Bauer Willi
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EinBlick in eine Seele

Maria ist Österreicherin, die jetzt in der Schweiz lebt. Sie wollte was von mir wissen, ich habe ihr geantwortet. Sie hat sich bedankt. Was dann aber noch zurückkam, war dieser Brief. Er hat mich sehr bewegt, weil er einen tiefen Einblick in ihre bäuerliche Jugend gibt.

Lieber Bauer Willi

Mein zuhause war ein kleiner Milch- und Kartoffelbauernhof, in der Sonnenstube Österreichs, in Tirol. In den Stall durfte und darf auch heute nur Tiroler Braunvieh. Komme von einem für deine Verhältnisse sicher sehr winzigen Bauernhof: 2 Almen, jede Menge Wald, 1 Jagd, ca. 30 ha Wiesen, Äcker. 30 Rinder, 1 Bulle, 10 Schweine, 5 Enten, 50 Hühnern, 10 Truten, 3 Katzen, 1 Jagdhund, Eltern, 5 Kinder 😀 (am meisten Arbeit machten WIRKLICH  die Eltern)

Habe ab meinem zwölften Lebensjahr  bis ich zwanzig war, jedes Ferkel in unserem Stall persönlich zur Welt gebracht. Wir hatten zwar immer nur 10 Schweine aber immerhin: auch Kleinvieh macht Mist. Es war mein Lieblingsjob. Nachdem ich das erste Ferkel sah, das erstickte wegen der Nabelschnur um den Hals, konnte es mein Kinderherz nicht mehr anderes handhaben. Da mein Papa immer genau wusste wann eine Sau ferkelte, sprachen wir auch darüber. Ich bin dann immer heimlich mit meinem Bettzeug, unserem Jagdhund und den 3 Katzen in den Stall in die Schweinebox gezogen. Was hat meine Mama immer geschumpfen und gemotzt: das Kind nicht im Bett, das Bettzeug, Hund und Katz nicht auffindbar. Alle zusammen geschlossen in der Mutterschweinebox, oder irgendwo unter oder zwischen den Kühen. Das Bettzeug war fast nicht trocken zu kriegen, da es ständig komplett gewaschen werden musste.

pigs-87606_640Habe in 9 Jahren Hunderte Ferkel abgenabelt, Mund zu Mund Beatmung gemacht, und, wenn nötig, Herzmassage, eiskaltes Eiswasser, im Winter Schnee. Ich war da sehr erfinderisch. Hatte immer Glück und habe jedes blaue Ferkel wieder zum Luftschnappen gebracht. Alle haben überlebt, in 9 Jahren kein einziges totes Ferkel. Oft brachten unsere Muttersäue 14-18 Ferkel zur Welt. Da die Schwächsten nie genug bis gar nichts zu trinken bekamen, durften die dann in einem Karton mit mir quasi ins Bett, wo ich Sie dann mit der Flasche gross zog 😉 Mama hatte Ihre wahre Freude mit meinem Schweinestall im Zimmer.
Ich hatte aber einen super Verdienst. Von jedem Ferkel, das ich von Hand aufzog oder dem ich das Leben rettete, bekam ich den Verkaufspreis von meinem Papa auf mein Sparbuch eingezahlt. Papa war der Meinung, ohne mich hätten es die Ferkel, die so schwach waren, nicht geschafft.

Das war in den 80iger Jahren. Für 800.- Schilling, das waren ca. 120 DM, wurden die Ferkel verkauft. Im Alter zwischen 6 und 8 Wochen, wenn ich es noch richtig im Kopf habe. Deshalb regt mich das auf, das es heute, mehr als 30 Jahre später, weniger dafür gibt!

Unsere Milchkühe waren auch meine Lieblinge. Damals hatten sie noch Hörner, wir Kinder waren immer im Stall und spazierten, sobald wir laufen konnten, beim Melken unter den Kühen durch. Wir waren immer mit unseren Eltern im Stall und nie ist etwas passiert.
Ab einem gewissen Alter mussten wir Kühe hüten auf den Weiden. Das hat uns immer Spass gemacht (konnten wir unseren Eltern aber nie sagen. Bei denen haben wir immer nur gemault: nicht schon wieder, warum immer ich etc. etc.)

