Bauer Willi
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Was will der Kunde?

Diesen Brief schickte mir eine Bäuerin aus Bayern. Er spricht für sich selbst.

 Hallo „Bauer Willi“

ich bin eine der weiblichen, stillen Mitleserinnen, die auf einem Hof eingeheiratet haben. Ich komme aus der Landwirtschaft und mein Herz hängt wirklich dran.

2008 haben wir uns entschlossen, in einem rein ackerbaulichen ausgerichteten Ausläufer des bayrischen Gäuboden, einen Hähnchenmaststall zu bauen. Die damalige Genehmigungsphase (2009) war oftmals sehr kräftezerrend – aber letztendlich ging es. Wir hatten keinerlei Probleme mit der Bevölkerung. Damals nicht und auch heute nicht. Wir sind von Anfang an sehr offen mit der -uns durchaus bewussten- Thematik umgegangen. Seitdem versuchen wir den Endverbrauchen, dem Handel, jeglichen Interessierten, Jung und Alt, da abzuholen wo er sich befindet. Bis jetzt ist es uns gut gelungen.

Es war für uns wichtig, den neuen Betriebszweig gut in den bereits vorhandenen zu integrieren.
Wir wollten wieder eine Kreislaufwirtschaft (Weizen als Futter, dadurch Fleischproduktion und natürlicher Dünger für Feld auf dem dann wieder eine Frucht angebaut wird…..) um ein innerbetriebliches Wachstum generieren, um so weiterhin von unserem Betrieb leben zu können. Eigentlich nichts Schlimmes… wir wollen leben und lassen die anderen auch leben.
Wir verfüttern unseren eigenen Weizen und die bewirtschaftete Fläche reicht locker für den entstandenen Mist.

Und so läuft es

Bei einer Investitionssumme von damals gut 500.000€ rechnet die Bank mit durchschnittlich 6 Durchgängen im Jahr. Die konventionelle Mast läuft folgendermaßen ab:

Einstallen mit geschlechtsgemischten 1-Tagesküken = Tag 0

1-3. Lebenstag wird die Einstalluntersuchung vom Tierarztdurchgeführt (es wird der IST Zustand dokumentiert und eine Sektion an ca 10-15 Tieren durchgeführt)

7/10 Tages Verluste Meldung an die Schlachterei

20 Tag 1. Salmonellen- Tupferprobe

In den ersten Lebenswochen werden die vorgeschriebenen Impfungen durchgeführt

Vorgreifen: 33./34. Tag (ca. 20% der Nutztieren werden „rausgefangen“)

Stall leeren am 39./40. Tag

Jeweils vor dem Vorgreifen/Stall leeren, kommt das zuständige Veterinäramt und macht die Lebendbeschau

Medikamente werden –wenn überhaupt nötig- generell vom Tierarzt verordnet und ausschließlich über das Wasser verabreicht.

Dann folgt die arbeitsintensive Zeit zwischen den Durchgängen (7 -9 Tage):Misten-Kehren-Waschen des kompletten Stalles inkl. der Lüftungskamine- mehrmalige Tränke-Linien Desinfektion. Dann die Großflächendesinfektion der gesamten Stallfläche-Trocknung-Aufheizen (31°Bodentempertur)-Einstreu……. Wieder kommt der neue Durchgang

Es ist gesetzlich geregelt, dass in der konventionellen Hähnchenmast zu keiner Zeit der Mast mehr als max. 39kg Lebendgewicht des Tieres stehen darf (deswegen auch der Vorgriff). Mc Donalds besteht auf 38kg/m² und die Initiative Tierwohl (ein Thema für sich) fordert im Maßnahmenkatalog im Durchschnitt 3 aufeinander folgender Durchgänge max. 35kg/m². Die EU erlaubt 42kg/m², und weltweit…. –da gibt es bestimmt auch irgendwo irgendeine Zahl.

Aber ich glaub das wissen Sie alles. Vielleicht ist auch das graue Wetter schuld, aber ich hatte das Bedürfnis mir dies alles mal von der Seele zu schreiben. Unser Betrieb richtet sich genau nach den Vorgaben, die uns der Gesetzgeber vorgibt. Man kann es hin und her drehen wie man will, egal ob Biohähnchen, Weidehähnchen, Privathof, konventionell, nach ITW, nach McDonalds…. Jeder hat „zusätzlich“ noch andere Kriterien. Wer kommt morgen? Was will der Kunde morgen? Wer konnte nachts nicht schlafen und hat sich wieder was Tolles ausgedacht? Und…. Wer läuft dann wirklich durch den Stall, welche Nase, welche Augen und welche Ohren kontrollieren dann das Tier/den Stall?

