Bauer Willi
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Artenreichtum auf Beton

Lotte ist eine junge Bauerntochter, die sich Gedanken um den Rückgang der Artenvielfalt und die Versiegelung der Landschaft gemacht hat. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass wir alle daran nicht ganz unschuldig sind. Und wir es uns zu einfach machen,  wenn wir die Sache mit der Artenvielfalt nur auf die Landwirte schieben.

 

Lieber Mitbürger,

du profitierst ganz schön vom mangelnden Artenreichtum. Wie bequem ist es für dich, mit dem Auto direkt vor den Baumarkt oder den Discounter vorzufahren? Denn der Boden, der mal unser Acker, Grünland oder Wald war, wurde schön zugepflastert, damit du darauf parken und einkaufen kannst. Nur keinen Meter zu weit mit dem Einkaufswagen fahren.
Wie gut geht es deiner Stadt, wenn sie 10 Hektar unseres besten  Ackerlandes für Gewerbeflächen ausweist und so richtig viel Gewerbesteuer einnimmt? Die Industriebrachen will keiner, die gammeln vor sich hin.

Brauchst du wirklich den zehnten Baumarkt im Grünen? Brauchst du das hundertste Neubau-Wohngebiet, obwohl alle demographischen Entwicklungen prophezeien, dass wir immer weniger Menschen in Deutschland werden? Ich denke nicht, dass Beton eine gute Lösung ist. Wenn man kurzfristig denkt ist es total bequem: noch eine Autobahnabfahrt, noch eine Umgehungstrasse, noch ein Einkaufszentrum,… aber, lieber Mitbürger, denk doch mal fünf Minuten weiter und denk nicht nur an dich.

Lieber Mitbürger, es ist so einfach, der Landwirtschaft die Verantwortung für die den Rückgang der Artenvielfalt zuzuschreiben.  Du machst doch da genau kräftig mit. Wie einfach ist es, wenn man Zuhause noch nicht einmal den Rasen mähen muss, weil die Blumenmuster in den Pflastersteinen die einzigen Pflanzen in deinem „Vorgarten“ sind. Du kümmerst  dich vielleicht noch um deine Einheits-Thuja-Hecke und den kurzgeschnittenen Rasen, Marke „Berliner Tiergarten“. Wie praktisch, dass dich an lauen Sommerabenden keine Viecher mehr stechen – denn sie sind nicht mehr da. Ganz logisch: Wo keine Pflanze steht, sind auch keine Insekten. Praktisch ist für dich auch, dass die Vögel in dem ganzen Beton keinen Nistplatz mehr finden, dann kacken sie dir nicht auf den Weg oder auf dein neues Auto und du hast weniger zu putzen!

Ja, Landwirte mögen mitverantwortlich am Rückgang der Artenvielfalt sein. Denn sie setzen Pflanzenschutzmittel ein, um hohe Ernteerträge einzufahren, damit du, lieber Mitbürger, dein Brot und deine Lebensmittel billig einkaufen kannst – das wolltest du doch oder? Zumindest spricht dein Einkaufsverhalten eine klare Sprache!

Die Landwirte haben aber auch technische Lösungen – ohne Pflanzenschutz – gefunden, gegen Unkräuter vorzugehen und die Erträge zu steigern, zum Beispiel mit einem engen Reihenabstand im Kornfeld. Das geht aber auch zu Lasten der Artenvielfalt, denn dann hat kein Vogel der Feldflur mehr Platz zum Landen oder Brüten zwischen den paar Zentimetern im Kornfeld. Aber um das  wieder auszugleichen, legen die Bauern Lerchenfenster an. Und nicht nur das. Im Rheinland zum Beispiel sorgen die Landwirte auf den eigenen landwirtschaftlichen Flächen mit Blühstreifen und Brache-Flächen wieder für mehr Artenvielfalt. In  bunten Mischungen finden Bienen und Schmetterlinge Nahrung und Feldvögel ihre Brutstätten. Das sieht nicht nur schön aus, das bringt auch wirklich was!

Lieber Mitbürger, denk mal nach: Wenn jeden Tag in Deutschland rund 70 Hektar zubetoniert wird – jeden Tag wohlgemerkt – dann wird der Platz für die Artenvielfalt jeden Tag weniger. Etwa 70 ha groß ist aber auch dein geliebter bäuerlicher Familienbetrieb, der jeden Tag unter Beton und Asphalt verschwindet. Wenn Du also demnächst mal wieder was vom Rückgang der Artenvielfalt hörst, liest und im Fernsehen siehst: Du und deine Bequemlichkeit sind daran nicht ganz unschuldig.

