Bauer Willi
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Das Vorsorge-Prinzip

Wenn man sich die Talkshows ansieht oder auch Zeitungsartikel liest, so taucht dort immer wieder aus bestimmten Kreisen der Begriff „Vorsorge-Prinzip“ auf. Nicht nur bei landwirtschaftlichen Themen sondern bevorzugt, wenn es um Umweltschutz im Allgemeinen oder im Besonderen geht. Wenn man nicht weiß, was ein Begriff bedeutet, bedient man sich dem allwissenden Wikipedia. Dort ist dann zu lesen:

(Auszug) „Danach sollen die denkbaren Belastungen bzw. Schäden für die Umwelt bzw. die menschliche Gesundheit im Voraus (trotz unvollständiger Wissensbasis) vermieden oder weitestgehend verringert werden. Es dient damit einer Risiko- bzw. Gefahrenvorsorge. Eine einheitliche Definition dieses Begriffes existiert nicht. Dem Vorsorgeprinzip steht als Gegensatz das Wissenschaftsprinzip (auch Risikoprinzip genannt) gegenüber, nach dem nur solche Risiken betrachtet werden sollen, die wissenschaftlich belegbar sind.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Vorsorgeprinzip

Etwas weiter unten ist dann die Definition der UN-Generalversammlung zu lesen:

Bei Maßnahmen, die sich auf komplexe Systeme beziehen, die noch nicht voll verstanden worden sind und bei denen die Folgewirkungen von Störungen noch nicht vorausgesagt werden können, könnte der Vorsorgeansatz als Ausgangsbasis dienen.“

Allerdings wurden drei Grundsätze formuliert:

  • Die Anwendung des Prinzips sollte auf einer möglichst umfassenden wissenschaftlichen Bewertung beruhen, in der auch das Ausmaß der wissenschaftlichen Unsicherheit ermittelt wird
  • Vor jeder Entscheidung für oder gegen eine Tätigkeit sollten die Risiken und die möglichen Folgen einer Untätigkeit bewertet werden
  • Sobald die Ergebnisse der wissenschaftlichen Bewertung und/oder der Risikobewertung vorliegen, sollten alle Betroffenen in die Untersuchung der verschiedenen Risikomanagement-Optionen einbezogen werden.

Damit sind wir dann wieder bei der Landwirtschaft. Sie ist ein komplexes System, manches davon ist noch nicht voll verstanden und es gibt Folgewirkungen, die nicht vorausgesagt werden können. Damit erübrigt sich meines Erachtens jegliche Forschung, vor allem aber der Anwendung der Ergebnisse dieser Forschung. So wird es zu einem großen Teil auch derzeit diskutiert. Im Falle der Landwirtschaft gibt es unzählige Beispiele dafür.

Wo das Vorsorgeprinzip versagt hat

Doch ich möchte andere Beispiele aufführen, bei denen das Vorsorgeprinzip kläglich versagt hat:

Familie Benz ist es vor über hundert Jahren gelungen, die Pferdekutsche durch ein Dreirad zu ersetzen, dass auf der Basis eines Brennstoffes und ohne tierische Zugkraft Menschen von A nach B transportiert hat. Die Folgewirkung von Störungen im Transportwesen und die Auswirkungen auf die Umwelt konnten nicht vorausgesagt werden. Das Auto hätte es nie geben dürfen.

1928 fand ein Engländer heraus, dass Stoffwechselprodukte von Pilzen oder Bakterien schon in geringer Konzentration das Wachstum anderer Mikroorganismen hemmt oder diese abtötet. Diese Produkte haben Nebenwirkungen. Als diese Stoffe entdeckt wurden, waren diese nicht bekannt, die Wissensbasis war unvollständig. Es handelte sich um hochkomplexe Vorgänge im menschlichen Körper und die Folgewirkungen von Störungen konnten nicht vorhergesagt werden. Antibiotika hätte es nie geben dürfen.

