Bauer Willi
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40% und die journalistische Sorgfalt

In fast jedem Bericht über einen chemisch-synthetischen Wirkstoff taucht der Begriff 40% auf, allerdings mit unterschiedlicher Bezugsbasis. Mal wird dieser Wirkstoff auf 40% der Ackerfläche, mal auf 40% der landwirtschaftlichen Nutzfläche eingesetzt. Ich bin der Sache mal nachgegangen, denn wenn Zahlen genannt werden, sollten diese auch den Fakten entsprechen. Woher stammen diese unterschiedlichen Angaben und aus welcher Quelle stammen diese? Bei dem hier genannten Wirkstoff handelt es sich um das umstrittene Glyphosat.

Unter anderem auf folgenden Seiten habe ich als Bezug die Ackerfläche (rund 11 Mio. Hektar) gefunden:

https://www.bund.net/umweltgifte/glyphosat/

https://www.welt.de/wirtschaft/article155465971/Darum-ist-Glyphosat-das-wichtigste-Gift-der-Welt.html

http://www.abl-ev.de/fileadmin/Dokumente/AbL_ev/Agrarpolitik/16-02-Glyphosat_-_AbL_Positionspapier.pdf

Andere Medien, darunter auch die renommierte Wochenzeitung „Zeit“ veröffentlichen hingegen, dass es auf 40% der landwirtschaftlichen Fläche (rund 16 Mio. Hektar) eingesetzt wird.

http://www.deutschlandfunk.de/glyphosat-in-der-landwirtschaft-da-wird-jaehrlich-wirklich.697.de.html?dram:article_id=357713

http://www.keine-gentechnik.de/dossiers/gift-und-gentechnik/glyphosat-roundup-herbizide/fakten-zu-roundup-und-glyphosat/

http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-05/glyphosat-landwirtschaft-unkrautvernichter-alternativen

Auf der Suche nach diesen Unterschieden bin ich auf eine Arbeit der Uni Göttingen gestoßen, die im Jahr 2009 einen Fragebogen auf verschiedenen Wegen (Online, Post, Fax) an landwirtschaftliche Betriebe gegeben haben , von denen 896 ausgewertet werden konnten. Die Daten dieser 896 Betriebe wurden auf das Bundesgebiet hochgerechnet und ergab, dass Glyphosat auf 39% der Ackerfläche und 27,5 der landwirtschaftlichen Fläche (LF) eingesetzt wurde. Dabei wurden nur konventionell bewirtschaftete Flächen zugrunde gelegt. Die Details (Aufteilung nach Kulturen) finden Sie im nachfolgenden Link.

https://ojs.openagrar.de/index.php/JKA/article/viewFile/1766/2109

Da ich keine anderen Quellen als die Studie der Uni Göttingen gefunden habe, gehe ich davon aus, dass sich alle Zitate auf diese Umfrage aus dem Jahr 2009 beziehen.

Bevor jetzt wieder darüber diskutiert wird, ob Glyphosat sinnvoll ist oder nicht: Mir geht es bei diesem Artikel darum, dass nicht nur in diesem sondern auch jedem anderen Fall journalistische Sorgfalt geübt wird und die tatsächlichen Fakten recherchiert werden. Sollte die Datenlage unsicher oder unvollständig sein, ist auf Zahlenangaben zu verzichten. Meint jedenfalls

Euer Bauer Willi

 

 

 

 

 

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42 Kommentare

  1. Klemens sagt

    Wie heißt es unter Journalisten: „Ich werde mir doch meine vorgefertigte Meinung nicht durch gründliche Recherche kaputt machen“
    Schlagzeilen sind gefragt nicht Fakten, Gefühle und Meinungen nicht Wahrheiten. Der Leser zahlt immerhin dafür dass er liest was ihm gefällt, er will doch nicht für etwas zahlen was ihm nicht gefällt.

  2. Schweinebauer Piet sagt

    Interessant ist dann auch, dass die Flächen bei dem niedersächsischen Antragsverfahren manchmal größer sind als die Grundbuchdaten, was stimmt nun?

  3. Moritz sagt

    Das traurige an der Thematik ist doch wohl das sämtliche landwirtschaftlichen Verbände und die LWK bisher selbst keine glaubhaften Zahlen liefern können trotz der Milliarden Euros an Fördermitteln die in dieses schwer durchschaubare Agrarsystem fließen.
    Ich vermute mal das es auch garn nicht gewollt ist, so lässt sich für alle schön weiter herum spekulieren. Es reicht aber wenn man sich zu diesem Thema einmal den deutschen Inlandsabsatz der reinen PSM (Pflanzenschutzmittelwirkstoffe) anschaut.

    2005 bis 2014 eine Steigerung von 35.494 Tonnen auf 46.103 Tonnen!

