaftliche Abseits gezogen werden. Die AbL dagegen sucht gerade den Dialog und nach Möglichkeit auch die Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Gruppen wie dem Umwelt- und Tierschutz und der Entwicklungszusammenarbeit, weil wir hier mehr Chancen zur Unterstützung bäuerlicher Interessen sehen als bei der Agrarindustrie. Landwirtschaftspolitik ist heute Gesellschaftspolitik, und nur im Schulterschluss mit der Gesellschaft können wir unsere Betriebe erhalten und weiterentwickeln!

Die AbL war im Januar auf der Demo „Wir haben es satt“ vertreten. Gleichzeitig fand die Demo „Wir machen euch satt“ statt. Sehen Sie Ansatzpunkte für eine Annäherung?

Es gibt durchaus Kontakte zwischen den Organisatoren beider Demos, wir haben uns im Frühjahr 2015 zu einem ersten intensiven  Gedankenaustausch unter kirchlicher Moderation getroffen, der  konstruktiv verlief und auch manche Gemeinsamkeiten zutage förderte. Grundsätzlich ist ja der Ansatz der „Sattmacher“, die Gesellschaft zum fairen Dialog aufzufordern und sich gegen manchmal überzogene Reglementierungen zu wenden, nachvollziehbar.  Nichts anderes tut die AbL seit vielen Jahren, und die Demo „Wir haben es satt“ ist ja gerade vom Eintreten breiter gesellschaftlicher Kreise für eine bäuerliche Zukunftslandwirtschaft geprägt. Die jetzige Krise zeigt allerdings sehr deutlich, dass unser Hauptproblem nicht die Kritik aus der Gesellschaft ist, sondern die schwache Position von Bauern in einer Wertschöpfungskette, die immer noch auf Weltmarkteroberung ausgerichtet ist. Das ist ein Thema, das die Organisatoren von „Wir machen euch satt“ leider konsequent ausblenden.  Solange sie das tun, geht ihr – durchaus ehrenwertes – Engagement am Kern des Problems vorbei.

Herr Ilchmann, Sie sind Milchbauer. Die Erzeugerpreise für Milch sind derzeit katastrophal. Wer ist schuld? Sind es die Milchbauern, die zu viel produzieren, die Molkereien, die nicht richtig vermarkten, der LEH, der die Molkereien erpresst oder die Verbraucher, die nicht die richtige Milch kaufen? Oder ist es der DBV, der auf Export setzt und schließlich die Politik, die sich um alles nicht kümmert? Sie haben die Wahl.

An der jetzigen Situation tragen alle Gruppen und Verbände, die Sie genannt haben, ihren Teil an Verantwortung. Schuldzuweisungen helfen uns aber nicht weiter. Niemand bestreitet mehr, dass wir ein Mengenproblem haben. Deshalb müssen wir jetzt sofort die Milchmenge reduzieren. Die Politik hat den Weg dazu freigemacht durch die Beschlüsse der EU-Kommission und der Agrarministerkonferenz der Bundesländer. Wir können jetzt auf freiwilliger Basis mit Hilfe von Anreizen für Mengenvernunft die Produktion zurückfahren. Dafür sind molkerei- und sogar grenzübergreifende Absprachen erlaubt, die bisher vom Kartellrecht untersagt waren. Die meisten Milchbauern sind dazu bereit, nun müssen die Molkereien ihren Widerstand aufgeben und ihre Verantwortung für das Überleben ihrer Lieferanten wahrnehmen, allen voran die größte deutsche Molkerei, das Deutsche Milchkontor DMK. Auch Bundesminister Schmidt steht in der Pflicht, die AMK-Beschlüsse umzusetzen und seinerseits den politischen Druck auf die Molkereien zu erhöhen, nicht zuletzt durch weitere Beschlüsse auf EU-Ebene. Wer sich immer noch einer Reduzierung der Milchmenge verweigert, nimmt das Aus von Tausenden bäuerlichen Milchviehbetrieben in Kauf!

Lieber Herr Ilchmann, vielen Dank für das Gespräch.