Einige Jahrzehnte später ist es einem findigen Menschen gelungen, ein Gerät zu entwickeln, das es Menschen möglich macht, von fast jedem Punkt der Erde mit anderen Menschen zu kommunizieren. (wenn man nicht gerade in einem deutschen Funkloch ist). Und noch mehr: Dieses Gerät ist auch in der Lage, auf einer kleinen Glasscheibe sämtliche frei verfügbaren Informationen anzuzeigen, Wie das geht, hat wohl kaum einer von uns voll verstanden und die Folgewirkung auf die Gesellschaft und unser Zusammenleben konnten damals nicht vorhergesagt werden. Das Smartphone hätte es nie geben dürfen.

Bauer Willi

 

 

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23 Kommentare

  1. Obstbäuerin sagt

    Wegen dieser ganzen Fehlentscheidungen bin ich im Prinzip schon ganz krank VOR SORGE.

  2. Der Brandenburgbauer sagt

    Moin, Willi,s letzter Satz“ Das Smartphon hätte es nie geben dürfen“.
    Unterstütze ich uneingeschränkt.
    Wo sind wir hingekommen in dieser digitalen Welt???
    Nur so ein Beispiel am Rande. Arztbesuch ist immer mit viel Wartezeit verbunden. In alten Zeiten, hat man sich im Wartezimmer unterhalten, mit Menschen gesprochen und viel interresantes erfahren. Heute ist das ganz anders. Ob jung oder alt. Jeder hämmert pausenlos auf seinem „Tatschie“ herum, um zu vemeiden sich mit Menschen zu unterhalten.
    Obwohl, ein inhaltlich gutes Gespräch mehr bringt,
    als Ablenkungsmanöver die im Grunde genommen ja keiner will.

    • Ehemaliger Landwirt sagt

      Es ist nicht das Smartphone,
      sondern wie die Menschen damit umgehen. Man kann das Ding auch mal in der Tasche lassen. Mir geht es auch auf den Senkel, wenn jemand sich an den Tisch im Restaurant setzt und an dem Gerät spielt.
      Wenn man unterwegs ist, kann man im Netz nachschauen um ev. eine Adresse eines Hofladens zu suchen. Meines wurde bis jetzt noch nie an einem Tisch, oder in einer Arztpraxis benutzt.

  3. Inga sagt

    Na, da werden wir Wessis doch neidisch, oder?

    https://www.youtube.com/watch?v=gpGTTFrudpc

    nur damit alle satt werden und vielleicht noch ihr Familieneinkommen im vor- und nachgelagerten Bereich mit den landwirtschaftlichen Produkten verdienen.

    Wenn der Traktor und auch der Mähdrescher alles automatisch können?
    Fehlt dem Mensch dann nicht was?
    Vielleicht die Beziehung zur Feldfrucht?

    Und wenn Beziehung zur ganzen Landwirtschaft fehlt?

    Was ist dann?

    • Inga sagt

      Darüber diskutieren wir ja hier, so sind die meisten Verbraucher, für die die Landwirtschaft undurchsichtig ist.