Deine Lotte

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25 Kommentare

  1. Ulrich sagt

    Hallo Lotte,
    nichts für ungut, aber du pauschalisierst in deinem Beitrag in ähnlicher Weise wie mancher Stadtmensch den Landwirt als Tierquäler, Umweltverschmutzer und Subventionsschmarotzer pauschalisiert. Ich sehe es so: Wir brauchen einander. Als Produzenten und Konsumenten. Auf beiden Seiten wird es immer kurzsichtige Egoisten geben, aber auch immer Verständnis füreinander. Lass uns dieses Verständnis weiter vergrößern. Diese Website ist ein toller Kanal dafür.

    Liebe Grüße
    Ulrich
    (Der berufsbedingt in der Stadt leben muss, aber die Hälfte seines Nahrungsmittelbudgets auf dem Markt und damit bei den Bauern in der Region lässt.)

  2. Nic für Ungut Lotte,

    aber Sie hinken Ihrer Zeit ‘n büschen hinterher: Für Bauern gilt eine EU-Vorschrift, die zum 1. Januar in Kraft trat. Ackerflächen und Felder dürfen nicht völlig bewirtschaftet werden. Vielmehr müssen 5 % für die Grünlanderhaltung, das sogenannte “Greening” reserviert bleiben. Und dafür gibt es auch richtig Geld von der EU.

    • Bauer Willi sagt

      Liebe Frau Kerz
      Das Greening bezieht sich nicht nur auf die Grünlanderhaltung sondern auf alle bewirtschafteten Flächen. Die Grünlanderhaltung gehört aber zu den Maßnahmen dazu. Und es gibt auch nicht “ordentlich Geld dafür” sondern es gibt kein Geld, wer das Greening nicht “befolgt”. Im Artikel von Lotte geht es im ‘Wesentlichen ja um die Versiegelung der Landschaft im Interesse unserer Mitbürger. Wir Landwirte tun so schon einiges.
      Habe zum Greening vor einiger Zeit schon einen Artikel geschrieben. Finden Sie im Archiv.
      Bauer Willi

      • Hertha Kerz sagt

        ja, aber Lotte stellt es so dar, als ob der Grünflächenerhalt eine Initiative der Landwirte sei. Vielmehr haben sich das die “Brüsseler” ausgedacht, weil ihnen die Versiegelung der Landschaft selbst ein Dorn im Auge ist. Da Landwirte dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht von selbst machen würden, geht es mal wieder nur mit Geld.

        Und zur Versiegelun selbst: Egal ob Brötchen mit dem Auto geholt werden oder wie und was auch immer. ich vermute mal stark, dass niemand, auch Menschen, die in Dörfern leben, noch Sandwege favorisieren würden, in deren Matsch sie bei Regen knöcheltief versinken.

        Und ja, der Bürger “braucht den zehnten Baumarkt auf der grünen Wiese”. Nicht wegen der “hervorragenden” Qualität der Produkte, sondern weil dörfliche Umfelder erschlossen werden müssen, damit sich dort Firmen, Gewerbe und Industrie ansiedeln. Wir sehen es doch überall – die Regionen, in deren Dörfern man “knietief im Matsch versinkt”, Arbeitslosigkeit und bittere Armut ohne Ende – und zwar in Deutschland. Nicht irgendwo in der Pampa. Wie sollte man diese Probleme lösen?

  3. Palla sagt

    Kennt ihr als Anhänger der lebendigen Gärten Dieter Wielands Film: “Bauen und Bewahren-Der Garten” ?

    https://youtu.be/d-fVCaYdwN0

    Eine Liebeserklärung an lebendige Gärten und eine Zustandsbeschreibung ( ab 4:40) der modernen Gärten Anfang der 80er in einer unnachahmlichen Weise. Äußerst sehenswert!

  4. Palla sagt

    Ich habe zunehmend den Eindruck, dass der Begriff Artenvielfalt missbräuchlich verwendet wird. Eigentlich sagt er ja nichts anderes, als dass viele Arten da sind-nicht mehr und nicht weniger. Ich habe aber den Eindruck, dass sich die Vorstellung durchsetzt es handelt sich im pflanzlichen Bereich ausschließlich um bunt blühende Wiesen.

    Mal abgesehen vom häufig gemähten Rasen, den nur wenige Arten aushalten, ist auch die intensiver genutzte, im Moment ausschließlich grüne Wiese, nicht nur grün, sondern besteht aus einer Vielzahl von Ober- und Untergrasarten, verschiedenen Leguminosen- und Kräuterarten. Auch eine lückige Brachfläche kann enorm viele Arten aufweisen. Nur sind das eben dann Distelarten, Ampferarten, Brennesselarten, Wegericharten und co. und die sind eher schlecht nutzbar (Ich weiß, dass man Brennnesselsud im Ökolandbau einsetzt! ;-)). Oder mein Beispiel von den Grünstreifen der A40: Viele Arten, aber viele neu eingewandert und das kann durchaus problematisch sein (Drüsiges Springkraut!)

