Bauer Willi
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Zeit der Wundertüten

Nur für Landwirte! Und die, die es interessiert 🙂

In den nächsten Wochen und Monaten kommen sie wieder in großer Zahl: die mehr oder weniger beliebten Produktkataloge der diversen Anbieter. Und nicht nur das.

Gleich nach Weihnachten beginnt die Zeit wo die verschiedensten Firmen bei den Landwirten ihre Produkte für das Jahr anbieten. Die großen und kleinen Saatgutfirmen versenden Kataloge, Flugblätter und Karten, in denen sie für Neues und Bewährtes werben und für Sorten mit den entsprechenden Versuchsergebnissen darstellen und anpreisen. Und immer steht ihre Sorte ganz oben

Im Winter kommen auch die dicken Produktkataloge der verschiedenen Hersteller von Pflanzenschutzmitteln. Verwiesen wird je nach Kultur auf Vorteile, Produktprofil und Wirkungsweise, Praxistipps, Anwendungsmengen und -zeiträume. Dargestellt werden Wirkungsspektren, bei Schwachstellen wird auf sinnvolle Ergänzungen verwiesen und von kurzen oder längeren Erfahrungsberichten von Anwendern begleitet.

All diesen Kataloge und Prospekte sind umfangreich und informativ. Keine Frage. Aber…

Sex sells?

Sie kommen in Unzahl daher (… werden einem fast kiloweise nachgeworfen), sie sind sündhaft teuer gemacht (Hochglanzpapier ist schon fast das unterste Niveau). Auch werden – unaufgefordert – Werbegeschenke zugeschickt. Beworben werden die Produkte mit mehr oder weniger geistreichen Sprüchen oder Reimen, bei Assoziationen zu Spitzenleistungen bekommen (ehemalige) Fußballer, Rennfahrer, Sportler, …… eine Wortspende zugewiesen. Dann dürfen auch immer wieder mehr oder weniger leicht bekleidete Damen oder Herren nicht fehlen, die mal bunt bemalt, mal futuristisch geschmückt, mit nackter Haut oder mit Muskelpaketen (fast wörtlich) ins Auge stechen. Für wie naiv haltet ihr die Landwirte?

Die Produkte werden den Bauern angeboten mit Aktionspreisen, Vorkaufspreisen, Vergünstigungen für Hektarpackungen unterschiedlichster Ausprägung. Ab bestimmten Kaufmengen gibt es Arbeitsjacken, Uhren, Regenmesser, Taschenmesser oder Zollstöcke, von denen man eh noch zehn in der Werkstatt liegen hat. Und dann natürlich noch unzählige Rabattsysteme, bei denen man den Aufkleber auf der Verpackung wieder in mehr oder weniger sinnvolles Zeug umsetzen kann.

Muss das sein?

Das alles wirkt auf mich irgendwie unwirklich und aus der Zeit gefallen. Ich stelle mir immer wieder die Frage, warum ich von all der Vielzahl an Produktberatern und Firmenchefs nichts höre oder lese, wenn ihre Produkte in der Kritik stehen oder hinterfragt werden? Haben die Damen und Herren von der öffentlichen Wahrnehmung der heutigen Landwirtschaft wirklich noch nichts mitbekommen? Wo sind dann deren Argumente? Warum stehen die Umweltwirkungen irgendwo versteckt im Kleingedruckten auf dem Beipackzettel? Ihr werdet es nicht glauben, aber bei ähnlicher Wirkung würde ich das Produkt bevorzugen, dass die geringsten negativen Umweltwirkungen hat. Ja, auch wenn es etwas teurer ist.

Liebe Firmenchefs, lasst uns mit dem ganzen Papiermüll in Ruhe, ich lese den meist nur kurz oder eh nicht. Und nach spätestens einer Woche fliegt der vom Schreibtisch in die Rundablage (= Papierkorb).

Verschont uns mit euren Rabattsystemen, denn ich interpretiere die als versuchte Bestechung oder Bauernfängerei mit Glasperlen. Das ganze Geld das ihr für die angeblichen „Geschenke“ ausgebt, bezahlen wir ohnehin letztendlich selbst. Das ist nicht kundenfreundlich! Wenn ihr es schon ausgebt, dann für etwas Sinnvolleres.

Ihr wollt Beispiele? Gerne!