Bauer Willi

 

 

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35 Kommentare

  1. Andreas sagt

    Lieber Ottmar, ich kann auf Deinem Kommentar unten nicht direkt anworten und bin jetzt hier oben gelandet. Es geht um das Kupieren von Ferkelschwänzen wo ich Dich gebeten habe als freier und von Ecki unabhängiger Bauer für sachliche Lösungen zu werben. Leider war Deine Antwort fast wortgleich die Gleiche, die ich mit Diskussionen mit Ecki schon gelesen habe. Ich habe Dir gesagt, dass ich das nicht aushalte.
    Begründung:
    Du stehst oben vor enthornten Kühen und sagst Schweinemästern, dass die EU das Kupieren eh verbieten wird. Ist es nicht kollegialer bei Schweine die gleichen Maßstäbe anzulegen wie sie bei Deinen Kühen richtig sind? Was ist das für eine Gangart Berufskollegen so in die Fresse zu hauen?
    Man kann nur entweder Tierwohlaspekte diskutieren oder EU Probleme. Das sind zwei Ebenen. Diese Ringelschwanzversuche bedeuten immer Tierleid, weil ein Schwein mit 30kg mehr leidet als ein Saugferkel was unter Schmerzmittel (wie Deine Kälber) kupiert wird. Das ist der Ausgangspunkt, und die EU ist mächtig, wird aber nicht gegen Tierwohl arbeiten.

    Du hättest hier die Chance auf eine faire Diskussion unter Kollegen und Verbrauchern gehabt. Leider ist Dir ein radikaler „Endsieg“ über die Massentierhaltung wichtiger und deshalb sagte ich, dass ich raus bin.

    Schade!

    Hoffen wir auf Zuchterfolge und Wissenschaft

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  2. Friedrich sagt

    Der ABL ist nicht größer mit seinen rd. 2000 Mitgliedern als die Mitgliederzahl einiger
    Landkreise im DBV. Z.Zt. sind die ABL-Leute eher im Mainstream der Zeit , als der DBV.
    Bei beiden Vereinigungen ist die Nähe zu den spez. Parteien zu sehen. Das ist grundsätzlich nicht gut. Die ABL-Mitglieder , die ich kenne, sind eher Sektierer und Einzelgänger.Bevor
    ich in den DBV eingetreten bin, habe ich auch die Mitgliedschaft im ABL erwogen. Durch
    die vielen Ökobetriebe dort , konnte ich mich nicht dafür begeistern und wie sollte der ABL
    mich als konv. Betrieb auch vertreten. Heute bin sehr zufrieden mit meiner Entscheidung.
    Auch wenn der Markt und die allgemeine Stimmung z.Zt. gegen uns ist, wird das nicht immer so sein. Erste Lichtblicke , wie z.B. der Artikel in der „Welt am Sonntag“, lassen mich
    mittelfristig positiv nach vorne schauen. Auch werden nicht immer soviel „Grüne“
    Landwirtschaftsminister wie jetzt in den Bundesländern aktiv sein. Auch dort wird
    irgendwann „Fähigkeit “ vor „Ideologie“kommen.Auch hier bei Willi und Alois wird
    kräftig für die Zukunft aufgeklärt. Das wird nachhaltig Wirkung zeigen und wenn die
    Märkte wieder im Gleichklang sind , werden wir vieles vergessen haben.

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  3. Palla sagt

    Herr Ilchmann,
    ein landwirtschaftlicher Betrieb im Vollerwerb existiert vor allem deswegen, weil er mit dem Betrieb seinen Lebensunterhalt finanzieren will. Wenn man die von der ABL gewünschten Betriebe erhalten und fördern will, stellt sich die Frage woher die pro Betrieb notwendigen mehreren zehntausend Euro pro Jahr kommen sollen. Wer soll das auf Dauer finanzieren?
    Und vor allem wer erhält im Zweifel das Geld? Wird dann der Betrieb finanziell gestraft, der effizent arbeitet? Kriegt dann der Betrieb das Geld der besonders umständlich und rund um die Uhr arbeitet und bei dem die Kühe beispielsweise 7 Monate im Jahr angebunden im Stall stehen? Spielt die Anzahl an Tieren, die Größe der Traktoren oder die Frage ob ein oder gar mehrere Mitarbeiter da sind eine Rolle und wenn ja, wer bestimmt wo die Grenze ist?
    Wo wird eigentlich die Eigeninitative in der Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe selbst von der ABL gefordert? Oder gehts nur um ein konservieren?

