Bauer Willi
Kommentare 12

Und LTE gibt´s hier auch nicht…

Wieder ein Artikel von Thies. Diesmal geht es um die digitale Welt und die Demokratie 4.0

Wenn man in den eigenen vier Wänden Gäste empfängt, haben sich die Begrüßungsfloskeln mittlerweile geändert. Statt „Hallo, schön habt ihr es hier. Ist der Schrank neu?“, hört man als Gastgeber häufig zuerst „Gib mal dein WLAN-Passwort!“…

Lebt man dann auch noch auf dem Land und hat urbanen Besuch, folgt dann kurz nach der Übergabe des Passwortes die Aussage „Wie lahm ist das denn bitte hier?!?“…

Im Anhang findet sich eine Abbildung, wie groß die Unterschiede der Breitbandversorgung zwischen Stadt und Land sind. Dazu auch die recht aktuelle und höchst offizielle Quelle: https://www.demografie-portal.de/SharedDocs/Informieren/DE/ZahlenFakten/Breitbandversorgung_Gemeinden.html

In vielen ländlichen Regionen haben sich die Bewohner mit diesem Versorgungsgefälle abgefunden. Von den Telekommunikationsunternehmen kommt dazu dann die Aussage, dass die Anbindung dieser Gebiete mit geringer Kundendichte schlicht und einfach wesentlich unlukrativer ist als eine Anbindung urbaner Gegenden. Da müsste die Politik gezielt fördern.

Ja, die Politik muss fördern. Auch im Sinne ihrer demokratischen Legitimation. Mal abgesehen davon, dass der ländliche Raum ansonsten wirtschaftlich und demographisch noch unattraktiver wird, was dazu führt dass junge Menschen abwandern, wodurch der ländliche Raum wirtschaftlich und demographisch noch unattraktiver…ich stoppe hier, bevor die sich andeutende Spirale Schwindel verursacht.

Man liest häufig davon, dass durch die Digitalisierung unserer Gesellschaft die direkte Demokratie endlich praktikabel wird. Die anonyme Unterschrift bei der Onlinepetition, ein schnelles „Gefällt mir“, ein Retweet im Vorbeigehen. Kommen davon in kurzer Zeit ein paar Tausend zusammen, gehen in allen Ministerien, Nachrichtenagenturen, Parteizentralen, Stiftungs- und Vereinsgeschäftsstellen die Signalleuchten an (falls die Initiative nicht sowieso schon von dort ausgegangen ist). Auf den Signalleuchten steht „Wählerwille in Reinform“.

Ganz egal, was man generell von direkter Demokratie hält. Solange nicht alle Bürger den gleichen Zugang zu diesen digitalen Wahlurnen haben, kann man nicht von einem repräsentativen, demokratischen Willen der Wähler sprechen.

Dazu wird gesagt, dass die ländliche Bevölkerung doch sowieso weniger im digitalen Raum aktiv ist. Also warum dort in die Infrastruktur investieren? Doch da werden Ursache und Wirkung vertauscht: Die Aktivität ist auch so gering, gerade weil die digitale Infrastruktur so schlecht ist. Man mag sagen, dass die Wähler im ländlichen Raum, dann halt ein bisschen länger warten müssen, bis sie ihre Stimme abgeben können. Das sollte es ihnen doch wert sein. Dazu folgende Frage: In welchem Gebiet ist die Wahlbeteiligung höher? Dort, wo die Menschen auf dem Weg zum Bäcker, zur Arbeit, zum Fitnessstudio alle 2 Meter ein Wahllokal vor sich haben, oder dort wo man 30 km über Kopfsteinpflaster zum Wahllokal fahren muss? Eine Wahl ist erst demokratisch, wenn alle Wähler den gleichen Zugang zum Wahlort haben.

Dieses Thema hat besondere Brisanz, da in letzter Zeit über diese „Direkte Demokratie 4.0“ über Themen abgestimmt wird, die besonders die Menschen im ländlichen Raum betreffen. Eine Unzahl an Organisationen startet Internetkampagnen, Spendenaufrufe, Onlinepetitionen zum Themen wie Tierhaltung, Umweltprogramme, Landschaftsschutz, Energiepolitik, Pflanzenschutz, Düngung, Artenschutz (wobei auch gerne mal einige Windräder verhindert werden, die ja eigentlich bei der letzten Onlinepetition zum Klimaschutz gefordert wurden) und generell zum Gesamtkomplex Landwirtschaft. Während die digitale Stimmungswelle bereits dreimal durch Berlin hin und her geschwappt ist, drückt man in der Eifel noch verzweifelt auf Aktualisieren, weil sich auf dem Bildschirm nichts tut. Die Stadt hat abgestimmt, 100.000 digitale Unterschriften sind gesammelt „Weg mit dem Klimakiller Kuh und Wieder mehr grüne Wiesen für den Arten- und Klimaschutz“. Der Teil der Bevölkerung, der sich mit dem Thema auskennt, hat von der Debatte geschweige denn von der digitalen „Volksabstimmung“ überhaupt noch nichts mitbekommen.

