Bauer Willi
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Bin ich ein Spekulant?

Vor ein paar Wochen war das ZDF einen ganzen Tag bei mir auf dem Hof. Frau Schickling hat mich zu Themen rund um den Welt-Getreidemarkt interviewt. Sie haben 90 Minuten Filmmaterial mitgenommen, von denen wohl so um die 5 Minuten in der Sendung ZDF Zoom verwendet werden, die im Januar während der Grünen Woche ausgestrahlt werden soll.  Eine Frage war: „Was halten Sie von der Spekulation mit Getreide?“

So eine Frage bekommst Du ja nicht jeden Tag gestellt und so habe ich ihr einfach erzählt, wie ich mein Getreide vermarkte.

Normalerweise verkaufe ich einen Teil meines Getreides (und auch Raps) bevor ich den überhaupt gesät habe. Dazu schaue ich auf die Preise an der MATIF  (Rohstoffbörse in Paris) und zwar aktuell auf Herbst 2018. Wenn der Preis mir attraktiv erscheint, melde ich mich bei unserer Genossenschaft und mach mit denen einen Vorkontrakt. Das ist ein Blatt Papier, auf dem draufsteht, dass ich in der Ernte 2018 fünf Tage nach Anlieferung den vereinbarten Preis ausgezahlt bekomme. Die Genossenschaft sichert diesen Preis an der Börse ab und geht somit auch kein Risiko ein.

Jetzt fragte mich die Dame vom ZDF, ob dass den auch schon mal schiefgegangen wäre. Ich habe ihr geantwortet, dass das immer schief ginge. Große Verwunderung! Ich hab ihr das dann so erklärt: Nehmen wir einmal an, ich mache im September 2017 einen Vorkontrakt über  16 €/100 kg für die Ernte 2018. Ich sichere so etwa 25% meiner erwarteten Ernte ab.

Im Sommer stellt sich heraus, dass weltweit eine Riesenernte heranwächst und der Preis fällt auf 14 € im August 2018. Jetzt bin ich auf mich selbst sauer, dass ich nicht 75% so abgesichert habe. (100% mache ich nie, weil ich ja die Erntemenge nicht im Vorhinein kenne, weil da ja auch das Wetter noch mitspielt.) Schließlich ist  16 € mehr als 14 €. Es ist ganz schön schief gegangen.

Anders herum: Im Frühjahr und Sommer 2018 gibt es auf der Nordhalbkugel (da wächst das meiste Getreide) eine große Trockenheit und dadurch niedrige Erträge. Der Preis steigt auf 20 €, ich habe aber für 16 € schon verkauft. Aus dieser Nummer komme ich auch nicht mehr raus, denn Vertrag ist Vertrag. Hätte ich mal nur keinen Vorkontrakt gemacht! Es ist ganz schön schief gegangen.

Trotzdem bin ich sehr froh, dass es die Möglichkeit gibt, mir meinem Preis für meine Produkte im Vorhinein abzusichern.  Wenn ich aber etwas verkaufe, was ich noch gar nicht habe, ist dass dann Spekulation? Bin ich ein Spekulant? Was meint ihr?

Euer Bauer Willi

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98 Kommentare

  1. Sabine sagt

    Die Frage ist halt, wo fängt es an und wo hört es auf. Wenn ich einem Bauern einen Teil seiner zukünftigen Ernte abkaufe, weil er jetzt das Geld brauch, weil sein Traktor halt jetzt kaputt ist, ich jetzt das Geld habe, aber eigentlich keine Möglichkeit seine Ernte zu verarbeiten und halt schaue, dass ich bis zur Ernte jemanden finde, der mir die Lieferung abnimmt. Mit viel Glück bezahlt mir dieser Abnehmer sogar mehr als ich bezahlt habe. Ich könnte ihm das Geld auch so leihen, sicher. Wäre auch sicherer für mich. So trage ich ja ein Teilrisiko hinsichtlich der Preisentwicklung mit. Wenn jetzt der April sehr nass wird und ich Bedenken bekomme, dass das mit der Ernte was wird und meinen Anteil an der Ernte an zwei oder drei Leute weiter verkaufe, die optimistischer sind. Was dann? … und langsam löst sich das Papier von der Ware. Ab wann wird ein Geschäft, was dem Erzeuger nützt, eine gefährliche Spekulation? Wenn ich anfange meinen u.U. eintretenden Verlust nach unter abzusichern, in dem ich vertraglich festhalte, dass bei einem Getreidepreis von X ich die Ernte an Y verkaufe?

