Es gibt Sachen, die ich noch nicht wusste. Sven Plöger über Stand-Wetter, Jet-Streams und Klimawandel.
Herr Plöger, was ist eigentlich „gutes Wetter“? Bei uns scheint die Sonne und es hat seit zwei Wochen nicht mehr geregnet. Für mich als Bauer ist das kein gutes Wetter…
Viele Menschen übersetzen „gut“ mit „Sonnenschein“. Aber diesem Satz wird logischerweise kein Landwirt zustimmen. Die richtige Mischung macht´s und drum steht oben auf meiner Homepage der Satz: „Ich kann nicht behaupten, dass Regenwetter schlechtes Wetter wäre. Denn ohne Regen gibt es kein Leben und ohne Wolken kein Wetter“. Zuviel Regen, so wie Ende Mai und Anfang Juni, ist aber natürlich genauso wenig hilfreich wie eine lange Dürrezeit.
Es gibt ja eine klare Entwicklung bei der Entwicklung der Temperaturen. Sie steigen. Es gibt aber Zweifler, die nicht daran glauben, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht wurde. Was sagen Sie diesen Zweiflern?
Dass dieser Klimawandel global schneller abläuft als alle vorherigen und dass ein Planet die Dinge nicht aus Lust und Laune beschleunigt, sondern auf physikalische Vorgänge reagiert. Hier stecken wir Menschen mit drin, aber natürlich sind die derzeitigen Klimaveränderungen nicht ausschließlich von uns verursacht. Natur und Menschen wirken gemeinsam und in diesem Sinne sollte eine an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierte Debatte auch geführt werden.
Als Landwirt denke ich ja in Generationen. Unser Sohn wird bald den Betrieb übernehmen. Sie sind ja Rheinländer und sprechen auch den Dialekt sehr gut. Wat für en Wetter ham mir dann im Rheinland in 30 Jahren? Oder müsste ich jetzt Klima sagen?
Das Klima ist ja die Statistik des Wetters – eben sein Mittel über 30 Jahre. Das kann niemand fühlen und deswegen interessiert uns natürlich eher, wie der Klimawandel das Wetter verändert. Und da fürchte ich, dass es häufiger zu „Standwetter“ kommt. Also Wetterlagen, wo die Hochs und Tiefs stehen bleiben oder nur sehr langsam weiter ziehen und drum entweder lange Regenperioden oder lange Trockenperioden auftreten. So ein bisschen, wie in den vergangenen Jahren. Grund könnten Veränderungen des Jetstreams – einem Starkwindband in etwa 10 Kilometern Höhe – sein.
Davon haben Sie auch in Ihrem Vortrag gesprochen. Können Sie uns das noch mal erklären? In drei Sätzen?
Am Nordpol ist es kalt, am Äquator warm. Wetter und Luftströmungen gibt es, um diese Unterschiede auszugleichen. Je größer der Unterscheid, desto stärker der Jetstream. Weil sich die Polarregion durch den rapiden Eisrückgang in der Arktis nun aber überproportional erwärmt, nimmt der Temperaturunterschied ab und so wird das Starkwindband geschwächt und störanfälliger. Wir beobachten in jüngster Zeit oft stehende Wellen im mäandernden Jetstream. Weil sich die Hochs und Tiefs am Boden aber nach dieser Höhenströmung richten, bleiben sie zwangsläufig auch an Ort und stelle stehen – es kommt zum oben beschriebenen „Standwetter“. Auf diesem Gebiet wird intensiv geforscht und es ist natürlich nur einer von vielen gemeinsam wirkenden Zusammenhängen.
Wird der Golfstrom irgendwann zum Erliegen kommen? Ich hab da mal sowas gelesen…
2005 fürchtete man das, weil man in einer Messkampagne einen Rückgang der Fließgeschwindigkeit um 30 Prozent ermittelt hatte. Grund hierfür waren aber viel zu wenige Messgeräte in einem viel zu kleinen Gebiet in einem viel zu kurzen Zeitraum. So ist man der verästelten Struktur dieser Meeresströmung nicht gerecht geworden. Heute geht man davon aus, dass der Golfstrom allenfalls leicht geschwächt werden kann und der Temperaturanstieg in Europa dadurch allenfalls etwas gedämpft wird. Interessant ist aber die Theorie dahinter: Das schmelzende Eis ist Süßwasser, das dann auf dem Salzwasser des Atlantiks landet. Dadurch wird die sogenannte thermohaline Zirkulation geschwächt und ein Teil von ihr ist eben der Golfstrom – wobei der Ast, der uns erreicht, korrekt Nordatlantikstrom heißt.
Letzte Frage: Uns Menschen fällt es ja schwer, etwas zu verändern, wenn die Auswirkungen unseres Handelns sich erst in 50 Jahren zeigen. Da bin ich definitiv schon eine Etage tiefer in der Holzkiste. Warum ist das so? Was können/sollten wir machen? Als Gesellschaft, als Einzelner?
Das Klimasystem ist unglaublich komplex mit zahlreichen Wechselwirkungen verschiedenster Prozesse, von denen wir viele nicht mal kennen. Das Kohlendioxid, das auf der einen Seite via Pflanzen für unseren so wichtigen Sauerstoff sorgt und sogar wie „Dünger“ das Pflanzenwachstum verbessert, verursacht bei wachsendem Anteil in der Atmosphäre maßgeblich die Erwärmung und damit die Veränderungen in der atmosphärischen Zirkulation. Was wir heute ausstoßen, verbleibt 50 bis 100 Jahre in unserer Lufthülle und im Ozean. Das Klimasystem ist drum so eine Art „träger Tanker“, den es frühzeitig zu steuern gilt, will man keinen Schiffbruch erleiden. Noch haben wir Zeit, wir müssen aber damit beginnen, die in Paris gesetzten Ziele nun auch wirklich umzusetzen.
Lieber Herr Plöger, es hat Spaß gemacht, dieses Interview mit Ihnen zu führen. Vielen Dank dafür.
Dass viele Menschen ausshhließlich Sonnenschein als gutes Wetter empfinden, liegt auch daran, dass Sonneneinstrahlung eben auch die Stimmung anhebt und Glückshormone anfeuert. Es ist also eine konkrete Erfahrung.