Die Verantwortung liegt ganz alleine bei uns, die nimmt uns keiner ab. Besserwissen tue ich auch so manches…. Aber das muss ich dann nicht durchführen, ich stehe da nicht im Wind, ich kann einfach nur für noch mehr Luft sorgen. Wir sind einer der vielen Betriebe die ihre Höfe und Ställe öffnen, um den Kunden in die Welt dahinter mitzunehmen und ehrlich zu erklären

Eine kleine Geschichte am Rande:

Im Oktober war ein Filmteam bei uns im Hähnchenmaststall. Die Tiere im Stall waren 17 Tage alt. Das Team hat durch das vorhandene Fenster in den Stall geschaut und ich hab sie tuscheln hören…. Keiner hat jedoch etwas zu uns gesagt oder gefragt. Später –nach dem Dreh- hieß es … sie wären ganz erschrocken von dem „Zustand der Tiere“ gewesen. Wenig Federn, zerzupft, viel Haut…

Die Erklärung war so einfach wie einleuchtend, es war der Zeitpunkt der „Hühnerpubertät“.
Wir haben es ihnen erklärt und trotzdem in zweifelnde Gesichter geschaut. Gott sei Dank kam unser großer Sohn dazu. Er ist 12… entwicklungstechnisch etwas weiter vorne und so mitten in der Pubertät… keinen Bart … nur hier und da ein Härchen, keine reine Haut, der Stimmung angepasstes Bewegungsbild, Stimme (-ung) sehr schwankend…. J Mit einem Zwinkern, einem Lächeln und der Offenheit unseres Sohnes konnten wir den 30-jährigen Gemütern glaubhaft vermitteln und nachvollziehbar erklären, dass auch Tiere eine „Pubertät“ hinter sich bringen müssen. Aber daran denkt man halt oft nicht.

Sicherlich bin ich nicht die oder der einzige, welcher sich oft persönlich angegriffen, verletzt, benutzt, verspottet, als Lügner hingestellt, als Unwissender… und vieles mehr hingestellt fühlt. Dennoch stehen wir jeden Tag wieder im Stall und auf dem Feld und verrichten unsere erlernte Arbeit mit Überzeugung und Herzblut. Wir lassen uns nicht krankschreiben wegen „Mobbing“ oder kündigen die Stelle, um woanders neu anzufangen.

Es ist unsere Überzeugung und unser Herz nach bestem Wissen und Gewissen nach der guten fachlichen Praxis zu arbeiten. Für uns und für Euch… nicht entweder oder! Der Landwirt ist es oft gewohnt in 10 Jahresabschnitten vorausschauend zu handeln und zu denken. Auch da kommt der Endverbraucher nicht mit. Oje… ich verzettele mich….

Was will der Kunde?

Fakt ist: Nach wie vor wissen wir nicht genau was der Kunde eigentlich will. Discounter-Ware ist definitiv keine Ramschware. Wenn dies so wäre… warum kauft man dann kein naturbelassenes Sauerteigbrot vom örtlichen Bäcker? Warum geht der Kunde in die „Backstube“ im Discounter? Der Preis ist mit Sicherheit ein Grund, die Bequemlichkeit ein zweiter, der Glaube ein dritter.

Ich habe heute in der Zeitung gelesen, dass Bauer Willi demnächst bei uns in der Gegend Gastredner ist. Sollte Zeit sein… wir stallen an diesem Tage wieder ein! Unsere Stall- und Hoftür ist für Sie offen! Gerne dürfen Sie unsere neuen weiblichen und männlichen Bewohner auf Zeit begrüßen!

Eine heute etwas „angeknackste“ aber sonst von Herzen überzeugte und mit Überzeugung arbeitende Bäuerin!

Es grüßt Sie herzlichst

Ihre bayrische Bäuerin

(Der Name ist mir natürlich bekannt. Sie möchte aber anonym bleiben)

 

(Aufrufe 1.355 gesamt, 1 heute)

101 Kommentare

  1. KOPF HOCH, auch wenn ich Ihre Produkte nicht kaufe. Vielleicht hilft es, sich klar zu machen, dass viele, die Kritik an der Haltungsform üben, zugleich Ihre Kunden sind (indirekt), schließlich sind nicht alle so konsequent wie Veganer und Paulus. 😉 Menschen meckern halt. Viele Menschen haben ein ungutes Gefühl beim Anblick zerzauster oder feister Hühner, zugleich hätten sie ein ungutes Gefühl, Ihnen dies direkt zu sagen, denn Sie machen eine Arbeit, die diese Menschen selbst in Anspruch nehmen, auch wenn das viele selbst nicht zugeben oder sich selbst einen vormachen (“ich kaufe nur beim Metzger meines Vertrauens/ich esse nur ganz wenig Fleisch, und wenn, dann nur Bio”). Die Folge ist, dass hinter Ihrem Rücken gemeckert oder auf die Landwirtschaft allgemein geschimpft wird. Ich verstehe so etwas eher als Gesellschaftskritik und nicht als Kritik am einzelnen Bauern.