    Mit dem Begriff Artenvielfalt ist also keine Bewertung des Nutzens für Mensch und Tier verbunden und es macht Sinn sich anzuschauen was da eigentlich gerade beschrieben wird. Um welche Arten bzw. Flächen handelt es sich? Werden evtl. Äpfel mit Birnen verglichen, weil man Pflanzengesellschaften, die nur an bestimmten Standorten vorkommen miteinander vergleicht? Soll die Pflanzengesellschaft für eine bestimmte Tierart von Nutzen sein? usw.

    • Alex sagt

      Im Text oben geht es ja stark um Flächenversiegelung. Da ist die Artenzahl zunächst 0. Auf landwirtschaftlichen Ackerflächen ist Artenvielfalt i. d. R. unerwünscht – aber da werden ja Ausgleichsflächen geschaffen dank Greening (und mancher freiwilliger Maßnahme).

      Menschen, die mit Natur wenig am Hut haben, können einfach anhand einer “bunt blühenden Wiese” Artenvielfalt erkennen: Es blüht weiß, lila, rosa in ganz unterschiedlichen Formen – das müssen unterschiedliche Arten sein! (Ich weiß: Müssen sie nicht – aber darum geht es mir gerade nicht :-)) Stellt man die gleichen Personen vor eine Fläche Intensivgrünland eine Woche nach dem Schnitt, sehen sie halt nur eine “Art”: Gras.

  5. Alex sagt

    Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Da muss man nicht mal an die Stadtplaner gehen, das fängt schon in der kleinstmöglichen Einheit an: Wohnen mit eigenem Garten oder mit Gemeinschaftsgrün. Ich wohne zur Miete mit eigenem Garten, auf dem Dorf und wechsle öfter mal den Wohnort. Ich werde entweder von Vermietern oder Nachbarn angesprochen, dass ja mal der Rasen öfter gemäht werden muss (weil es nicht geht, dass da schon ein Blümchen blüht!) oder was das soll, dass ich im Vorgarten so viel “unordentliches Unkraut” habe und dass ich das mal zupfen soll. Ausserdem hätten sie deshalb sicher so viele Mücken und Fliegen (Das Unkraut war ein Streifen Schmetterlings-Blühmischung, die ich geschenkt bekommen habe) oder ob ich nicht mal den Rasen sprengen möchte, noch ne Woche so eine Hitze und es wäre sicher gelbe Halmspitzen zu sehen (nein, möchte ich noch nicht – verschwendet Trinkwasser, weil ich hier keine andere Wasserquelle habe und wenn man den von vornherein nicht dauernd mähen soll, hält der die Feuchtigkeit auch länger!).

    Und JA: Gegen die ganzen ordentlichen Rabatten mit nem Zierbusch oder dem 5 cm-Golfplatz-Look-alike-Rasen sieht das unordentlich aus. Man sollte meinen, dass
    Dorfbewohner vielleicht eher gewohnt sind, wie es in der Natur aussieht. Am Gartenzaun soll das dann bitte aufhören und das komplette Gegenteil herrschen. Zumindest in den Gegenden, die ich mir immer rausgucke. Vielleicht versuche ich es dann doch mal in der Stadt, wenn ich wieder umziehe 🙁

    • Sandra Schobel sagt

      Meine Mama (Dorf) hat auch einen Garten Marke Bauerngarten, mit vielen Stauden, die sich wild ausbreiten und Sommerblumen, die das genauso gut können. Da steht dann schon mal mitten in den Kartoffeln eine Stockrose (tolle dunkelrote!) und an allen Ecken Ringelblume, Kapuzinerkresse, Schmuckkörbchen und Astern.
      Ihre Nachbarin weisst sie auch regelmässig darauf hin, dass sie doch mal ihren Garten ausmisten müsse ;o)
      Ich find den schön, und sie auch ;o)

  6. Sandra Schobel sagt

    Hallo Lotte!

    Passend zu Deinen Ausführungen sind ja gestern die Ergebnisse der Studie über Städteentwicklung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) herausgekommen und die widersprechen dir zumindest in dem Satz “Brauchst du das hundertste Neubau-Wohngebiet, obwohl alle demographischen Entwicklungen prophezeien, dass wir immer weniger Menschen in Deutschland werden? ”

    In der Studie steht, dass es langfristig einen weiteren Trend zu wachsenden Städten und schrumpfenden Dörfern geben wird.
    Hier in Hannover fehlt Wohnraum, besondern die kleineren, nicht-Luxus-Wohnungen -> mehr Singles in der Stadt.