Bei uns holte das ganze Dorf am Abend immer Milch und was ich so seltsam finde: damals bekam mein Papa schon umgerechnet ca  7.- Schilling pro Liter. Das waren damals  schon mehr als 1.- DM.

Unseren Sommer verbrachten wir immer auf dem Kartoffelacker, irgendwie mussten die Knollen ja aus der Erde. Papa verkaufte die Kartoffeln an umliegende Gasthöfe und Schulen oder ab Hof. Er bekam damals pro kg Kartoffeln 8.- Schilling. Das war damals auch schon einiges über 1 DM. Da stellen sich mir die Haare heute zu Berge, wenn man sieht was die Bauern heute bekommen für Ihre Arbeit! Nix, am liebsten hätten die Discounter alles für lau.

Bei uns zu Hause gab es nie Rind oder Kalbsfleisch, (nur die Schweine, Hähnchen und Putenfleisch zum Essen) Stand gar nie zur Diskussion, keiner von uns wäre auf die Idee gekommen, unsere Kühe oder Kälber zu essen. Keine Ahnung warum.

Ich könnte mir ein Leben ohne Milchprodukte oder auch gutes Fleisch direkt vom Bauern hier in Zürich gar nicht vorstellen. Die Milch hole ich auch jeden Tag beim Bauern direkt vom Stall, obwohl er auch eine Milchtankstelle hat (Geld einwerfen, Flasche unterstellen und dann kommt 1 Liter Milch raus) Du wirst staunen: der Bauer bekommt 2 Euro für den Liter Milch, direkt ab Hof, unbehandelt

Habe dir hier einen Link, von einem Portal wo die Bauern ihre Produkte direkt vermarkten.
Du wirst über die Preise staunen.

https://www.farmy.ch/markt/milchprodukte-eier/milch

Es gibt so viele Hofläden gibt es in der Schweiz. Und die Schweiz ist winzig, sie passt von der Fläche her sicher komplett ins Bundesland Bayern. Hier auch ein Link dazu:

https://www.schweizerbauer.ch/service/hofladen-11372.html

Uff, Bauer Willi, du siehst, mir fällt es sehr schwer, mich kurz zu fassen oder endlich auf den Punkt zu kommen. Nun werde ich mir mal ganz intensiv das durchlesen, was du mir geschickt hast. Ich wollte Dir nur vorher kurz Antwort geben *vor allem kurz* 😉

Liebe Grüsse

„Bäuerin“ Maria

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14 Kommentare

  1. Heike Müller sagt

    Wenn man in einem der ärmsten Landkreise Deutschlands lebt, ist die Direktvermarktung keine Alternative.
    Ich weiß auch nicht, ob ich wollen würde, dass meine Kinder die Ferkel mit in die Wohnung nehmen.
    Wer redet über die Arbeitsfalle, in der diese idyllischen Betriebe stecken? Vor allem auch die Frauen in diesen Betrieben?
    In einer Gesellschaft, in der geregelte freie Tage selbstverständlich sind und Küche und WC bitte klinisch rein zu sein haben, möchte man Bauernhöfe, die wie vor 50 Jahren funktionieren. Die sozialen Aspekte für die Bauernfamilie bleiben dabei außen vor, Mindestlohn und Arbeitszeiten inclusive.

  2. Schweinebauer Piet sagt

    Auf einem Traumbauernhof wohne ich! Großer Schweinemaststall im Ausenbereich, am Hof den Ferkelstall und die Flächen weitestgehend um den Hof.

    Freunde aus Stadt und Land finden es hier schön und wir auch!

    Ich hoffe das können die meisten von sich behaupten!

