Bauer Willi
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New Zealand – rubber boots in the supermarket

Mit Gummistiefeln in den Supermarkt. Ronja aus Niedersachsen hat uns diesen Bericht aus Neuseeland geschickt. Es geht nicht nur um praktische Landwirtschaft, sondern auch um die Einstellung der Neuseeländern zu ihren Landwirten. Vielen Dank, Ronja, und weiterhin viel Spaß an der Arbeit.

Hallo,

ich bin Ronja, bin 19 Jahre alt und komme aus Niedersachsen. Dort habe ich auch die Ausbildung zur Landwirtin diese Jahr erfolgreich abgeschlossen, komme allerdings nicht aus der Landwirtschaft, und befinde mich momentan im Rahmen eines Work&Travel- Jahres in Neuseeland.

Doch was bringt einen ans andere Ende der Welt in ein Land, das grade mal so viele Einwohner wie Berlin hat?

Da ich zum Ende meiner Ausbildung noch unentschlossen war, was ich nun mit dieser erreichten Qualifikation anfangen möchte, entschied ich mich für ein Jahr im Ausland, um vor allem mehr von der Landwirtschaft zu sehen. Da gibt es sicher einige nennenswerte Länder, doch Neuseeland lockte mich mit dem großen Anteil am Milchweltmarkt, großen Betrieben und einem reichlichem Jobangebot für junge Reisende. Auch das heimatähnliche Wetter und nicht zuletzt das riesige Abenteuerangebot klangen sehr interessant.

Neuseeland_berg

Natürlich könnte ich mich jetzt einer Organisation anschließen, die mit einen festen Job sucht, aber ich wollte bewusst auf eigene Faust losziehen, um auf möglichst vielen verschiedenen Farmen zu arbeiten, denn ein Jahr ist nicht viel Zeit, um alles zu sehen.

Inzwischen bin ich seit 2 Monaten hier und habe schon 3 verschiedene Milchviehbetriebe kennengelernt, daher kann ich bis jetzt auch nur von der Milchviehhaltung berichten. An anderen Betriebszweigen gibt es hier vor allem noch Schafhaltung, Fleischrinderhaltung, Wildhaltung und Obstbau zu sehen.

Auf der Nordinsel, wo ich mich momentan aufhalte, werden viele Kühe gehalten, das Land ist als Weide gut zu gebrauchen und das Klima erlaubt eine ganzjährige Weidehaltung. Die allermeisten Kühe kalben im Frühling (ab August). Das hat den Vorteil, dass jetzt das Gras anfängt zu wachsen und die Kühe jetzt ihre beste Leistung bringen können. Dadurch ist kaum Zufütterung nötig, was die Kosten reduziert. Ab Oktober startet hier die Anpaarungssaison, für 6-8 Wochen werden alle Kühe besamt, danach werden oft noch Bullen in die Herden gelassen, um alle Kühe tragend zu bekommen. Im Juni werden dann alle Kühe (oft auch antibiotisch) trockengestellt, bis dann das Kalben wieder losgeht.

Im Durchschnitt werden hier 220 Kühe pro Farm gehalten, aber auch Farmen mit über 1000 Kühen sind hier keine Seltenheit. Auf meiner momentanen Farm werden auf ca. 170 Hektar 400 Holstein-Friesian gemolken, wovon 100 im Herbst abkalben, der Rest im Frühling. Die weibliche Nachzucht wird behalten und ein kleiner Teil der Bullen auch, die Herefordkälber dürfen auf einen anderen sehr bergigen Teil der Farm grasen und werden dann mit dem richtigen Gewicht an den Schlachter verkauft.

Neuseeland_melkstand

An Arbeitskräften arbeiten hier in Vollzeit der Chef und 2 weitere Mitarbeiter, die Chefin kümmert sich um die Kälber. Vor kurzem hat ein Mitarbeiter gekündigt und deswegen arbeite ich hier, bis ein neuer gefunden ist.

