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Alois – Weitreichende Entscheidung

Ob eine Entscheidung gut oder schlecht war, erkennt man oft erst Jahre später. Das Jahr 2015 erlöste mich von manchen Zweifeln. Dafür bin ich sehr dankbar.

So wie Palla, entschied ich mich schon vor 20 Jahren die Milchviehhaltung aufzugeben. Mehr noch – ich extensivierte anstatt zu wachsen: Ich stellte auf Bio um und habe fast alle Pachtflächen abgegeben. Obendrein baute ich meinen alten Stall zu Gewerberäumen um, was jahrelang eine Haupteinnahmequelle des Betriebes war. Als jedoch vor 2 Jahren mein Mieter auszog, ließ sich das Loch nicht so einfach stopfen. In der Folge zweifelte ich oft an meiner eigenen Entscheidung von damals.

Im Januar dieses Jahres erschien ein Altenpfleger und interessierte sich für die Gewerberäume. In den folgenden Monaten reifte in unseren Köpfen das Projekt „Tagespflege für Senioren auf dem Bauernhof“. So ganz einfach war dies zwar auch nicht mit all den Formalien und Vorschriften. Doch wo eine starke Idee und begeisterte Menschen sind, da bahnt sich auch ein Weg. Im Mai erfolgten dann die Unterschriften unter die Verträge, gefolgt vom Umbau-Start im Juli. Nach stressiger Bauphase, dann endlich am 4. Dezember die feierliche Eröffnung. Jetzt, Ende Dezember, kommen schon zahlreiche Tagesgäste: Mein neuer Mieter ist sehr zufrieden.

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Ich atme tief durch und spüre Erleichterung und Dank. Meine Entscheidung von damals – sie hat sich auch nach 20 Jahren noch als richtig bewahrheitet. An den sozialen Aspekt hatte ich allerdings damals gar nicht gedacht. Der Betreiber der Altenpflege jedoch setzt auf die natürliche Umgebung Bauernhof. Er ist überzeugt von den Möglichkeiten, die ein Bauernhof für Senioren bieten kann. „Das ist therapeutisch viel besser als eine sterile, künstliche Welt.“

Natürlich höre ich sowas gerne. Ich hatte auch schon vor 20 Jahren fest daran geglaubt, dass mein Bauernhof wesentlich mehr kann als große Mengen an Lebensmittelrohstoffen zu erzeugen. Doch ich höre auch, „…dass das jetzt wohl kein richtiger Bauernhof mehr ist!“ Gegenfrage: „Was ist denn ein richtiger Bauernhof?“. Ich bin gerne Bauer, bewirtschafte meinen Besitz und nutze die Möglichkeiten, die mir das Umfeld bietet auch für meinen Hof. Folglich engagiere ich mich als Unternehmer mit bäuerlichen Werten. Jenseits von Ideologie und Politik. Ich will ein tragfähiges Fundament für meinen Hof, den mir meine Eltern gegeben haben, damit ich ihn wieder an meine Kinder übergebe. Ich bin sehr dankbar, dass ich dabei Menschen treffe, die nach ähnlichen Werten handeln. Das verbindet uns. Danke für die Unterstützung. Danke an meine Familie. Danke auch an Willi. 🙂

Ich glaube daran, dass Verbraucher und Bauern keine Gegensätze sind. Lasst uns nach gemeinsamen Wegen suchen. Das ist mein Wunsch für das Jahr 2016.

Euer Alois

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22 Kommentare

  1. Heika sagt

    Ich bewundere euch im Süden! Ihr seit nicht so verbohrt wie wir oben in Norddeutschland . Hier geht vieles nicht, weil man gar nicht über andere Möglichkeiten nachdenken will. Einmal Kühe immer Kühe! Es schreckt viele auch ab für seine Ideen einzustehen. Anders zu denken und zu handeln wird als Schwäche dargestellt. Aber jeder möchte doch mit dem Hof den man hat sein Auskommen haben und sollte es so tun wie man es für richtig hält. Also Hut ab Alois und viel Glück von der Waterkant.

    • Alois Wohlfahrt sagt

      Ob man das so pauschal sagen kann, weiss ich nicht. Vielleicht liegt ein Grund darin, dass in unserer Region die leinstrukturierte Landwirtschaft seit jeher dominiert. Dass es den, von Politik und Verbänden, glorifizierten Vollerwerbsbetrieb eigentlich in unserer Region niemals gab. Da war und ist es normal, dass ein Bauer mehrere Standbeine hat.
      Die größte Ideenbremse sehe ich in der Subventionspolitik. Wenn ich mein Denken nach Förderrichtlinien ausrichte, dann beschneide ich meine Kreativität. Am Ende macht der Bauer nur noch das wofür es einen Zuschuß gibt, aber nicht mehr das was er eigentlich selbst machen will.

      • Ehemaliger Landwirt sagt

        Und somit sind wir wieder bei der EU-Politik:

        In Europa darf es nie wieder Hunger geben.

        Wenn jetzt zu viele Betriebe mit Milchkühen aufhören würden, dann haut die EU ein paar Milliönchen für große Stallbauten raus, damit der Verbraucher jederzeit mit 110% der benötigten Milchmenge versorgt ist.