Finanziert die Kosten für den Sachkundenachweis, lasst die Landwirte bei neutralen Dozenten Seminare machen, gerne auch in Rhetorik oder Social Media. Finanziert Pflanzenschutz-Arbeitskreise. Erstellt für Youtube gute Erklärvideos statt schwachem Propagandabrei. Unterstützt die Eigeninitiative von Landwirten wie etwa „Heimische Landwirtschaft“, „Unsere bayrischen Bauern“, „Echt grün – Eure Landwirte“ oder in Österreich „Land schafft Leben“. Die Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig.

Da wäre das viele Geld sinnvoll angebracht und das Hirnschmalz eurer Marketingexperten geistreich verwendet. Wenn ihr Hilfe braucht, könnt ihr ja auch uns fragen…

Euer Bauer Willi

(Aufrufe 880 gesamt, 1 heute)

47 Kommentare

  1. Gurkenhobel sagt

    Nun, nach dem, was ich hier so lese, offenbart sich schon ein seltsames Bild… Einerseits wird über den ganzen Werbekram geschimpft. Wenn ich dann aber daran denke, was so immer an unserem Messestand auf der Agritechnica abgeht, ist das Verhalten vieler Landwirte schon so erbärmlich, dass es fast schon zum Fremdschämen ist. Da kommen Leute mit Einkaufswagen (!!, wie kommen die damit rein?) voller Zeug vorbei und fragen nach allem, was da ist. Mit Kinderwagen, voll Werbezeug, ohne Kind. Einige Leute gehen ungeniert hinter unseren Tresen und schauen, was da so mitzunehmen ist und sind ernsthaft entrüstet, wenn man sie auf ihr unverschämtes Verhalten anspricht. Das sind naürlich wenige “Extremisten”. Es gibt viele, die fragen auch nach einem Kuli, Zollstock, Block usw., und bedanken sich dann. Am letzten Tag ist “Abgreifertag”, so heißt das bei uns intern. Einige Broschüren werden extra für die Messe angefertigt, und wir wissen ganz gut, wie viel wir da brauchen. Ist es trotzdem mal zu viel… Kein Problem! Einfach auf den Tischen an den Gängen platzieren. Das Material verschwindet zuverlässig innerhalb kurzer Zeit, die Abgreifer nehmen alles, aber auch wirklich alles mit.
    Nun frage ich mich: Wenn das alles so lästig und unerwünscht ist, warum wird es hier mitgenommen? Nachdenklich…

    • Ehemaliger Landwirt sagt

      Na ja,
      dass Kuli, Zollstock, Block usw. ihre Abnehmer findet, leuchtet mir ein,
      aber Broschüren von Geräten die man nicht braucht, sind doch völlig unnütz, was soll man mit Altpapier anfangen.

      Wenn ich früher auf der Intervitis in Stuttgart war und mich für ein Gerät interessierte, da brauchte man nicht nach einem Glas Wein betteln, den Kuli und die Werbeprospekte wurden einem in die Hände gedrückt.

      Aber warum kritisieren sie, dass die Prospekte mitgenommen werden, obwohl ihre Firma die Messebroschüren zur Müllentsorgung bereitlegten?

    • Ich seh das so sagt

      Sie haben damit insofern Recht, daß man von Messen immer wieder hört, daß selbst Ackerschienen, Anhängevorrichtungen, sowie alles was nicht unter 500 kg hat, angenagelt, angeschweißt ist udgl. sich in Luft auflösen. Das wäre wirklich mal einer näheren Betrachtung wert.
      Nur wie sie selbst sagen, es geht dabei um Messen.

      In Willis Beitrag geht es um die Betrachtung, daß hier sehr viel Geld in den Schornstein geht, weil z.B. über Sortenversuche (und die sind mehr als sinnvoll und notwendig – gar keine Frage) auch nahezu jede bäuerliche Zeitung zeitgerecht informiert und zudem die Bewertungen der Versuchsanstalten heutzutage im Internet einsehbar sind.

      Die “Präsente” die es dazu gibt, könnte man sich ja – wie wir jetzt von ihnen erfahren – auch auf jeder Messe holen 🙂
      (Weltspartage sind auch noch so ein Tipp)

      Auch bei Pflanzenschutzmitteln sind die vergleichenden Auflistungen aller zugelassenen Mittel z.B. für eine Frucht genauso Serviceangebot vieler Agrarjournale.

      Es wäre also wirklich wünschenswert, wenn viele dieser Firmen modernere und zeitgemäßere Wege auch in der Information der Bevölkerung und der Bauern gehen und sich auch der Öffentlichkeit und den öffentlichen Diskussionen stellen.
      Schließlich sind viele Firmen ein durchaus bedeutender Faktor der dt. Wirtschaft – kann ja nicht sein, daß die nur in Börseblättern was zu sagen haben und in der restlichen Öffentlichkeit nichts zu erzählen haben.