Zu meinen Aufgaben gehört es, 2 mal täglich zusammen mit dem Mitarbeiter die Kühe zu melken. Das wird in einem 24er Swingover-Fischgrätenmelkstand mit Fütterung erledigt. Es gibt oft keine Abnahmeautomatik oder Milchmengenmessung, es wird auch nicht vorgemolken oder das Euter gereinigt. Lediglich nach dem Melken wird ein jodhaltiges Desinfektionsmittel auf die Striche gesprüht. Dadurch wird eine Menge Zeit gespart, somit melken wir 400 Kühe in 2 – 2,5 Stunden. Das gesamte Land liegt hier üblicherweise direkt um den Melkstand, aufgeteilt in 100 Paddocks, die Größe variiert von 0,8 bis 2 ha. Das bedeutet allerdings auch weite Wege für die Kühe, die weiteste Strecke beträgt ca. 2,5 km. Um die Kühe von A nach B zu bringen werden hier Quads und Motorräder benutzt, nicht selten geht es hier steil bergauf und ab.

Neuseeland_weidegang

Zwischen dem Melken hole ich die neugeborenen Kälber und Kühe von der Weide, repariere Zäune, treibe Kühe um oder spritze Unkraut in den Paddocks. Das wird hier meistens per Hand mit der Rückenspritze oder vom Quad aus gemacht. Besondere Probleme bereiten hier Disteln, Ambrosia und Ginster. An steilen Hängen und unwegsamen Gelände wird das Spritzen auch per Helikopter erledigt. Dazu muss es aber absolut windstill sein und ganz günstig ist diese Methode auch nicht, deswegen gibt es Arbeitskräfte wie mich.

Die schlechteren Paddocks (ca. 15 ha jedes Jahr) werden mit RoundUp gespritzt, flach bearbeitet und dann mit Sommer- oder Winterrüben bestellt. Das gibt dem Boden eine kurze Pause vom Gras und zusätzlich günstiges Futter für die Kühe, welches sie dann auch selber ernten dürfen.

Mit möglichst geringen Kosten zu produzieren ist die Offensive der neuseeländischen Bauern. Dewegen gibt es hier große Betriebe, große einfache Melkstände und auch nicht zuletzt viele der kleinen Jersey-Kühe, denn eine kleine Kuh braucht selber weniger Energie als eine Große. Gemolken werden hier Jerseys (die kleinen beigen Kühe mit den großen Kulleraugen), Holstein-Friesians (die „normalen“ großen deutschen schwarz-weißen Kühe, Ayrshire (eine alte schottische rot-weiße Rasse) und die sogenannten Crossbreeds, also eine Mischung (meist Jersey x Friesian, aber auch alle anderen Kreuzungen).

Neuseeland_laufhof

Crossbreed-Herde

Wo der deutsche Bauer jetzt den Kopf schütteln würde, aber der Grund liegt hier auf der Hand: nämlich die Bezahlung der Milch.

Die Milch wird nicht wie in Deutschland per kg Milch bezahlt, sondern per kg milksolid (MS =Milchfeststoff). Das heißt also, dass die Molkerei nur den abgelieferten Kilogramm Fett und Eiweiß bezahlt, der im Durchschnitt bei 4,0% Fett und 3,4% Eiweiß liegt. Die kleineren Kühe geben nämlich weniger Milch, haben dafür aber bessere Inhaltstoffe und so gleicht sich das hier wieder aus. Der momentane Auszahlungspreis beträgt $3.85 per kg MS, was umgerechnet 0,17€ bis 0,22€ sind, je nach Inhaltsstoffen der Milch. Für die Bauern hier schon deutlich knapp, vor 2 Jahren war der Auszahlungspreis doppelt so hoch bei über $8 per kg MS. Auch hier dreht sich momentan viel um den Milchpreis, auch hier müssen Betriebe verkauft werden und die Bauern versuchen zu sparen wo es geht. Die letzten Jahre konnten sie sehr gut von ihren Einnahmen leben, davor hatte der Wegfall aller Agrarsubventionen 1984 alle Bauern hart zum Umdenken gezwungen, nur ca. 800 Höfe hat es das Leben gekostet.

