Kreisbauerntag: Bauer Willi und die Scheinheiligen

Veitsrodt. Mit seinen „Wutbriefen“ über die Scheinheiligkeit von Verbrauchern machte sich Willi Kremer-Schillings in kurzer Zeit einen Namen: Die Menschen wollen billig kaufen, empören sich aber über Massentierhaltung.

Der Kreisbauerntag hat längst nicht mehr den Zuspruch vergangener Tage.
Foto: Hosser

In seinem Brief machte er sich Luft, er schickte ihn an einen Internet-Blog, und dann ging’s los: Erst klickten ihn 1500 Menschen, kurz darauf waren es schon 8000, dann 60 000. Das war vor zwei Jahren. Er trat in Günther Jauchs Sonntagabend-Talkshow auf, ein Jahr später schlug ihm der Piper-Verlag vor, ein Buch zu schreiben, überregionale Medien berichten über „Bauer Willi“ – ein Titel, mit dem auch die Tagung des Kreisbauernverbands am Mittwoch im Saal Hartmann-Dreher angekündigt wurde.

Genau genommen war „Bauer Willi“ nur die Ersatzlösung für Andy Becht, den neuen Staatssekretär im Mainzer Wirtschaftsministerium. Der hätte im Januar, dem üblichen Monat für den Kreisbauerntag, sprechen sollen. Kurz vor Weihnachten kam die Absage, Geschäftsführer Hartmut Bauer musste kurzfristig eine neue Lösung finden, die Tagung wurde um zwei Monate verschoben. Ob das der Grund war, warum nur 70 Zuhörer kamen und ganze Tischreihen leer blieben? Nein, sagt Bauer: Es setze sich bloß der Trend der vergangenen Jahre fort.

An Willi Kremer-Schillings kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Der Mann ist Anfang 60 und promovierter Agrarwissenschaftler, man könnte erwarten, dass er einen sachlich-fundierten, aber trockenen Vortrag hält. Aber „Bauer Willi“ weiß, wie er sein Publikum erreicht: Mit lockeren Sprüchen, pointierten Angriffen auf die Grünen und gern noch ein bisschen Sarkasmus über Renate Künast, mit der er sich schon in Jauchs Talkshow heftig stritt. Die Gegner macht er auch in anderen Lagern aus: Bei den Supermärkten wie Rewe, Edeka, Aldi und Lidl, seine ganz persönlichen „NGOs“, wie er sie überspitzt nennt: „Nichtregierungsorganisationen“, die den Erzeugern das Leben schwer machen. „Die stellen Forderungen an die Landwirte, die weit über die gesetzliche Norm hinausgehen. Das macht uns große Sorgen.“

Ein anderer Punkt ist die geänderte Essenskultur: Es gibt immer mehr Vegetarier und Veganer, viele Menschen reagieren so auf die Tierhaltungsproblematik und den Klimawandel. „Wir haben diese Veränderungen noch nicht richtig wahrgenommen.“ Was die Erzeuger machen können, liegt für Bauer Willi auf der Hand: Nicht auf die Politik bauen: „Für die sind wir bloß eine vernachlässigbare Randgruppe.“ Die Landwirte selbst müssten aktiv werden, schlägt er vor, sie müssen in die Öffentlichkeit gehen. „Wir erzählen relativ wenig, was wir im landwirtschaftlichen Betrieb machen. Wir werden sehr stark kritisiert, keiner will uns verstehen.“

Walter Clüsserath, der Vorsitzende des Bauern- und Winzerverbands m Kreis Trier-Saarburg, setzt doch mehr auf die Politik: „Wir wollen eingebunden sein. Wie will man unsere Sorgen hören, wenn keiner aus der Politik zu uns kommt?“ Denn Sorgen hat die Landwirtschaft genug. „Die Erlöse sind in fast allen Bereichen auf Talfahrt“, erklärt Matthias Helm, der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Birkenfeld, die Liquiditätslage in den Betrieben sei angespannt. Auch Helm trommelte für den Weg in die Öffentlichkeit: „Es wird viel mehr über die Landwirte geredet als mit ihnen. Dabei stehen wir für Tierschutz und Tierwohl.“

Dr. Anne Lühnenschloß vom Kreisveterinäramt informierte über den Schutz vor BHV1, den Herpesvirus bei Rindern. Am Vormittag hatte Roman Weber über die elektronische Übermittlung von Agrarförderanträgen an die EU referiert. In diesem Jahr müssen 75 Prozent der Daten elektronisch zugeschickt werden, im nächsten 100 Prozent. Ein empfindliches Thema, weiß Helm: Schließlich geht es um viel Geld, „ein Fehler bei der Ersteinpflegung kann teuer werden“.