  2. Katarina Schickling sagt

    Mit großem Interesse stelle ich fest, dass die Bezeichnung „Dame vom ZDF“ hier offenbar ähnlich sympathie-erzeugend wirkt, wie der Begriff „Spekulant“ – geht doch nichts über eine vorurteilsfreie Herangehensweise…

    Für mich ist jeder Dreh spannend, und ich lerne immer etwas dazu – das ist mein Beruf! Wäre das anders, hätte ich den verfehlt. Und klar ist, dass die einzelnen Bauern nur so gut arbeiten können, wie man sie lässt, in einem System, wo Lebensmittel geradezu schändlich billig sind. Wer sich als Bauer da gegen Risiken absichert, ist kein böser Spekulant, sondern Profi.

    P.S.: Woher stammen eigentlich die 90 Minuten? Ich habe das Material noch gar nicht gesichtet, aber 45 Minuten dürfte eher hinkommen. Im Prinzip ist es bei uns ähnlich wie bei Bauern: viel, viel Arbeit, damit die Ernte nachher gut ausfällt…

    • Bauer Willi sagt

      Liebe Frau Schickling
      also ich fand Sie symphatisch. Und schön, dass Sie die Risikoabsicherung durch Vorkontrakte auch richtig und gut finden. Was die 90 Minuten angeht, so habe ich Sie nach dem Dreh gefragt, wie viel Filmmaterial Sie mitnehmen. Die Zahl stammt also von Ihnen. Wenn ich Sie da falsch verstanden haben sollte, bitte ich um Entschuldigung.
      Haben Sie schon einen geplanten Sendetermin? Wenn ja, wäre ich sehr interessiert den zu erfahren. Wenn das noch nicht der Fall sein sollte, bitte ich um kurze Mitteilung, sobald der feststeht. Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis. 🙂
      Bauer Willi

    • Mark Rössler sagt

      “ wo Lebensmittel geradezu schändlich billig sind. “

      Nach dem letzten Preishoch beim Weizen haben sich Politiker und NGOs aus der grünen Ecke über Spekulationen und Bio-Energie wochenlang in den Medien echauffiert. Das führt ja zu zu hohen Preisen…
      2 Jahre später ging es dann wieder um „billig Lebensmittel“, die gleiche Szene redet heute von schändlich billig.

      Was genau möchten denn diese Leute? Einen für immer festgelegten Preis für landwirtschaftliche Erzeugnisse? Dann sollten diese erst mal trumpen und die Grenzen schließen, danach können die dann den Markt regulieren.

      Ob VW da mitspielt?

    • Mausschubser sagt

      Warum sind Lebensmittel „schändlich“ billig? So etwas kann man doch nur behaupten, wenn man als sogenannter „Besserverdiener“ darauf schaut. Die Menschen, die wenig bekommen oder vom Staat unterstützt werden, geben den größeren Teil ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Die sind froh, wenn diese günstig sind. Und unser Staat auch, müsste er sonst wesentlich mehr Unterstützung zahlen. Wäre mal interessant zu rechnen, wie viel die Regierungen der Eu durch günstige Nahrungsmittel sparen. Schändlich billig wird es für mich erst, wenn wir anfangen zB Weizen aus der Ukraine direkt zu Biogas zu verarbeiten.

  3. Schweinebauer Piet sagt

    Landschaft ist sehr spekulativ, da man die preise meist vorher nicht kennt, also ist Absicherung gut.