    • Ehemaliger Landwirt sagt

      AdT,

      die Bauern, die kleinen Bauern bekommen das Fett weg.

      Was glauben sie wie viele mal ich mir anhören musste, wie wir ständig jammern, obwohl ich tunlichst vermieden habe, über die Preise zu klagen. Lieber habe ich über den Lohn meiner Frau als Altenpflegerin geklagt, dafür hat man Verständnis.

      Hühner, die im Stall gehalten werden, bei denen sieht man die Mauser stärker, als in der Freilandhaltung, das ist durch die Wärme im Stall bedingt. ( In der Stube mit 24° Wärme sitzt man auch nicht im Pelzmandel)

  2. Paulus sagt

    Mir ist nicht klar was uns die Bäuerin damit sagen will. Die gesetzl. Bestimmungen und sonstigen Vorschriften waren doch wohl bekannt bevor dieses Geschäftsmodell gewählt wurde.
    Auf dieses subtil ausgedrückte „der Verbraucher ist schuld oder kommt da nicht mit“ reagiere ich mittlerweile äußerst sensibel.
    Der Verbraucher hat doch überwiegend gar keine andere Wahl als günstig einzukaufen. Ich kenne Landstriche, da gibt es nichts mehr außer Aldi und Konsorten. Ein ganz normaler Rewe-Markt ist da schon ein Highlight. Einen Metzger oder Bäcker, der noch etwas anderes außer Waren aus Massenproduktion anbietet muss man erst mal finden.
    Wenn meine Frau oder ich so gegen 17:30 – 19:00 nach Hause fahren und auch noch im Stau stehen, bleibt außer der Aufbackware im Discounter nichts mehr und bei den Hofläden ist die Schranke geschlossen.
    Im Übrigen bin ich wirklich nicht zimperlich, aber nachdem ich mal Einblick in einen Putenmaststall hatte, gibt es bei uns keine Putenschnitzel und auch keine Hühnchen oder Hähnchen aus Mastbetrieben mehr.
    Wir kaufen ab und zu ein Hühnchen bei einem Rentnerehepaar in Belgien, das kostet lebend so acht bis zehn EUR, ist also hochpreisig. Die übergeben mir das kopfüber an den Ständern und dann gibt es da einen Hauklotz und ein Hackbeil. Das mit dem Rupfen und so habe ich auch ganz gut im Griff, das kenne ich seit meiner Kindheit. Ein Tierarzt war da noch nie beteiligt.
    In Wahrheit halte ich genau diese Vorgehensweise für richtig und sogar für ähnlich elitär wie die Jagd. Es schärft das Bewusstsein für das was man an tierischen Erzeugnissen zu sich nimmt. Aber versuch doch mal, dass mit zig Mio. Menschen zu praktizieren – damit sind wir wieder bei Aldi und Co. Ein Federvieh das anhand von kg/m² gehalten wird, ist nun mal keine Kostbarkeit. Genau so wenig wie die Milch die über hunderte km durch die Gegend gekarrt wird. Es sind und bleiben elende Massenprodukte.
    Die Erzeugnisse von z.B. Frau Mörixmann haben für uns eine gewisse Bedeutung. Wir sträuben uns aber diese über den Versandhandel zu beziehen, sondern möchten sie gerne vor Ort kaufen, geht aber nicht.
    Extrem schwierig das Ganze.

    Es grüßt Sie, ein ganz normaler, geistig nicht mitkommender, allerdings der LW zugeneigter Verbraucher, gnädige Frau.