  4. Thomas Apfel sagt

    Das „Vorsorgeprinzip wird immer gern herangeholt, wenn es gilt der modernen Landwirtschaft (vor allem in Deutschland) die Möglichkeiten der Schadinsektenreduzierung mit synthetischen Insektiziden zu nehmen. Aktueller Kuhhandel: Frau Schulze gibt Problemwölfe zu Abschuss frei, im Gegenzug verbietet Frau Klöckner den Wirkstoff Thiacloprid, das einzige Insektizid, das nachweislich ungefährlich für Bienen ist (Institut für Bienenschutz Braunschweig) und noch eine nennenswerte Käferwirkung hat. Ein klarer Sieg für die Weidetierhalter der ABL zu Ungunsten der Sonderkulturen und des Rapsanbaus, die somit keine legale Möglichkeit zur Regulierung von Rapsglanzkäferpopulationen, Apfelblütenstecher und Gartenlaubkäfer mehr haben.
    Pünktlich dazu veröffentlicht der Neurologe Randolf Menzel im Tagesspiegel heute wieder seine umstrittenen unwissenschaftlichen Untersuchungen zu erschöpften Bienen dank „Lastenrucksack“mit Kamera. Ein schönes Beispiel für eine konzertierte Aktion von Umweltministerium, Landwirtschaftsministerin, NGO´s und Medien die moderne Landwirtschaft in die Knie zu zwingen. Danke Frau Klöckner, dass sie das für den Weinbau Ihrer Familie weniger wichtige Thiacloprid verbieten und nicht z.B. nicht das im Weinbau wichtigere Steward (Fenoxycarb) auf das wir gern verzichten könnten.
    Die Politik verkommt zunehmend zu Kuhhandel, Wahlkampf und Postengeschacher. Die öffentliche Meinung wird zunehmend von Dogmen Mediennaher nicht demokratisch gewählter Kräfte geformt, …einfach zum Kotzen !

  5. Schulzi sagt

    Ich hab kein Problem mit dem Vorsorgeprinzip an sich, sondern mit der politischen Instrumentalisierung des Begriffs. Mich würde echt mal interessieren, wieviele Politiker eigentlich wissen, was das Prinzip impliziert. Die drei Strichpunkte entsprechen ja auf keinem Fall dem, wie ihn die Grünen verstehen und gebrauchen. Das Problem ist, dass viele Leute deren Lesart übernehmen. Interessant wäre mal die Frage, welcher Ansatz besser ist: Risiko- oder Vorsorgeprinzip. Vielleicht hat das mal jemand untersucht in einem künstlichen Setting?

  6. Friedrich sagt

    Unsere Politik verwechselt wohl Nachhaltig und Vorsorge mit Ideologie und Main stream.
    Bei unseren Leichtmatrosenpolitikern ist alles , nur keine wissenschaftliche Grundentscheidung , gesunder Menschenverstand o.ä. möglich.

    • Schmeckt gut sagt

      Genau. Rücken, Nacken, Knie kaputt. Und LW soll wieder zurück auf Anfang?

      • Inga sagt

        Wenn Rücken, Nacken, Knie ja nach Beanspruchung ordentlich und nachhaltig bewirtschaftet, bzw. behandelt worden wären, dann wären sie nicht kaputt.

        Der Acker wird doch auch je nach Beanspruchung gedüngt, oder nicht!
        Der Mähdrescher und andere Maschinen werden auch abgeschmiert, oder nicht!
        sonst gibt es Brocken, pflegte mein Schwiegervater immer zu sagen!

        So wird er für weitere Generationen noch intakt gehalten, oder?

        Können das die Verbraucher ihrem eigenen Körper nicht auch antun?
        ach so, die eigenen Gelenke schmiert man mit Bewegung,

      • Schmeckt gut sagt

        Inga, was ich damit sagen wollte, ist: Arbeitsmedizinische Vorsorge ist auch (u.a. für die Politik wichtig zu verstehen), daran zu denken, dass die deutsche LW die ihnen aufgedrückten Veränderungen auch bewältigen kann. Im Moment habe ich den Eindruck, dass alle produktionstechnischen Verbesserungen (das schlimme Wort „Rationalisierungen“ darf man als Landwirt ja nicht mehr erwähnen) der letzten Jahrzehnte wieder zurückgeschraubt werden sollen. Idealerweise sollen wir wieder mir dem Pferd arbeiten 😉 . Für die LW gilt dann nicht: Turne bis zur Urne sondern Ackern bis zum Umfallen. Und ja, mir ist bewusst, dass es in vielen Bereichen arbeitstechnische Errungenschaften gibt. Die digitale Revolution in der LW soll ja alles retten. Roboter sollen alle knochenzehrenden Arbeiten übernehmen. Nur das ich bisher noch keinen dieser Teile gesehen habe, der auch nur annähernd funktioniert. Es bleibt beim Knochenjob, auch wenn der Trecker uns unterstützt.