    Nur um das klar zu stellen: Ich habe auch keine Patentlösung und ich bin froh, dass es auch noch andere Organisationen neben dem Bauernverband gibt. Aber ich würde mir wünschen, dass die Konzepte viel deutlicher definiert und in den Vordergrund gestellt werden. Diese ganzen von der ABL mit angeführten Hetzkampagnen gegen andere Organisationen und vor allem gegen landwirtschaftliche Bauprojekte sind unerträglich und machen kein gutes Bild in der Öffentlichkeit!

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    • Ottmar Ilchmann sagt

      Liebe Palla,
      danke für die Rückmeldung.
      Ich habe Ihren Bericht über das Ende Ihrer Milchviehhaltung gelesen und bedauert, dass Sie aufgehört haben. Für Sie persönlich mag es die richtige Entscheidung gewesen sein, aber die Dörfer werden mit jedem aussteigenden Betrieb insgesamt ärmer. Es ist richtig, die AbL möchte soviele bäuerliche Betriebe wie möglich erhalten, aber wer sagt denn, dass diese ineffizient und altmodisch sein sollen? Ich weiß nicht, woher sie es nehmen, dass wir uns dem technischen Fortschritt verweigern. Jeder Betrieb muss natürlich seine Hausaufgabe machen und die Produktion im Griff haben. Das muss aber nicht immer mit den üblichen Rezepten von Beratung und Ausbildung geschehen, man kann auch Qualitätsschienen besetzen und abseits vom Wachsen oder Weichen sehr erfolgreich einen Betrieb führen. Sehr viele AbL-Mitglieder praktizieren das seit langem, nicht zuletzt im Biobereich. Gleichzeitig muss man aber auch Strukturen in den Blick nehmen, die das Wirtschaften für alle Bauernhöfe, ob groß oder klein, erschweren oder wie jetzt aktuell im Milchsektor unöglich machen. Dazu gehört eben z.B. das extreme Ungleichgewicht der Marktmacht von Milchbauern und Molkereien. Bei 20 Cent kann niemand bestehen, und hier müssen wir politisch aktiv werden und für andere Rahmenbedingungen streiten! Dazu gehört ausdrücklich auch ein Verhindern von agrarindustriellen Strukturen in der Tierhaltung, die mit ihrer Produktionsmenge einen Preisverfall auslösen und den Verdrängungswettbewerb unter Bauern anheizen. Da geht es nicht um Hetzkampagnen, sondern um die Einhaltung rechtlicher Vorgaben und eine legitime Vertretung eigener Interessen.

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      • Palla sagt

        Herr Ilchmann,

        es liegt mir fern Vorurteile zu schüren!
        Die Aufgabe unserer Milchviehhaltung war unsere ganz individuelle Entscheidung und hat ermöglicht, dass unser Familienbetrieb weiter bestehen kann.
        Ich finde es durchaus erstrebenswert eine Familienbetrieb zu führen und es ist bitter notwendig die Strukuren, die einem das Leben erschweren in den Blick zu nehmen. Wir haben aber in Deutschland durchaus auch grundsätzlich verschiedene Strukturen. Wollen Sie nun etwa die Großbetriebe im Osten Deutschlands zerschlagen?

        Was der AbL fehlt ist ein klares Leitbild vom bäuerlichen Familienbetrieb, oder gibt es das und ich habe es übersehen? Es kann ja nicht sein, dass die Familienbetriebe, die vor lauter Arbeitsbelastung und geringem Einkommen kaum über die Runden kommen ohne Flächen zu verkaufen, wo keine Freizeit da ist, kein Geld um den Hof zu richten, keine Energie mehr um aufzuräumen, wo enge und stickige Tierhaltungsbedinungen herrschen usw. als Vorbild herhalten sollen.