        • Alois Wohlfahrt sagt

          Man darf als Landwirt ruhig beten:
          “Und führe uns nicht in Versuchung…
          …sondern erlöse uns von der Staatsgläubigkeit!”

  2. Palla sagt

    Ein tolles Projekt, bei dem ich dir, Alois, und deinen Mitorganisatoren viel Erfolg wünsche.
    Es passt so gar nicht in das Klischee des klassischen Altenheims und das ist auch das Gute daran.

    Ich kann mir gut vorstellen, dass es geht nicht so sehr darum geht, dass die Leute Wurzeln in der Landwirtschaft haben und dieses Gefühl irgendwie erhalten sollen. Vielmehr gibt es doch in der Natur und in der Beobachtung von Tieren oder dem vorbeifahrenden Traktor so viel Anregung und Abwechslung gegenüber einem eher langweiligen Alltag womöglich in der Stadtwohnung. Zudem gibt sehr viel Nähe wenn die Katzen herkommen und gestreichelt werden können.

    Eine individuelle Lösung für deinen Betrieb, bei der der Landwirtschaft eine neue Bedeutung zukommt!

    • Alois Wohlfahrt sagt

      Hallo Palla,
      Du hast es richtig erkannt. Es geht nicht um Klischees. Es geht um die Menschen: Natur, Tiere, ein bisschen “Action” und Zuwendung. 🙂
      Alois

  3. Michael Reber sagt

    Beeindruckend, was aus Ideen werden kann, wenn man im Kopf offen für Neues ist! Ich drücke Dir die Daumen, dass das eine Erfolgsgeschichte wird, aber eigentlich zweifle ich nicht daran!

  4. Griaß Di Alois,
    einfach super die Idee! Ich kenne die Räume und bin ganz begeistert, dass Du hier wieder mal eine aussergewönliche Kombination zur modernen Landwirtschaft mit viel Zuversicht und Tatkraft in die Realität umgesetzt hast. Ich wünsch Dir, Gabi und deinen Kindern alles Gute fürs neue Jahr. Gruß Michl

    • Alois Wohlfahrt sagt

      Hallo Michl,
      i dank dr schee. 🙂
      schön wieder mal von Dir zu hören. Ja, es hat sich vieles zum Guten gewandelt. Es ist schön geworden. Kannst gerne mal vorbei kommen. Besucher sind immer willkommen.
      Ich wünsche Dir und Deiner Familie “au an guate Rutsch” 🙂
      Alois

  5. Ich habe in der Vergangenheit gelernt das die meisten, die jemanden etwas absprechen weil sein Handeln nicht in ihr Schema passt ziemliche Armleuchter sind. Insofern würde ich mir an deiner Stelle keine Gedanken darüber machen ob du nun einen “richtigen” Bauernhof hast oder nicht.
    Es ist dein Leben, und wenn es Dir mit der Entscheidung gut geht, dann war sie richtig.

    Als Verbraucherin wünsche ich mir zwar, dass es noch lange möglichst viele Bauern gibt die wenigstens als Teil ihres Geschäftsbetriebs Lebensmittel produzieren.

    Aber ich kann jeden Bauern verstehen, der sich auf Grund der Erlöse, Bürokratie und mangelnder Wertschätzung seiner Arbeit nach Alternativen umsieht.

  6. Ehemaliger Landwirt sagt

    Hallo Alois,
    Du hat mal einen Entscheidung getroffen und deinen alten Stall zu Gewerberäumen ausgebaut. Dazu braucht es eine Genehmigung, bei uns nennt man das Nutzungsänderung.

    Ferienwohnungen bekommt man in BW schnell genehmigt, bei einem Seniorenwohnheim habe ich meine Zweifel. Aus Grund der Tische kommt man über 15 Bewohner.

    https://www.landwirtschaft-bw.info/pb/site/lel/get/documents/MLR.LEL/PB5Documents/lrahn/Bauen%20im%20Auenbereich_LWA%20HN.pdf

    Selbstverständlich sollte jeder Betrieb andere Möglichkeiten ausloten, um finanziell über die Runden zu kommen, die Arbeitsbelastung sollte nicht zunehmen, sonst wäre es besser das Hoftor, nicht nur das Stalltor zu schließen.

    Wir haben uns vor 36 Jahren entschlossen, dass meine Frau weiter in ihrem Beruf arbeitet, meine Berufskollegen habe das lange nicht verstanden was mir da machen, heutzutage, zumindest mit dem Blick auf die zukünftige Altersrente, erklären die mir, dass unsere Entscheidung richtig war.

    • Alois Wohlfahrt sagt

      Ja, schon die erste Nutzungsänderung damals war ein bürokratischer Kraftakt, weil mein Hof im Aussenbereich liegt. Diesmal war der Brandschutz die größte Hürde, da mit der Nutzung als Tagesheim das Gebäude als quasi öffentlich eingestuft wurde. Diese bürokratischen Hemmnisse schrecken viele ab.
      Doch ich kann das auch anders sehen. In dieser Nische wird man sich die nächsten Jahre nicht gegenseitig auf die Füße treten und Überkapazitäten schaffen, wo dann nur noch zu Tiefpreisen vermietet werden kann.