        • Inga sagt

          Warum darf man in LW den Begriff Rationalisierung nicht mehr erwähnen?
          Das macht doch jeder Betrieb, sonst würden wir Menschen ja gar nicht mehr alles schaffen, dann gäbe es nicht mehr so Freizeit und Urlaub, dann mussten die Arbeitszeiten länger und billiger werden.
          Das sollten die sich mal überlegen, die das kritisieren.
          Oder sie sind unsozial, sollen die das?

          Hat man denn in der LW schon eine Qualitätsmanagementnorm z.B. ISO 9001?

          https://de.wikipedia.org/wiki/Qualitätsmanagementnorm

          Ist da die Gesundheit und Zufriedenheit der Mitarbeiter mit eingerechnet?

          Und daraus muß dann der Preis der Produkte ermittelt werden.

    • Bauer Willi sagt

      @Eckehard
      Nein, stelle ich nicht in Frage. Und es dürfte wohl auch ein Unterschied zwischen medizinischer Vorsorge und dem Vorsorgeprinzip bestehen, dass dazu instrumentalisiert wird, bewusst dann Dinge zu verhindern, wenn sie einem nicht in den Kram passen.

  7. Altbauer Jochen sagt

    Erfindungen wird es immer geben, die neuen Möglichkeiten
    erscheinen berauschend, die Auswirkungen erkennt man später.
    Abzuwägen ob das negative oder das positive überwiegt
    ist auch interessensgesteuert.
    Aber,- wer holt den Benz (und andere) von der Straße,
    wer nimmt das Penicillin aus der medizinischen Versorgung
    und wer das Smartphon aus dem täglichen Gebrauch ??
    Und was nutzen wir stattdessen ? neue Erfindungen
    oder die Methoden vor Erfindung dieser Dinge?
    Auswirkungen gibt es in beiden Fällen.
    Vorsorge für alles und jedes ist kaum möglich.

  8. Komplexität ist die menschgemachte Vereinfachung von einfachen, natürlichen Zusammenhängen, die sich in verschiedenen zyklischen Maßstäben zutragen. Je mehr solcher Vereinfachungen anschließend verallgemeinert werden, desto komplexer erscheint uns Menschen das derart verallgemeinerte Vereinfachte.

  9. Jede Erfindung erfindet ihre Probleme mit, wovon sich im Laufe der Zeit umso mehr ergeben, auf je mehr Fremdenergie von anderswoher die Erfindung angewiesen ist. Verrückterweise bringt jede Erfindung auch die Lösung ihrer Probleme mit, nur müssen dafür erst die Probleme durchlebt werden. Dummerweise wird jedoch die Fremdenergie umso weniger als das eigentliche Problem erkannt, je länger die Probleme durchlebt werden und je schneller sich die Erfindung im Alltag etablieren kann. Erst recht, wenn versucht wird, mit weiterer Fremdenenergie die Probleme zu lösen, die erst durch Fremdenergie entstehen konnten.

  10. Mark sagt

    Unter dem Deckmäntelchen des Vorsorgeprinzips lässt sich letztendlich alles, auch der größte Blödsinn rechtfertigen.

    • Inga sagt

      Für mich bedeutet das nicht anderes als
      „Nachhaltigkeit“,
      also nachhaltig denken und handeln!

  11. bauerhans sagt

    erfindungen waren und sind emotionen zu verdanken,der neugier,dem drang,verstehen zu wollen und auch der selbstdarstellung.
    das vorsorgeprinzip ist heute überwiegend populistischen entscheidungen unterworfen,weil parteien gewählt werden wollen.

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