    (Quelle: Statistisches Jahrbuch über Ernährung Landwirtschaft und Forsten 2015)

    • Berthold Lauer sagt

      Leider ist es mir nicht gelungen, die entsprechende Seite aus dem Stat. Jahrbuch hierher zu kopieren, aber es gibt sicher computertechnisch versiertere Teilnehmer die das können. Wenn man das Kleingedruckte unter der Tabelle liest, wird man feststellen, dass allein knapp 6000 t dieser Steigerung auf den Einsatz von Kohlendioxid zum Voratsschutz zurück zu führen sind. Außerdem schwanken die Zahlen insbesondere beim Herbizideinsatz sehr stark. Man könnte daher auch ausführen, dass der Herbizideinsatz von 2012 zu 2014 um 2000 t gesunken ist, obwohl ab 2014 hier auch die „Safener“ erfasst werden. Ebenso wird in der Einleitung darauf hingewiesen, dass der nichtlandwirtschaftliche Verbrauch miterfasst wird und daher der landwirtschaftliche Verbrauch eher überschätzt wird Der Kommentar passt aber wunderbar zu Willi’s Thema.

    • Bauer Willi sagt

      Hallo Moritz
      genau das ist es, was ich mit der Sorgfalt bei Zahlen meine. In meinem Betrieb wende ich Pflanzenschutzmittel mit einem Wirkstoffgehalt von 1.800 g/ha an, aber auch andere mit einem Wirkstoffgehalt von 20g/ha. Die bloße Angabe von Tonnen ist also wenig hilfreich, dient aber dazu, dem Leser etwas zu suggerieren. Vor allem, wenn die Erläuterungen nicht mitgeliefert werden. (siehe Berthold Lauer, der das Kleingedruckte beschreibt) Übrigens sagt der Wirkstoffgehalt nichts über die Gefährdung oder Toxikologie aus. Es ist also notwendig, sich auch mit den Details zu befassen bevor man urteilt (oder verurteilt…)
      Bauer Willi

    • Heinrich Steggemann sagt

      Die Steigerung in diesem Zeitraum geht hauptsächlich auf das Konto der inerten Gase. Habe vor einigen Tagen eine Anfrage zu diesem Thema auf den Weg gebracht. Werden diese Gase überhaupt auf dem Acker eingesetzt, oder erst nach der Ernte zur Haltbarmachung des Erntegutes? Warte noch auf Antwort.

  4. Friedrich sagt

    Unsere Medienschreiber haben immer Recht. Wenn bei uns ein Vertreter war , habe ich immer angeboten , alles auf Sachlichkeit zu Überprüfen . Das ist so gut wie nie passiert , mit den entsprechenden Falschdarstellungen. Deshalb geben große Firmen oder Organisationen immer Presseerklärungen raus , damit nicht zuviel falsch läuft. Aber bei Hofbesichtigungen halte ich das nicht für nötig. So ist das eben auch mit dem Flächenbezug in der Landwirtschaft. Nur die Fachpresse weiß dort zu unterscheiden. Die normalen Pressevertreter sind i.S. Landwirtschaft ahnungslos. Deshalb übernehmen die auch gerne die Darstellungen von den NGOs , den GRÜNEN und vom ABL. Die haben sich immer pressewirksam aufgestellt und bringen so ihre Ideologie über die Medien unters Volk. Da ja in der Vergangenheit keiner gegenhielt war das halt die Wahrheit. Alle Ahnungslosen glaubten es. Seitdem „Bauerwilli“ und andere Blogs dagegehalten sieht die
    Medienwelt schon etwas anders aus und der Ahnungslose kann sich auch eine zweite Meinung einholen. Deshalb sind die Medien auch anders geworden in der Bauerndarstellung , nur die „Öffentlich Rechtlichen “ haben da noch Nachholbedarf. In diesen Rundfunkräten sitzen wohl noch zuviele „Ideologische Vertreter“ um eine sachorientierte Mediendarstellung zu ermöglichen. Deshalb gibt es immer mehr Leute die den „Öffentlich Rechtlichen“ die Rechtfertigung für Zwangsbeiträge absprechen.

  5. Schmeckt gut sagt

    Prima Ansatz, um eine gemeinsame, auch zutreffende Zahlenbasis zu finden. In den Medien geht leider auch vollkommen der Ansatz der Politik zur modernen Handhabung des Pflanzenschutzes unter. Der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz (NAP) wird schlicht nicht erwähnt. Aus welchen Gründen? Es gibt hier wirklich vernünftige Ansätze und das Wichtigste ist, dass der PS nicht grundsätzlich hinterfragt wird, sondern zunächst einmal eine Zahlenbasis bewertet wird. Diese wird dann zugrunde gelegt und versucht, Verbesserungen zu erreichen. Nehmt euch viel Zeit bei der Recherche – es sind enorm viele Zahlen, denn die Seite verlinkt viele Statistiken der zuständigen Behörden. https://www.nap-pflanzenschutz.de/ Ein schönes Pfingstwochenende

  6. Kai Schleyerbach sagt

    Gut, dass du der Sache mal nachgegangen bist.
    Es gibt im übrigen ein sogenanntes Pflanzenschutzpanel, durchgeführt von der Firma Kleffmann im Auftrag aller PSM Hersteller. Die messen weltweit welches Mittel auf wieviel ha in welchen Kulturen und Aufwandmengen eingeset wird. Es gibt also topaktuelle Zahlen …. ist vielleicht schwierig dranzukommen. In DK gibt es bereits eine staatliche Datenbank in die jeder PSM Anwendung eingetragen werden muss. Die ist frei zugänglich.

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