  4. Friedrich sagt

    Wir sind keine Spekulanten. Die Preise die wir absichern sind gerade über den Erstellungskosten. Große Sprünge kann damit nicht machen. Es reicht gerade so zum Überleben. Die Preisabsicherung vor der Ernte ist sehr gut für Bauern , die kein Getreidelager haben. So fällt man bei der Ernte nicht in ein Preistief. Nachdem wir einige male völlig daneben gelegen haben, lagern wir unser Getreide erst einmal zu 100 % im eigenen Getreidelager ein und warten auf bessere Preise. Ab September bis zum Mai werden dann die Getreidemengen in drei bis fünf Kontrakten verkauft. Das Getreide haben wir im eigenen Lager gereinigt und getrocknet und wird LKW-weise abgeholt. Mit mehreren Verkaufszeitpunkten sind wir immer am Markt und haben die Ware immer selbst in der Hand. Beim Verkauf gibt es keine Abzüge , da die Qualität des Getreides durch versch. Labore ermittelt wurde. Von jedem LKW-Zug wird eine Rückstellmuster für evtl. Unstimmigkeiten gezogen.

  5. Altbauer Jochen sagt

    Als Bauer hat man ja schon immer „spekuliert“ – auf gutes Wetter,
    das die Ernte gedeiht! Oder etwas „riskiert“ -falls das Wetter eben nicht mitspielt.
    Preise über Vorkontrakt absichern sehe ich so ähnlich wie
    eine Hagelversicherung.
    Wenn´s hagelt ist ein Teil abgesichert, wenn nicht, freuen sich die anderen
    -ist eben so.

    • Ehemaliger Landwirt sagt

      Bei einem Hagelschaden hat es mich gefreut, dass ich meine Produkte versichert habe,
      habe mich jedoch nicht gefreut, wenn andere es nicht getan haben, aber Mitleid mit denen hatte ich auch nicht.

      • Dafür hat sich der andere gefreut, wen es nicht gehagelt hat und du mußtest zahlen!

        Es gibt ja auch Gebiete, da hagelst es mehr und welche, da hagelt es weniger!

        • bauerhans sagt

          in meiner gegend lohnt eine hagelversicherung nicht,weil die entschädigung im seltenen schadensfall geringer ist als die summe der gezahlten beiträge.

          • Ehemaliger Landwirt sagt

            Es kommt auch auf die Produkte an. Versichert hatte ich nur den Weinbau, habe aber mehr an die Versicherung bezahlt, als ich Schaden hatte.
            Ein Tal weiter, so ca. 5 Km Luftlinie entfernt, hat es 3 Jahre lang Hagel gegeben, mit Schäden bis zu 100% im Obstbau.

    • Deswegen ist ja das Leben eines Bauern eben stressige,r als einem anderen Arbeitnehmer mit vertraglich gesichertem Einkommen!
      Denen verhagelt nichts!

  6. Aufklärer sagt

    Ich bin nicht der Auffassung das Sie unter Spekulant laufen. Das ist normales Geschäftsgebahren am Markt. Es geht hier ja nicht um eine längere Bevorratung und damit Entzug von Waren vom Markt mit folgendem abpassen und abwarten und erzeugen hoher Preise.
    Bei Ihnen gehts doch offensichtlich mehr um eine „Mindest-Preis-Sicherung“, um praktisch möglichst abgesichertes und versichertes! vorausschauendes wirtschaften.

    Unter Nahrungsmittel-Spekulant versteht der gemeine Journalist und / oder Volksmund wohl theoretisch eher den „Big-Investment-Banker“. Wenn sie keinen finden, der diese Buh-Mann-Rolle im Beitrag spielen kann, dann wirds eng für Bauer Willi. Könnte sein das der Bauer – da eh schon Buhmann für vieles – hier auch in der Story den Part der Bösen spielen muss und als Spekulant dargestellt wird. Hängt vom Drehbuch ab, der Sendungsausrichtung und den verantwortlichen (Red)Akteueren.