Die Akzeptanz der Landwirtschaft ist hier sehr groß, im ländlichen Gebiet kommen viele Leute vom Hof oder arbeiten in der Landwirtschaft. Es ist kein Problem, hier in Arbeitskleidung und Gummistiefeln einkaufen zu gehen, lediglich einige Läden weisen die Kunden freundlich darauf hin, die dreckigen Gummistiefel doch bitte vorm Betreten auszuziehen. Selbst im öffentlichen Fernsehen gehören Sendungen über Landwirtschaft und Landleben dazu, auch Pflanzenschutzmittel, Wurmkuren und die Landwirtschaft allgemein werden in der Werbung angepriesen. Viele Leute kaufen sich ein Stück Land (Lifestyleblock) um dort zu leben, Tiere zu halten und sich ihre Nahrung selber zu produzieren. Es sind sozusagen die deutschen Schrebergärten in einer etwas größeren Dimension.

In Neuseeland gibt es den Mindestlohn von $14,75 pro Stunde, was umgerechnet 8,70€ entspricht.

Die meisten Neuseeländer kaufen im Supermarkt ein, aber auch Staßenmärkte werden gerne genutzt. Obst und Gemüse sind ungefähr so teuer wie in Deutschland, die Auswahl ist riesengroß und frisch. Milch, Butter und Käse sind minimal teurer, für einen Liter Milch bezahlt man ca. 0,90€. Die Milch ist in Kanistern verpackt und in Größen von 0,5 bis 4 Litern erhältlich. Das Einkaufen hier ist sehr plastik(tüten)lastig. Die Neuseeländer lieben ihre Plastiktüten und lassen sich ihren gesamten Einkauf darin einpacken, denn in den allermeisten Läden gibt es die kostenlos dazu. Der Versuch der Regierung, die Tüten zumindest kostenpflichtig zu machen, wurde von der Bevölkerung erfolgreich abgeblockt.

Neuseeland_milchregal

Riesenauswahl an Milch

Vieles hier ist anders als ich es von Zuhause kenne, aber anders heißt nicht schlechter. Bis jetzt konnte ich mir nur einen kleinen Überblick verschaffen, sodass ich meine persönliche Schlussfolgerung erst Ende diesen Jahres ziehen kann. Es gefällt mir sehr gut hier, das ganze Land ist voller herzlichen, offenen Menschen und ziemlich oft treffe ich auf andere deutsche Reisende.

Wer gerne noch mehr Infos möchte oder Fragen hat, kann mich gerne per Email (ronja.n@arcor.de) kontaktieren. Oder schaut mal in meinen Blog http://ronja.auslandsblog.de

Eure Ronja

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4 Kommentare

  1. Roswitha sagt

    Unsere Feriengäste schaffen das auch oft – aus dem Stall, vielleicht mal eben die Stiefel abgespritzt, rein ins Auto zum Einkaufen – bisher habe ich noch nicht gehört, dass sie mal irgendwo nicht hereingelassen wurden.
    Bei uns sind die Discounter mitten im Gewerbegebiet, da kommen von den Betrieben rundherum die Arbeiter auch in ihren Arbeitsklamotten einkaufen und das riecht je nach Betrieb auch nicht immer gut und sauber ist auch in der Regel etwas anderes… Ich denke manchmal, dass wir das von uns aus eher unangenehm finden?

  2. bauerhans sagt

    vielen dank für diesen tollen bericht und alles gute weiterhin!!
    deutsche arbeitskräfte geniessen hohes ansehen in NZ .
    robin,der sohn meines nachbarn ist auch gerade in NZ unterwegs.

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