Die Breitband-Unterversorgung des ländlichen Raumes wurde von vielen politischen Entscheidern erkannt und es werden Programme erarbeitet. Aber solange dieses Defizit nicht behoben ist, kann es keine Direkte Demokratie 4.0 in Deutschland geben. Zumindest keine, die diesen Namen verdient hat.

Deshalb die Bitte in Richtung der politischen Entscheider: Lasst euch erst vom digitalen Wählerwillen leiten, sobald jeder Wähler seinen Willen digital kundtun kann.

Euer Thies

(Aufrufe 749 gesamt, 1 heute)

12 Kommentare

  1. Friedrich sagt

    Wie wichtig das Internet auf dem Lande ist will ich an einem Beispiel aufzeigen. Viele
    Organisationen und Unternehmen sind heute so gepoolt, daß nur noch in Mails , SMS usw.
    gedacht wird. Dabei wird vergessen , daß manch einer gar keinen Internetanschluß bekommen
    kann oder auch nicht mit dem PC umgehen kann. So geschehen in den letzten Tagen bei der
    Ausschreibung der Rübenmengen bei der Nordzucker. Teilweise haben die Leute die Post von Nordzucker erst bekommen , als die Anmeldung im Agriportal schon lief ! Auch die
    Informationen vorher liefen nur über das Internet. Auch die Agrarprämienanträge laufen
    heute nur über das Internet. Unser Ringberater hat von fast 140 Mitgliedsbetrieben fast
    100 Agraranträge bearbeitet. Hier war das Programm und die Surwer das Problem, aber
    auch die Arroganz unserer Minister solch ein Programm , wo während der Eingabe noch
    viele Updates aufgespielt wurden, überhaupt raus zu geben. Alles löst das Internet also
    auch nicht , aber wenn es läuft hilft es ungemein.

      • Ehemaliger Landwirt sagt

        Internet über Sat ist nichts neues, wenn ich mich recht erinnere seit über 25 Jahren.

        Damals ging Downloads über Satellit, Upload über die Telefonleitung.

        Astra 1A hieß der Satellit.

        Wer vorher alle deutschen Programme sehen wollte musste ein drehbare Antenne haben, mit mindestens 150 cm Durchmesser.

  2. Rebecca sagt

    Wieder ein Beitrag der und anderen die Schuld zuweist und keine Reflektion auf eigenes Verhalten zeigt. .

    Es wird zu Recht kritisiert, das die Versorgung außerhalb von Ballungsgebieten schlecht ist. Aber das beginnt bereits an den Stadtgrenzen. Meine Eltern wohnen offiziell (nach Eingemeindung ) in!! Chemnitz einer der drei sächsischen Großsstädten. Schnellstmögliche Internetverbindung sind 2000 kb/s. LTE ebenfalls Fehlanzeige. Besserung nicht in Sicht.

    Allerdings bedeutet das nicht das sie von der digitalen Welt abgeschnitten sind. Nachrichten, eMails, teilnahme an Online Petitionen und die große Fülle an Infos stehen ihnen trotzdem zur Verfügung, denn das sind keine Angebote die einen Breitband Anschluß erfordern.

    Von Ausschluss von der “Netztdemokratie” kann daher keine Rede sein. Und euren Willen könnt Ihr durchaus digital kund tun. Auch mit einen lahmen Internet.

    Euer Problem ist das ihr einen relativ geschlossenen Front von Politikern, Vereinen und Verbänden der Empüörungsindustrie entgegensteht. Die auf eure Kosten profitieren und sich profilieren, und dasmit professionellen Marketinging machen. Oft gefördert von Politik und Staat.

    Und hier habt ihr bisher wenig stichhaltige Konzepte. Der Ansammlung von Empörungsvereinen wie Peta, Campact, etc, die zwar untereinander um Spendengelder konkurieren, aber in der Kernausaage einig sind steht ein mehr oder weniger zerstrittener Haufen Personen, Verbänden und Initiativen gegenüber die sich gegenseitig zoffen und Rechte absprechen. Hinzu kommt das Ziegenhirten mit Handgestreichelten Tieren und andere “Aorteigelandwirte und ihre unwirtschaftliche vom Steuerzahler subeventionierte Art der Landwirtschaft von der Empörungsindustrie als “Beweis” angefürt werden das es auch anders geht.

  3. bauerhans sagt

    emotionen kann man auch mit sachlichen informationen nicht stoppen,sondern nur durch persönliche betroffenheit können laien zum nachdenken animiert werden.
    in einer “überflussgesellschaft”sind nur wenige in der lage,objektiv ihre situation einzuschätzen.

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