    Hier mal eine Ahnung wie die Sendung normalerweise über Landwirtschaft berichten:

    30 25. Januar 2012 Tödliche Keime aus der Massentierhaltung
    59 19. Oktober 2012 Die Wegwerfer – Auf der Spur der Lebensmittel-Verschwender
    77 8. Mai 2013 Das stille Gift – Wenn Pestizide krank machen
    83 3. Juli 2013 Vorsicht Krabbe! – Das große Geschäft mit dem kleinen Tier
    85 17. Juli 2013 Mogelpackung Almidylle? – Der Preiskampf um unsere Milch
    86 24. Juli 2013 Hauptsache Fleisch! Kann man dem Braten noch trauen?
    96 13. November 2013 Das tägliche Gift – Risiko Pestizide
    97 20. November 2013 Böse Mine – Gutes Geld – Das schmutzige Geschäft mit der Kohle
    99 18. Dezember 2013 Süß und gefährlich – Die bittere Seite des Zuckers
    103 29. Januar 2014 Ausgepresst und ausgequetscht – Das bittere Geschäft mit den Orangen
    107 5. März 2014 Hähnchenreste auf Reisen – Das Geschäft mit unserem Abfall
    113 14. Mai 2014 Schmutzige Schifffahrt – Billiger Transport auf Kosten der Gesundheit
    114 21. Mai 2014 Geheimsache Freihandel – Wem nützt das transatlantische Abkommen?
    116 4. Juni 2014 Gefahr aus dem Stall – Tödliche Keime – machtlose Politik?
    126 10. September 2014 Biosprit – Tödlicher Feind der Orang-Utans
    132 5. November 2014 Hunger!
    147 15. April 2015 Schulessen: mangelhaft!
    148 22. April 2015 Die Mogelverpackung – Wie öko sind Tetra Pak und Co.?
    154 3. Juni 2015 Täter oder Wohltäter? – Die Macht der Agrar-Riesen
    158 8. Juli 2015 Die Macht von Aldi, Edeka & Co. – Kundenkampf um jeden Preis
    160 22. Juli 2015 Bittere Erdbeeren – Wie Erntehelfer leiden müssen
    162 12. August 2015 Aus Liebe zum Tier – Wie weit dürfen Aktivisten gehen?
    208 14. Dezember 2016 Lust auf Lachs – Der globale Wahnsinn
    201211 25. Januar 2017 Der Irrsinn mit der Milch – global, billig, ruinös

    Manches wird Ihnen aus der Seele sprechen. Es kann nach hinten los gehen, wenn man sich die Titel anschaut. Gerade der Hähnchenrestemythos mit Afrika und Anti-Pestizid-Hetze, Fleisch-Hysterie…

    Viel Glück wünscht

    der Aufklärer

    • Bauer Willi sagt

      Genau so habe ich das der Dame erklärt. Ihre Antwort: „So habe ich das noch nicht gesehen“. Und natürlich habe ich mir einige Sendungen vorher im Netz angesehen um zu wissen, auf was ich mich einlasse. Aber es ist auch eine Chance, bei so einer Sendung mitzuwirken. Was von meinen Aussagen in welchem Kontext gesendet wird, weiß ich natürlich auch nicht. Mehr als 5 Minuten werden es wohl kaum werden, was von den 90 Minuten übrig bleibt.

      Jedenfalls ist die Dame am Ende des Tages vom Hof gefahren mit der Aussage: „Ich habe heute viel dazugelernt und in manchem meine Meinung ändern müssen“. Und ich habe ihr geantwortet. „Dann senden Sie das auch!“
      Bauer Willi

      • Aufklärer sagt

        Ihre positive Einstellung sollte man sich wirklich zum Vorbild nehmen. Selbst wenn ich etwas abziehe als kühle Kalkulation in der Eigeninteressenvertretung, bleibt trotzdem eine vorbildliche Haltung zu Kommunikation und der damit deutlich werdenden respektvollen Haltung gegenüber der anderen Meinung und damit dem Menschen.

        Anders könnte man so ein Angebot hier wohl auch gar nicht betreiben.

        Ich hoffe mit Ihnen das diesmal der Journalismus gelingt und Sie nicht der Gelinkte sind.

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