        Es gibt übrigens auch bäuerliche Familienbetriebe, die z.B. aus steuerlichen Gründen auch mehrere gewerbliche Betriebsbereiche haben. Was ist mit denen?

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          • Alois Wohlfahrt sagt

            Hallo Herr Ilchmann,
            das jahrzehnte lange Problem der Agrarpolitik ist es in der Tat etwas schützen zu wollen, das nie definiert wurde. Der Österreichische Zukunftsforscher Prof. Johann Millendorfer hat 1991 Bäuerlichkeit als eine Geisteshaltung definiert, die es, zum Vorteil der ganzen Gesellschaft, unbedingt zu erhalten und zu fördern gelte. Er hat dazu die LILA Prinzipien formuliert:
            L ebensbereich vor Produktionsbereich in der Gesellschaft
            I mmaterielle Faktoren vor materiellen Faktoren in der Wirtschaft
            L angfristigkeit und Ganzheitlichkeit in den Werten und Zielen
            A lternative Sanftheit im Umgang mit der Welt
            Und die Bäuerlichkeit, so sagte Millendorfer, trage diese Prinzipien seit Jahrhunderten weiter.
            Geholfen hat das allerdings nichts. Das Leitbild der Landwirtschaft ist der effiziente Landwirt geworden, der massenhaft und billig Lebensmittelrohstoffe für die verarbeitende Industrie und den Weltmarkt herstellt. Da die massenhafte Produktion so erfolgreich ist, kann der Landwirt auch immer unter Preisdruck ausgetauscht werden. Und diese Marktprinzipien gelten sogar bei Bio-Produkten, wenn der Handel dann halt die billigeren Bio-Kartoffeln aus Israel oder Ägypten bezieht.
            Wir sehen also, das Schicksal der Landwirtschaft entscheidet sich im Markt, wo es keine gerechten Preise gibt, sondern nur einen Preis den man durchsetzen kann – oder eben nicht.
            Darum brauchen die Bauern starke bäuerliche Erzeugermarken wenn sie überleben wollen (siehe Berchtesgadener Milch). Aber das Thema wollen die Meisten nicht angehen, weil es zu schwierig scheint. Da ist es doch viel leichter die Politik für schuldig zu erklären und ideologische Forderungen aufzustellen.
            Grüße aus dem Oberallgäu
            Alois

            • Ottmar Ilchmann sagt

              Hallo Herr Wohlfahrt,
              an dem was Sie zur erfolgreichen Produktion sagen, ist was dran. Der Milchmarkt ist im Moment das beste Beispiel. Wer hätte die Produktionssteigerungen nach dem Wegfall der Quote für möglich gehalten! Jetzt sind wir so effizient, dass wir uns selbst in anderthalb Jahren unseren Markt kaputtgemolken haben. Eine Gegenstrategie ist hier sicherlich der Aufbau starker Marken, den gerade unsere großen Genossenschaftsmolkereien im Norden versäumt haben. Da ist die AbL immer mit dabei, siehe Upländer Bauernmolkerei, siehe Neuland – da gab es auch Höhen und Tiefen, aber beide Projekte haben sich seit Jahrzehnten im Markt behauptet. Auch ein kleiner Betrieb mit Direktvermaktung und guter Kundenbindung ist im Grunde eine Marke. Wichtig ist uns, dass diese Marken in bäuerlicher Hand bleiben. Müllermilch ist auch eine starke Marke, aber davon profitieren nicht unbedingt die Bauern. Aber dennoch darf man auch die politische Dimension nicht außer acht lassen. Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, die die Marktteilnahme von Bauern erst ermöglichen. Das hat weniger mit Ideologie zu tun als mit konsequenter Interessenvertretung. Heute gab es eine Meldung, dass die Politik sich die Lieferbedingungen bei Genossenschaftsmolkereien vornehmen will, konkret geht es um Andien- und Abnahmepflicht und die langen Kündigungszeiten. Dieses dicke Brett bohrt die AbL seit vielen Jahren, gemeinsam mit anderen Verbänden wie BDM und Milchboard, und anscheinend könnte die jetzige Krise hier bei Politikern einen Erkenntnisprozess ausgelöst haben. Hätten engagierte Bauernvertreter dieses Thema nicht immer wieder angesprochen, würde sich hier gar nichts bewegen!