    • Bäuerin sagt

      Hallo Paulus, danke auch Ihnen für Ihren Beitrag. Ich gebe den Verbrauchern hier keine Schuld. Es ist ja durchaus nicht jedem landwirtschaftlichen Berufskollegen geläufig wie in der hier beschriebenen konventionellen Hähnchenmast gearbeitet wird. Von Schuld will ich nicht sprechen. Den Eindruck, dass Verbraucher und Erzeuger sich in der Vergangenheit jedoch voneinander entfernt haben – ohne es wirklich zu merken – diesen Eindruck vertrete ich schon. Wir sind wirklich bestrebt, diese Entfremdung und Entfernung wieder auf einen guten Weg zu bringen. Daran ist uns- und vielen anderen auch, sehr gelegen. z.B. hat Putenmast mit Hähnchenmast ziemlich wenig zu tun. Aber schön für Sie, dass Sie für sich einen Weg gefunden haben. Schönen Abend – danke für die “gnädige Frau” –

  3. Friedrich sagt

    Der Kunde will in der Mehrheit “Billig”. Und wenn das Hähnchen mit Beton gemästet wäre, hauptsache billig. So stand es schon vor vielen Jahren in der taz in Berlin. Daran hat sich bis heute nicht s geändert , denn die Scannerkasse sagt es genauso heute , wie die taz vor 17 Jahren. Die Mäkelei kommt von den Medien von wegen der Schlagzeilen und Absatzprofit , sowie von der Politik um von den eigenen Problemen , wie z.B. der Flüchtlingskrise abzulenken, also alles “niedrige Beweggründe”. Lieber auf die Bauern einschlagen , als selbst in diese Zielscheibe zu geraten. — Heute ist die Welt nun anders. Unsere Politik hat sich mit
    Jamaika und Groko selbst entlarvt. Die Bösewichter ,oder wie manche auch inzwischen Pack sagen ,wird nun von den Wählern für ihr menschverachtendes Tun bestraft. Ablenkung geht nun nicht mehr , denn jeder Mensch hat nun erkannt was da in Berlin für Leute ihr unwesen treiben. Die Nöte der Wähler zu mißachten war eben eine Dummheit.
    Auch die Medien sind dem gefolgt und sollten sich mal für ihre einseitige Berichterstattung rechtfertigen. Es ist schon schlimm , daß man sich Zeitungen aus der Schweiz beschaffen muß , um auch mal eine andere Meinung zu hören. Diese ewige Abschreiberei und das Hörigsein zur Politik ist einfach grausig.

  4. Lieschen Müller sagt

    Ein schöner Artikel, der einen kleinen Einblick in das Geschäft der Hähnchenmast bietet. Ich wusste z.B. nicht, dass man nur einmal am Ende ausmistet. Vielleicht können sie noch 2-3 Bilder beisteuern?

      • Lieschen Müller sagt

        Ja, so hatte ich das verstanden: am Ende eines Hühnerlebens (sie sagen dazu Durchgang).

            • Kühe, aber eher Bullen und Rinder laufen auch im Laufstell der einmal im Jahr sauber gemacht wird.
              Das gibt guter Stabelmist.

              Bei Hennen oder Geflügel in Bodenhaltung ist es ähnlich.

              Sie stehen nur kürzer drauf, weil ihre Mastperiode ja kürzer ist.

  5. bauerhans sagt

    “Der Preis ist mit Sicherheit ein Grund, die Bequemlichkeit ein zweiter, der Glaube ein dritter.”

    der preis und die bequemlichkeit sind die gründe für den kunden/verbraucher!
    der glaube spielt nur emotional zur rechtfertigung eine rolle.

    • Der Glaube ist aber für die Dicounter ein wichtiges Instrument.
      Mit diesem Glauben, den sie immer bewusster beeinflussen, geben sie dem Kunden ein gutes Gefühl beim Einkauf.
      Letztendlich ist die Ware beim Discounter bestimmt nicht die schlechteste. Aber die Wertschöpfungskette ist zu Lasten der Bauern verschoben. Und die Kommunikation ist sehr einseitig. Wer im Hofladen einkauft, der kann sich noch ein Bild von der Landwirtschaft machen. Der hat den Dialog mit dem Erzeuger.
      Im Dicounter gibt es nur die einseitig inzwischen emotional aufgeladene Information, mit welcher sich der Kunde gerne überzeugen lässt…

      • bauerhans sagt

        “hier spricht der preis”
        war mal werbung eines discounters.
        der glaube spielt keine rolle.

        • Lieschen Müller sagt

          Habt ihr den Artikel über die “Ankerpreise” gelesen? Tenor war, früher konnte der Kunde am Butterpreis erkennen, ob der Laden billig oder teuer war. Heute ändert der sich ständig. Also zählt wieder der Glaube!

          • Ehemaliger Landwirt sagt

            Der Butterpreis ändert sich ständig, derzeit liegt der Einheitspreis bei 1,29 Euro, bei Aldi, Lidl, Edeka, nur beim Endiviensalat, da ist Edeka 30 Cent billiger und ist nicht einmal im Angebot.

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