  7. Walter Parthon sagt

    Andreas Fendt
    13. August 2015
    Und zuletzt: wer spricht sich politisch meist gegen Neubau auf der grünen Wiese aus? Richtig, die bei den meisten Bauern verhassten Grünen, und wer beschliesst doch zu bauen? Richtig, die von den meisten Bauern gewählten Parteien mit dem C im Namen.

    Er Diffamiert hier Menschen, unter dem dritten Namen den ich von ihm hier kenne.

    Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) macht derzeit mit mehr als zweifelhaften Methoden auf sich aufmerksam. Offensichtlich hat der Nabu Betreiber von Windkraftanlagen in Hessen vor die Wahl gestellt: Entweder diese spenden für den Naturschutz oder sie müssen mit einer Klage des Umweltverbandes rechnen. Das geht aus einem Beitrag der Berliner Zeitung hervor.

    Darum geht es: Ein Windpark in Hessen wurde trotz aller für den Betrieb benötigten Genehmigungen von einem Verwaltungsgericht wieder stillgelegt. Fünf von sieben Windmühlen, die bereits ein halbes Jahr lang Strom erzeugten, mussten sofort abgeschaltet werden. Geklagt hatte der Nabu-Landesverband in Hessen.
    Seit Ende des vergangenen Jahres drehen sich die Windräder wieder, weil der Naturschutzbund seine Klage zurückgezogen hat. Grund: Die Betreiber der Mühlen und der Nabu haben sich offensichtlich geeinigt.

    Geld oder Klage
    Die Sache hat allerdings einen bitteren Beigeschmack: Demnach haben die Betreiber der Windmühlen 500.000 Euro in einen Naturschutzfonds gezahlt,

    Topagrar.com – Lesen Sie mehr auf: http://www.topagrar.com/news/Energie-Energienews-Die-merkwuerdigen-Methoden-des-Nabu-1064279.html

    • Sandra Schobel sagt

      was hat das mit dem Thema zu tun? *genervtschau*

      Können Sie Ihren Kleinkrieg nicht woanders führen?

  8. Susanne Günther sagt

    Was mich ärgert, sind die ganzen Kiesbeete in den Vorgärten: Repräsentative Formschnitte, ein paar exklusive Buchsbäume und fertig. Machen wenig Arbeit, aber Futter für Bestäuber blüht da nicht mehr. Wo findet man in Städten denn noch richtige private Staudengärten?

    • Sandra Schobel sagt

      diese Kiesbeete werden mehr, da gebe ich dir Recht.
      Sind halt pflegeleichter, aber auch super hässlich, finde ich. Trotzallem sind diese in Hannover noch eher selten anzutreffen.
      Hier überwiegen die “richtigen” Gärten mit Stauden, Rosen, Büschen…

  9. Sandra Schobel sagt

    Hallo Lotte,

    da muss ich dir jetzt aber widersprechen.
    Wie oft warst du schon in der Stadt? Vielleicht mal abgesehen von den Einkaufsstrassen der direkten City. Städte sind grün, Städte leben, viele sogar mehr als das Land drumherum.
    Da gibt es viel Veröffentlichungen zu, wie z.B. https://www.ufz.de/export/data/1/53951_Knapp_2008_Forum_Geo%C3%B6kologie.pdf

    Bei meiner Schwester sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht, wenn ich im Frühjahr/Frühsommer auf meiner Dachterasse sitze, höre ich die Nachtigall schlagen, die Gabelweihe wird von den Krähen vertrieben und ganz selten verirrt sich auch mal ein Storch auf die Grünfläche auf der anderen Seite der Strasse. Dazu noch die Mauersegler, die sich jetzt schon wieder auf den Weg in den Süden gemacht haben, mich aber den ganzen Sommer mit ihrem Tschilpen begleitet haben.
    Bei uns ans Futterhaus kommen im Winter mehr als 20 Vogelarten.

    Ich lade dich gerne ein nach Hannover und dann zeige ich dir die “graue Stadt”!

      • Sandra Schobel sagt

        … oder in Ricklingen durch die Leinemasch, in Bemerode auf den Kronsberg, von Kirchrode bis zum Maschsee mit dem Rad, die Herrenhäuser Gärten erkunden, im Tiergarten Damwild zählen, in Misburg durch die Mergelgrube toben, in der ganzen Stadt durch Kleingartenanlagen abkürzen und was weiss ich noch alles ;o)

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