    • Schweinebauer Piet sagt

      Mein Bruder zum Beispiel kommt immer gerne. Er grillt dann mit uns und schaut über das Feld und trinkt ein Bier. Gerne kommt auch mein Onkel. Trecker mit Lenksystem fahren sie gerne und Stallwaschen macht immer ein Student.
      Immer wollen die Besucher durch das Fenster in den Ferkelstall schauen. Leider geht das Beim Maststall nicht. Aber da hab ich Videos.

      • bauerhans sagt

        und Stallwaschen macht immer ein Student.

        kannste mir den mal vorbei schicken,damit der bei mir auch “studieren” kann…..

  3. Die exakte Beschreibung eines Bauernhofs, wie sich der deutsche Verbraucher ihn vorstellt bzw. vorstellen möchte.
    Heute prallen idealistische, nostalgische Traumwelten auf knallharte Realitäten. Diese riesengroße Diskrepanz müssen wir (Bauern) überwinden und den Leuten immer und immer wieder unsere Arbeit erklären und vorstellen.
    Einen Weg zurück gibt es nicht…

    • Alois Wohlfahrt sagt

      Hallo Bernhard, es gibt diese kleinen, traumhaften Bauernhöfe nach wie vor. Bei uns im Allgäu, in der Schweiz, in Südtirol. Aber immer in Verbindung mit dem Tourismus. Das ist aber vollkommen OK. Denn dann kommt der Hauptertrag aus diesem Bereich und die Familien haben ein gutes Einkommen. Was diese Bauern absolut richtig machen, ist, dass sie einfach ihr Ding machen. Sie brauchen keine staatliche Beratung, keinen Verband, und keinen Weltmarkt. Ich finde das schön.
      Alois

      • Andreas Fendt sagt

        Alois, gerade in der Schweiz stimmt das mit “IMMER in Verbindung mit Tourismus nicht”, die haben durch die Frankenaufwertung recht grosse Einbussen, das kann sich kein Europäer mehr leisten, siehe Milchpreise, die Maria verlinkt hat.
        Und es soll auch im Südschwarzwald einen kleinen Hof geben, der ohne Touristen leben kann 🙂
        Und warum betonst Du das immer mit den Verbänden, es gibt ja auch Vorteile. Z.B. haben wir über die Bioverbände eine eigene Warenbörse zum Austausch von Ernte/Saatgut/Maschinen, das geht dann direkt ohne “Landhandel” von Bauer zu Bauer und das finde ich sehr gut.
        So, heute ist der letzte heisse Sommertag und ich fahr jetzt mit dem Roller als Tourist in die Schweiz, zum baden ins mondäne Zürich 🙂
        Urlaubsgrüsse (immerhin 1/2 Tag) von Biobauer Andreas

      • Servus Alois,
        ich bin auch so ein Bauer, der von Milchwirtschaft, allerdings Bio, und Tourismus lebt. Ich kann und will mich über den momentanen Bio Milchpreis nicht beschweren. Allerdings habe ich ein Mitgefühl für meine konventionellen Kollegen – die leiden zur Zeit große finanzielle Not.
        Ich bin der festen Meinung dass sich beide Standbeine rentieren müssen. Ich habe den Beruf Landwirt gelernt und von dem sollte ich auch leben können. Wenn ich etwas zusätzlich mache, so etwas wie z.B. den Tourismus, dann soll es mein Einkommen ergänzen. Ich kenne wenige Handwerker die neben ihrem Geschäft noch weitere Standbeine brauchen.
        Auf die staatliche/ europäische Unterstützung sind wir unweigerlich angewiesen. Leider verkaufen wir damit aber unsere Freiheit. Das musste ich kürzlich bei einer CC Kontrolle auf unserem Hof erleben.
        Und der Weltmarkt? Der ist allgegenwärtig damit die Discounter eine Argumentation haben um unsere Preise zu drücken.
        Du merkst Alois: Ich seh die Situation ein bisserl anders.
        Trotzdem an schönen Gruss von deinem Kollegen Franz.

        • Alois Wohlfahrt sagt

          Hallo Franz, mich freut es, Bauern das tun was sie für richtig halten und dabei noch Erfolg haben.
          Ich glaube, da geht unsere Meinung gar nicht so weit auseinander.
          Alois

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