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        • Ottmar Ilchmann sagt

          Hallo Bernhard,
          vielen Dank für den link, den Comic kenne ich bereits!
          Wenn die bäuerlichen Betriebe sich nicht klar von der Agrarindustrie absetzen, werden sie mit dieser gemeinsam ins gesellschaftliche Abseits geraten. Durch überzogenes Wachstum Einzelner kommt es zur Überproduktion und zum Preisverfall, damit einher geht die Verdrängung eigentlich gut aufgestellter, solider Betriebe. Die jetzige Milchkrise ist das beste Beispiel dafür. Ohne das Anheizen der Produktion durch eine völlig verfehlte Stallbauförderung hätten wir das Mengenproblem gar nicht in dem Ausmaß. Die Ängste brauche ich nicht zu schüren, die sind da, es sind Existenzängste, für die Milchbauern geht es ums nackte Überleben.
          Viel lieber als über diesen Comic würde ich mit dir aber über Mengen, Preise und die Stellung der Bauern in der Wertschöpfungskette diskutieren. Dazu habe ich im Interview ja einiges gesagt, auch an die Adresse von WMES.

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  4. Ina sagt

    Man hat den Kohlebergbau, die Textil- und die dt. Stahlindustrie „über die Klinge“ springen lassen, weil sie nicht zu Weltmarktbedingungen erzeugen konnten. Genau das wird mit der Dt. Landwirtschaft auch passieren. Schon mal jemandem aufgefallen, dass sich Kollegen aus dem Geflügelsektor kaum an den Diskussionen hier beteiligen. Die sind durch ein Tal der Tränen gegangen und dasselbe steht den anderen Tierarten noch bevor ….

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    • bauerhans sagt

      die verbliebenen eiererzeuger profitieren von den 50% selbstversorgung bei uns und die geflügelfleischerzeuger sind so stramm organisiert,dass angebot und nachfrage nahezu ausgeglichen sind.

  5. RR sagt

    Die Landwirte in den Gremien der LuF wurden gewählt um die Existenz des Unternehmens zu erhalten bzw. zu fördern und damit natürlich auch den Mitgliedern in 2.Linie! dient . (Siehe Jahresergebnis Campina-Friesland)

  6. RR sagt

    Ja, da ist der Herr Ilchmann gut davon gekommen.
    Der Name „Bauer“ Willi ist bewusst gewählt, ich halte es mit dem Begriff: „An Ihren Taten bzw. an Ihren Worten werdet Ihr sie erkennen .!
    Dipl. Kaufmann bzw. Geschäftsführer wäre doch auch eine passende Beschreibung gewesen ? „Bauer Willi“ vertritt natürlich, die konsequente marktwirtschaftliche Sichtweise, anders hätte er seinen Hauptberuf auch nicht ausüben können.
    Jetzt wo die Schwächen unser Wirtschaftsordnung für die Landwirtschaft mal wieder überdeutlich geworden sind, wird wieder ein bisschen Heilsalbe aufgetragen.
    Die optimierten Betriebe sind derzeit die Gelackmeierten, die haben die DÜV sowie die Kapitaldienstgrenze u.A optimal berechnet, den Worst Case konnte man da nicht gebrauchen.
    Es gibt ja immer noch den Staat! ,und die Landwirtschaft ist tatsächlich „alternativlos“

    • Bauer Willi sagt

      Falsch. Bin kein Diplom-Kaufmann, sondern Agrarwissenschaftler. Bitte nennen Sie mir eine alternative Wirtschaftsordnung. Eine, die nicht gescheitert ist. Vielen Dank.
      Bauer Willi

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      • RR sagt

        Für die Landwirtschaft gab es mal eine ! Das war vor unserer Zeit.!
        Es gab auch keinen Grund bis zum Übergang auf den Weltmarkt darüber nachzudenken, es zu praktizieren schon mal gar nicht.
        Für die Bevölkerung ist es so billiger auf Kosten von wem ?
        Ich wollte Ihnen beileibe nicht auf den Schlips treten, aber Bauer Willi kommt ein bisschen so rüber wie „Gut Pormholz“.

        der Begriff Bauer ist deutlich besser besetzt als z. B landw. Unternehmer.!