    • Michael Reber sagt

      Wenn ich das richtig verstanden habe, ist das ja eine Tagespflege, also keine “Bewohner” im klassischen Sinn, oder, Alois?

      • Alois Wohlfahrt sagt

        Hallo Michael,
        ja es ist eine Tagespflege. Die Gäste werden von Fahrdiensten in der Früh gebracht und am späten Nachmittag wieder abgeholt. Einige werden auch von den Angehörigen selbst gebracht. Die Gäste werden in Gruppen und auch individuell betreut. Je nach Wunsch und Anforderung. Es gibt einen großen Gemeinschaftsraum mit Wohnküche, dazu Ruhe- und Gruppenräume sowie ein behindertengerechtes Pflegebad (eigentlich Wellness).
        Das Highligt aber ist die nach Süden gerichtete Terrasse mit Garten und Blick in die Oberstdorfer Berge. Die Terrasse ist auch der Begegnungsraum mit der Landwirtschaft. In Sichtweite sind die Stallungen und der Auslauf für meine Rinder und Pferde, sowie auch die Maschinenhalle und die Hackschnitzelheizung. Da ist dann immer ein bisschen was los, was den Gästen gefällt. Und ganz nebenbei sind die Katzen sehr gern gesehene Besucher auf der Terrasse. Je nach Wetter werden auch betreute Spaziergänge auf den Feldwegen gemacht.
        Mal sehen, was im Laufe des Jahres noch so an Bedarf und Ideen entsteht. Mich freut es jedenfalls persönlich sehr, dass es den Gästen offensichtlich hier sehr gut gefällt. Aber man muss das sicher langfristig sehen um es endgütlig beurteilen zu können.
        Alois

  7. bauerhans sagt

    ich denke gerade an die schwiegertochter des einen nachbarbetriebes,die als pflegefachkraft so ein kurzzeitpflegekonzept für das grosse bauernhaus geplant,im kleinen rahmen erfolgreich umgesetzt hatte,aber letztlich doch an den sehr hohen auflagen bz.brandschutz gescheitert war.

    • Alois Wohlfahrt sagt

      Oh der Brandschutz… 🙁 da könnte ich auch noch ein paar Stories liefern. Hat mir einen Monat Bauzeit und auch ein paar tausend Euros zusätzlich gekostet. Aber als Landwirt konnte ich auch Trümpfe ausspielen, wie das Umfunktionieren der alten Güllegrube als Löschwasserbecken. Problem erledigt. 🙂

  8. lieber Alois,
    vielen Dank für deine offenen Worte. Wenn man deine Zeilen liest merkt man: Das Leben ist halt keine Autobahn, die geradewegs ans Ziel führt. Das Leben ist eher ein Wirtschaftsweg, der krumm und bucklig mit vielen Kurven durch die Landschaft führt.
    Auf diesem Weg zu gehen, das bedeutet auch mal mühsam einen Hügel zu besteigen, dann aber die Aussicht zu geniessen und wieder entspannt ins Tal zu wandern.
    So ging es auch dir: Ich habe das Gefühl, du bist auf der richtigen Route. Und wenn du dahinterstehst, ist die Entscheidung auch richtig gewesen.
    Uns besuchten auch schon mehrmals Senioren aus Kempten. Ich zeigte ihnen den Hof, die Tiere und anschliessend gab es Kaffee und Kuchen von der Bäuerin.
    Die Menschen waren so glücklich. Ich denke sie sind deswegen glücklich, weil viele von ihnen noch Wurzeln in der Landwirtschaft haben.
    Ob man den jetzigen Generationen so ein Gefühl noch vermitteln kann, ich weiß es nicht.
    Dir und deiner Familie, lieber Alois, wünsche ich auf jeden Fall viel Erfolg mit deinem Projekt und viele glückliche Senioren auf deinem Hof.
    Und mach dir keine Gedanken: wozu die ” richtige Landwirtschaft” führt, das sehen wir ja gerade.
    Jeder der wohlüberlegt ausreißt und eigene Wege geht, entlastet den Markt.

    • Alois Wohlfahrt sagt

      Hallo Franz, mein Lieblingsspruch: Umwege erhöhen die Ortskenntnis. Mit der Zeit lernt man auch mit den Steinen, die einem im Weg liegen, zu bauen. Das Wunderbare ist, es tun sich immer wieder Wege auf.
      Wie schon geschildert, hatte ich den sozialen Aspekt pro Bauernhof überhaupt nicht auf dem Schirm. Als wir dann aber in der Richtung zu suchen und zu planen anfingen, da kamen dann sogar noch weitere Interessenten. Zweimal in Richtung Altenpflege und einmal in Richtung Kindertagesstätte. Am Ende hätte ich dreimal vermieten können.
      Ich wurde auch schon gefragt, ob ich weitere Landwirte wüsste, die bereit wären in solche Richtungen zu investieren. Also muss da doch in gewisser Hinsicht ein Bedarf sein.
      Alois

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