    • Bauer Willi sagt

      @Gurkenhobel
      Das mit dem “Fremdschämen” ist richtig. Es gibt tatsächlich ein paar Menschen, bei denen der Jäger-und-Sammler-Trieb offensichtlich extrem ausgebildet ist. Habe selber mal ein paar Tage auf einer Messe gestanden und die Leute beobachtet. Das waren nicht die hellsten Geister. Mir geht es aber um die unaufgefordert zugesandten Hochglanzbroschüren und auch Geschenke. Gegen eine Karte “jetzt an die Saatgutbestellung denken” ist ja nichts einzuwenden, aber Du weißt sicher genau, was gemeint ist. Das Geld wäre meines Erachtens in Aktionen, die den Landwirten einen echten Mehrwert bringen, besser angelegt. Beispiele habe ich ja genannt, ich will also nicht nur schimpfen, sondern auch Vorschläge machen.
      Bauer Willi

  2. Friedrich sagt

    Gerade die Pflanzenschutzmittelhersteller verdienen sich an uns eine “Goldene Nase”. Die richten ihre Verkaufspreise nicht eigenen Herstellungs- und Vertriebskosten aus , sondern danach , daß der Bauer noch einen Gewinn hat , wenn er das Produkt einsetzt. So zahlen wir als Käufer die Werbemittel sehr teuer. Im Baumarkt wäre es erheblich billiger zu bekommen.
    Im Verkauf wird halt das Geschäft gemacht. Da haben wir Bauern noch einigen Nachholbedarf. Ich hole ab 100 Euro Einkaufwert ein zweites Angebot ein. Die Händler vor Ort sind meist die Teuersten beim Einkauf und zahlen für unsere Produkte im Verkauf am Wenigsten.Normalerweise sollte man die Handelspartner vor Ort stützen , aber warum soll ich 8 – 12 % mehr für den Einkauf zahlen und wie im letzten Jahr 3 Euro/dt weniger für meinen Weizen bekommen. Da kann mich auch kein Zollstock oder Kalender überzeugen.

  3. bauerhans sagt

    ich hatte mal nachgefragt,warum ein fussballer für ein rübenspritzmittel reklame macht und bekam sogar eine antwort,dass der “davon überzeugt wäre”.
    gute erklärvideos bz. pflanzenbau gibts von NU-AGRAR.

  4. Die Firmen machen diese Materialschlacht, weil sie funktioniert. Reichtum und Erfolg imponieren dem Publikum, die führende Marke hat die meisten Fans, ob bei Landmaschinen, Saatgut oder Fußballvereinen. Der Bauer will zeigen, dass er sich das leisten kann und macht sich selbst zum stolzen Werbeträger für die Industrie. Und er bezahlt sogar noch dafür!
    Kein Wunder, dass es für die Landwirtschaft immer enger wird zwischen der vor- und nachgelagerten Industrie.

    • Alois Wohlfahrt sagt

      Es ist die Macht der Marken. Doch bei Landwirten und vor allem bei den landwirtschaftlichen Bildungsinstitutionen ist dieses Wissen nicht angekommen. Dort ist das kostengünstiger produzieren als Glaubenssatz verankert. Der Bauer produziert und der Verarbeiter und Handel vermarktet. Und wenn dem Bauer das Geld nicht mehr reicht, dann soll er bei der Politik betteln gehen…

      • Ehemaliger Landwirt sagt

        Die selben “Probleme” habe ich auch,
        wer keine PSM mehr kauft, bekommt auch keinen Messbecher geschenkt.

        Genauer gesagt, im Preis des PSM ist der Messbecher bereits enthalten.

      • Ehemaliger Landwirt sagt

        Die meisten werden sich nicht von Werbebroschüren blenden lassen. Wenn man man die Spritzversuche verfolgt (was für jeden Landwirt notwendig ist), merkt man, dass jeweils das Mittel das beste sein soll , das von der Firma die jetzt den Versuch durchgeführt hatte.

      • bauerhans sagt

        “Dort ist das kostengünstiger produzieren als Glaubenssatz verankert.”

        ist aber in der praxis nicht angekommen:
        pacht- und maschinenkosten sind zu hoch,arbeitskosten werden nicht berücksichtigt,weil familiemithilfe genutzt wird.

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