  7. Andreas sagt

    Ein sehr interessanter Beitrag. Besonders dann, wenn man selbst die AbL intensiv kennen gelernt hat mit den vielen Facetten. Natürlich stellt Herr Ilchmann die AbL positiv dar, wie ein Funktionär des Bauernverbandes das mit dem BV machen würde. Die Wahrheit ist da immer mühsam zu ermitteln.

    Es ist richtig, dass echte Bauern wie Herr Ilchmann in der AbL als Mitglied verzeichnet sind. Aber auf der bescheidenden Mitgliederliste, von schätzungsweise 2000 im Bundesgebiet, sind auch viele echte Feinde konventioneller Landwirtschaft. So gab es vermutlich den Vorfall im Münsterland, dass lt. Zeitungsberichten ein AbL „Scheinbauer“ am Tag 1 nach der Sikkation (Glyphosat) eines Gerstenschlages eines anderen Bauern, von dem Herrn eine Probe vom Feld entnommen hat und bei der LUFA Münster untersucht wurde. Die AbL schaltete eine Presseerklärung und fügte das LUFA Ergebnis bei. Ich denke, das war ein fieser Fake. Ich bin grundsätzlich gegen die Sikkation von Getreide. Aber ein Verbot sollte man mit fairen Mitteln herbeiführen.

    Dies nur ein Beispiel dafür, wie effizient die AbL Medien benutzt. Ich weiß nicht wie das Interview mit Herrn Ilchmann geführt wurde. Wenn es nicht persönlich geführt wurde sonder per mail, könnte hinter den Worten des Milchbauern auch Ecki (Herr Niemann) stecken. Die arbeiten eng zusammen. Herr Niemann ist bekannt dafür einen harten Kurs zu fahren. Er sagt zwar immer, dass er für den Familienbetrieb kämpft, aber so einfach ist die Abgrenzung zum industriellen Tierhalter nicht und es gibt dann mal Kollateralschäden an Familienbetriebe. Er unterstützt Netzwerke, die das Ziel haben die moderne Tierhaltung zu eliminieren.

    Ich bleibe da als kleiner Schweinemäster ohne verbandliche Heimat als Einzelkämpfer über, zwischen einer viel zu extremen AbL und dem „Wachse und Weiche“ anderer Organisationen. Ich halte andere Splittergruppierungen wie die FDL (Frag den Landwirt) für weitaus gefährlicher, weil die gezielt kleine Bauern bekämpfen mit ebenso unsauberen Mitteln.

    Es gibt nur die Lösung, sich im Bauernverband auf Ortsebene zu engagieren und so für Druck und Fairness zu sorgen. So unterschiedlich ist die Mehrheit nicht und man darf Splittergruppen wie AbL und FdL das Feld nicht überlassen. Die FdL ist – anders als die AbL – völlig undemokratisch und es hat dort nicht einmal eine Wahl gegeben. Lügen können vermutlich beide Gruppen.

      • Andreas sagt

        Ich finde es gut, dass mit allen gesprochen wird, wie Du das gemacht hast.

    • Ottmar Ilchmann sagt

      Lieber Andreas,
      die Fragen habe ich schon selbst beantwortet!
      Die Zusammenarbeit in der AbL funktioniert gut, aber es kann jeder für sich selbst sprechen.

      • Andreas sagt

        Lieber Ottmar, dann wäre ich Dir dankbar dafür zu Sorgen, das Thema Kupierverbot Schwänze bei Ferkeln sachlicher und besonnener anzugehen und auf innovative Entwicklungen zu warten. Wie ich sehe, sind Deine Kühe auch enthornt und das ist beides vertretbar.

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        • Ottmar Ilchmann sagt

          Es gibt ja im Biobereich und bei Neuland Beispiele, wie die Haltung von Schweinen mit intaktem Ringelschwanz funktionieren kann. In Niedersachsen haben wir jetzt die Ringelschwanzprämie, die es Kollegen erlaubt, in die Richtung was auszuprobieren, alles mit wissenschaftlicher Begleitung und tierärztlicher Beratung. Also nicht auf innovative Entwicklungen warten, sondern sie vorantreiben! Das erfordert aber im Regelfall eine andere Haltungsform. Auf Dauer kommen wir um die Umsetzung gültigen EU-Rechts nicht herum!

          • Andreas sagt

            Ich muss die Diskussion mit Ottmar Eckehard Ilchmann abbrechen. Hält man als Schweinemäster nicht aus. Nur das Wildschwein im Wald ist die einzige Haltungsform die Langschwänze toleriert ohne Qualen zu verursachen.

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            • Sabine sagt

              Hmmm… also ganz dunkel erinnere ich mich an Versuche der Biologen …. ich meine es war irgendwo in der Schweiz… die haben, als ich Studi war, schon Versuche mit alternativen Stalleinrichtungen für Schweinemast und -zucht gemacht. Da ging es darum Ställe so zu gestalten, dass auch ohne Sauenstand gearbeitet werden kann und die Schwänze waren auch ein Thema. Das ist jetzt schon ein viertel Jahrhundert her, da muss doch was passiert sein.

          • Ludger Gerding sagt

            Herr Illman, ich halte das Ferkelkopierverbot für staatlich geforderte und geförderte Tierquälerei. Sie haben es richtig ausgedrückt, das Halten von Schweinen mit langen Schwänzen kann funktionieren, es funktioniert aber eben nicht immer und dann kommt es eben zu massiver Tierquälerei. Wenn dann gesagt wird, man kann mit Tierqualen eine Haltungsform einfach einmal ausprobieren, halte ich das für schlimm. Ich weis nicht in wie weit Sie sich als Kuhbauer in der Schweinehaltung auskennen, ich kann ihnen aber versichern, dass die Wunde und der Schmerz, die am 3. Tag beim einziehen der Ohrmarke entsteht, größer ist als die Wunde und der Schmerz am Schwänzchen das am gleichen Tag kopiert wird.

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            • Ottmar Ilchmann sagt

              Ich bin tatsächlich nicht der Schweineexperte! Vielleicht kann sich her mal jemand in die Diskussion einbringen, der die Schweinehaltung mit unkupierten Schwänzen selbst praktiziert. Wie gesagt, es gibt ja Produktionsformen, wo das seit vielen Jahren vorgeschrieben ist.

              • Schweinebauer Piet sagt

                Andreas hat es schon gut ausgeführt. Wenn wir Ferkel bekommen, wo ein Schwanz etwas zu lang ist, knabbern die anderen dran rum. Das ist bei jeder Haltungsform so.

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  8. Ehrlicher sagt

    Ganz so einfach wie Herr Ilchmann die Dinge erklärt sind sie aber nun mal nicht. Die AbL ist auch Herausgeber des „Kritischen Agrarberichtes“ und bei der Demo „Wir haben es satt“ laufen viele Gruppen mit, die eindeutig der Landwirtschaft und vor allem der Tierhaltung negativ gegenüber stehen, wie auch Texte im kritischen Agarabericht. Die
    und ihre Anhänger können auch nicht beantworten, ob technischer Fortschritt böse ist. Hinzukommt, dass technischer Fortschritt oft nur bei Mindestgrößen des Betriebes umsetzbar sind und daher oft mit Größenwachstum verbunden werden muss. Wer sich diesem verweigert kann an modernen Entwicklungen nur begrenzt teilnehmen. Auch internationale Zusammenhänge werden vom AbL nicht beachtet. Milchmengenreduzierungen machen doch nur EU-weit Sinn und in Verbindung mit Außenschutz, sonst kann man sich preislich nicht vom Weltmarkt abkoppeln. Einfache Wahrheiten sind zwar leicht nach zu vollziehen, helfen aber in der heutigen komplexen Welt nicht weiter.

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